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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 04.12.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 484/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56f
Zum Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung nach zweiter Verurteilung (zu einer Geldstrafe) wegen einer in der Bewährungszeit begangenen, nicht einschlägigen, Straftat (Diebstahl geringwertiger Sachen).

Zum Anrechnungsmaßstab nach § 56f Abs. 3 StGB.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers mit der Maßgabe verworfen, dass die vom Verurteilten auflagegemäß geleisteten 200 Stunden gemeinnützige Arbeit mit 34 Tagen auf die durch das Urteil des Amtsgerichts Beckum vom 05.10.2005 verhängte Freiheitsstrafe von 10 Monaten angerechnet werden.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Beckum verurteilte den Beschwerdeführer am 05.10.2005 wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Verurteilte bereits dreimal wegen Trunkenheitsfahrten bzw. Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestraft worden und stand aufgrund der letzten Vorverurteilung unter Bewährung. Eine weitere Verurteilung erfolgte per Strafbefehl vom 26.09.2005 des Amtsgerichts Beckum zu einer Geldstrafe wegen Diebstahls geringwertiger Sachen. Die Strafaussetzung in vorliegender Sache erfolgte wesentlich unter dem Gesichtspunkt, dass der Verurteilte sich damals in Therapie befand und versuchte seine Alkoholsucht zu bekämpfen. Die Bewährungszeit setzte das Gericht auf drei Jahre fest und erlegte dem Verurteilten die Ableistung von 200 Arbeitsstunden auf und erteilte eine Therapieweisung.

Die Arbeitsstunden hat der Verurteilte vollständig abgeleistet. Die Therapie hatte er im Februar 2006 ordnungsgemäß abgeschlossen und sich sodann freiwillig in eine Adaptionseinrichtung begeben, die er am 19.04.2006 verließ. Bereits am 20.04.2006 beging er zusammen mit einem Mittäter einen Ladendiebstahl (2 Flaschen Wodka und eine Flasche Korn im Gesamtwert von 33 Euro), nachdem beide bereits eine Flasche Wodka zuvor konsumiert hatten und auf diese Weise "Nachschub" erlangen wollten.

Von März bis November 2007 befand sich der Verurteilte zur Verbüßung der Freiheitsstrafe von 8 Monaten aus einer Vorverurteilung wegen Trunkenheitsfahrt und Fahrens ohne Fahrerlaubnis (bzgl. derer die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war) in Strafhaft. Im Hinblick auf die geschilderte neue Verurteilung wegen Diebstahls verlängerte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielfeld die Bewährungszeit um ein Jahr (Beschluss vom 06.08.2007).

Am 22.02.2008 entwendete der Beschwerdeführer erneut Waren im Wert von 5,29 Euro aus einem Supermarkt und wurde deswegen vom Amtsgericht Beckum mit (rechtskräftigem) Urteil vom 14.07.2008 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Nach seinen Angaben gegenüber der Bewährungshelferin handelte es sich um Alkohol. Er gab dort auch an, unregelmäßig Wodka und Bier zu konsumieren.

Wegen dieser neuen Verurteilung hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten zur Frage des Widerrufs der Strafaussetzung schriftlich angehört und schließlich den angefochtenen Beschluss erlassen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist weitgehend unbegründet.

1.

Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer die Strafaussetzung widerrufen, weil der Verurteilte in der Bewährungszeit Straftaten begangen hat und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nämlich dass er auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine weiteren Straftaten mehr begehen wird, sich nicht erfüllt hat.

Der Verurteilte hat am 22.02.2008 in der Bewährungszeit eine Diebstahlstat begangen und ist deswegen rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Bereits zuvor hatte er in der Bewährungszeit ebenfalls eine Diebstahlstat begangen, weswegen die Bewährungszeit verlängert worden war. Weder die Verlängerung noch der zuvor aufgrund Widerrufs in anderer Sache erlittene Strafvollzug haben den Verurteilten indes davon abhalten können, wieder erneut straffällig zu werden. Die Berufung des Verurteilten darauf, er sei von Männern zu der neuerlichen Tat gezwungen worden, kann nur als Schutzbehauptung verstanden werden, denn bei einem Nötigungsnotstand wäre es nicht zur neuerlichen Verurteilung gekommen, gegen die der Verurteilte keine Rechtsmittel eingelegt hat.

Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der neuerlichen Straftat um eine im Verhältnis zur Anlassverurteilung nicht einschlägige und darüberhinaus auch eher geringfügige Tat handelt. Voraussetzung für den Widerruf ist aber nicht, dass die neue Verfehlung nach Art und Schwere mit der früheren Tat vergleichbar ist (Fischer StGB 55. Aufl. § 56f Rdn. 8a; Hubrach in LK 12. Aufl. § 56f Rdn. 14 m.w.N.). Die neue Tat zeigt - trotz ihres Bagatellcharakters -, dass der Verurteilte seine kriminelle Lebensführung nicht geändert hat. Er hat bereits früher einmal einen Diebstahl geringwertiger Sachen begangen und ist nunmehr bereits zum zweiten Mal wegen Ladendiebstahls in der Bewährungszeit in Erscheinung getreten. Die Rückfallgeschwindigkeit ist hoch. Zwar ist bei suchtkranken Straftätern ein Rückfall (sowohl in den Konsum von berauschenden Mitteln als auch in die Straffälligkeit) eher die Regel als die Ausnahme und zwingt - auch bei mehrmaligem Rückfall - nicht unbedingt zum Widerruf. Entscheidend ist insoweit, wie der Verurteilte mit einem solchen Rückfall umgeht (vgl. KG Berlin Beschl. v. 07.09.2001 - 5 Ws 522/01). Hier kann der Senat aber eine in die Tat umgesetzte Einstellungsänderung bei dem Verurteilten nicht erkennen. Vielmehr zeigt seine Einlassung hinsichtlich des angeblichen Nötigungsnotstands eher eine Bagatellisierungstendenz auf.

Da beide Ladendiebstähle (der zweite nach eigener Einlassung des Verurteilten gegenüber der Bewährungshelferin) der Alkoholbeschaffung dienten und der Verurteilte Alkoholiker ist, wird erkennbar, dass zudem auch wieder neue einschlägige Straftaten drohen.

Dass der Beschwerdeführer wegen der neuen Tat lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, hindert den Widerruf nicht. Es ist zwar regelmäßig nahe liegend sich der Sanktionierungseinschätzung des sachnäheren Tatgerichts anzuschließen, zwingend ist das aber nicht. Hier ist entscheidend, dass der Umstand der Verhängung einer Geldstrafe für eine Legalprognose regelmäßig ohne Bedeutung ist, denn das Tatgericht nimmt, wenn es eine Geldstrafe verhängt, eine Einschätzung bezüglich der Legalprognose, wie sie §§ 56, 56f StGB bei Freiheitsstrafen verlangen, gar nicht vor. Aus der bloßen Verhängung einer Geldstrafe kann daher nicht auf eine vom Tatgericht gestellte günstige Legalprognose geschlossen werden (Senat NStZ-RR 2008, 25, 26 m.w.N.).

2.

Mildere Mittel als der Widerruf (§ 56f Abs. 2 StGB) reichen nicht zur Reaktion auf die neue Straftat aus. Schon die Verurteilung wegen des ersten Ladendiebstahls und die Verlängerung der Bewährungszeit haben insoweit keine hinreichende Warnung entfaltet und die früher erteilten Auflagen und Weisungen haben den Verurteilten nicht vor Alkoholrückfall und damit zusammenhängenden Straftaten bewahrt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass nunmehr eine weitere Verlängerung und/oder Erteilung weiterer Auflagen und Weisungen genügen.

3.

Die Anrechnung erbrachter gemeinnütziger Leistungen nach § 56f Abs. 3 StGB hat der Senat - in Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses - entsprechend dem in der Senatsrechtsprechung üblichen Anrechnungsmaßstab von 6 Arbeitsstunden = 1 Tag Freiheitsstrafe vorgenommen, was hier (zu Gunsten des Verurteilten gerundet) 34 Anrechungstage ergibt. Anhaltspunkte für die Zugrundelegung eines anderen Anrechnungsmaßstabes gibt es nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO. Der geringfügige Teilerfolg des Verurteilten bezüglich der Anrechnung der erbrachten Arbeitsleistungen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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