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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.11.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 494/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 26
Zur Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs, mit dem geltend gemacht wird, dass der Richter untätig gewesen sei.
Beschluss

Ermitttlungsverfahren

gegen D.B.

wegen falscher Verdächtigung

(hier: sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuches).

Auf die sofortige Beschwerde des Beschuldigten vom 10.10.2001 gegen den Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 28.09.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.11.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Dem Beschwerdeführer wird in dem vorliegenden Ermittlungsverfahren falsche Verdächtigung aufgrund von ihm erstatteter Strafanzeigen sowie Betrug zum Nachteil des Arbeitsamtes Frankfurt am Main vorgeworfen. Im Zuge der Ermittlungen sind u.a. am 11.07.2001 - 9 Gs 2696/01 AG Bielefeld - und am 24.07.2001 - 9 Gs 2922/01 AG Bielefeld - Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse betreffend die Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten in Bad Homburg und Nottuln erlassen worden. Die Durchsuchungen erfolgten sodann am 25.07.2001. Der Beschwerdeführer hat gegen die Durchsuchungen und deren Anordnung unter dem 01.08.2001, unter dem 03.08.2001 sowie unter dem 04.08.2001 und dem 05.08.2001 Beschwerde eingelegt bzw. die eingelegten Beschwerden ergänzt und weiter begründet.

Mit Verfügung vom 07.08.2001 hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld die Vorgänge der zuständigen Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht in Bielefeld mit einer ausführlichen Stellungnahme sowie mit dem Antrag vorgelegt, den Beschwerden nicht abzuhelfen und die Akten dem Landgericht - Beschwerdekammer - in Bielefeld vorzulegen. Dort hat die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerden als unbegründet zu verwerfen.

Das Amtsgericht Bielefeld hat den Beschwerden mit Verfügung vom 09.08.2001 - 9 Gs 3139/01 - nicht abgeholfen und die Vorgänge dem Landgericht Bielefeld vorgelegt. Gleichzeitig hat es einen weiteren Beschlagnahmebeschluss erlassen (9 Gs 3139/01). Die Zentrale Eingangsstelle für Strafsachen des Landgerichts hat die Sache mit Verfügung vom 13.08.2001 der 9. Strafkammer zugeschrieben und ihr die Aktenzeichen Qs 478/01 und Qs 479/01 LG Bielefeld zugeteilt.

Den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 09.08.2001 hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15.08.2001 angegriffen. Diese Beschwerde, der das Amtsgericht am 28.08.2001 nicht abgeholfen hat, ist von der Staatsanwaltschaft Bielefeld mit Verfügung vom 24.08.2001 unter Beifügung einer Stellungnahme der 9. Strafkammer zugeleitet worden.

Mit Verfügung vom 27.08.2001 hat der Vorsitzende der 9. Strafkammer die Vorgänge dem Berichterstatter zur Fertigung eines Entscheidungsentwurfs bis zum 14. September 2001 zugeschrieben.

Der Beschwerdeführer hat gegenüber dem Landgericht seine Beschwerde mit Schreiben vom 31.08.2001 weiter begründet und in diesem Zusammenhang Befangenheitsgesuche gegen die Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Bielefeld sowie gegen die Mitglieder der 9. Strafkammer des Landgerichts, nämlich gegen den Vorsitzenden Richter am Landgericht H., den Richter am Landgericht B. und die Richterin am Landgericht P., gestellt. Mit weiteren Schreiben vom 31.08.2001, vom 01.09.2001, vom 09.09.2001,vom 18.10.2001 und vom 05.11.2001 hat der Beschwerdeführer seine Beschwerden sowie teilweise die Befangenheitsgesuche weiter begründet.

Die abgelehnten Richter haben sich unter dem 05.09.2001 dienstlich geäußert. Die dienstlichen Stellungnahmen sind dem Verteidiger des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 10.09.2001 zur Stellungnahme zugeleitet worden. Der Verteidiger hat sich mit Schriftsatz vom 18.09.2001 geäußert, ebenso der Beschwerdeführer persönlich unter dem 17.09. und 22.09.2001. Die Staatsanwaltschaft hat am 28.09.2001 erklärt, dass sie keine Erklärung abgeben wolle.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.09.2001 hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld das Befangenheitsgesuch gegen die Richter der 9. Strafkammer zurückgewiesen. Der Beschluss ist dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 04.10.2001 zugestellt worden. Der Beschwerdeführer greift ihn mit der am selben Tage beim Landgericht Bielefeld eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 10.10.2001 an, die er persönlich mit Schreiben vom 11.10.2001 näher begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Befangenheitsgesuche sind vom Landgericht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden. Allerdings hätte das Landgericht die Begründetheit der Befangenheitsgesuche nicht überprüfen müssen. Die Befangenheitsgesuche waren nämlich bereits unzulässig.

Die Unzulässigkeit der Befangenheitsgesuche folgt hier aus § 26 a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO. Die Ablehnungsgesuche des Beschwerdeführers waren nämlich mit einer völlig ungeeigneten Begründung versehen (§ 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO) und verfolgten offensichtlich nur verfahrensfremde Zwecke (§ 26 a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Der Beschwerdeführer hat zur Begründung seiner Gesuche in erster Linie die Untätigkeit der abgelehnten Richter im Sinne der Nichtbescheidung seiner Beschwerden bis zum 15.08.2001 (so Seite 10 seines Schreibens vom 31.08.2001) bzw. bis spätestens zum 20.08.2001 (so Seite 4 seines Schreibens vom 11.10.2001) angeführt. Würde man dieser Argumentation des Beschwerdeführers streng folgen, wären seine Ablehnungsgesuche bereits deshalb unzulässig, weil sie verspätet sind, § 26 a Abs. 1 Ziff. 1 StPO. Ein Zuwarten um zwei Wochen oder 10 Tage nach Eintritt des Ablehnungsgrundes am 15.08.2001 bzw. am 20.08.2001 würde nämlich keine unverzügliche Geltendmachung des Ablehnungsgrundes i.S.v. § 25 Abs. 2 Ziff. 2 StPO mehr bedeuten (vgl. BGHR StPO § 25 Abs. 2, unverzüglich 4, Urteil vom 05.04.1995).

Dies kann hier aber auf sich beruhen, da die Ablehnungsgesuche mit ihrer Begründung jedenfalls nach § 26 a Abs. 1 Ziff. 2 und 3 StPO unzulässig sind. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass solche zur Ablehnung herangezogenen Umstände, die aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sind, zur Unzulässigkeit der Ablehnung führen. Eine völlig ungeeignete Begründung ist rechtlich wie das Fehlen einer Begründung zu behandeln (BGHR StPO § 26 a, Unzulässigkeit 2, 7, 9; BGH NStZ 1999, 311). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Beschwerdeführer das Institut der Richterablehnung als Druckmittel zur erhofften Durchsetzung ihm genehmer Entscheidungen verwenden will. Ein solches Gesuch ist sachfremd, wobei die Sachfremdheit sich insbesondere aus der völligen Abwegigkeit der Ablehnungsgründe erschließt (BGHR StPO § 26 a, Unzulässigkeit 7 m.w.N.). Eine völlig abwegige Begründung liegt dabei dann vor, wenn sie sich in nach den Umständen haltlosen Verdächtigungen zum Nachteil der abgelehnten Richter, in sich in bloßen Anwürfen ergehenden Schmähungen oder in der bloßen Behauptung gesetzwidrigen Verhaltens erschöpft (BGHR StPO § 26 a, Unzulässigkeit 2, 7, je m.w.N.).

Hier hatte der Beschwerdeführer die Ablehnung darauf gestützt, dass seine Beschwerden nicht bis zum 15.08.2001 bzw. bis zum 20.08.2001 beschieden worden waren. Er hat aber gleichzeitig mit der Anbringung der Ablehnungsgesuche am 31.08.2001 seine Beschwerden näher begründet und diese Begründung dann mit weiteren Schreiben vom 01.09.2001 und vom 09.09.2001 vertieft. Dieses Verhalten des Beschwerdeführers ist in höchstem Maße widersprüchlich und offenbart die Rechtsmissbräuchlichkeit des dahinter stehenden Anliegens. Dem Vorwurf der Befangenheit hätten sich die Mitglieder der Strafkammer nämlich allenfalls dann aussetzen können, wenn sie entschieden hätten, ohne das angekündigte weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. So hat der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 01.09.2001 auf Seite 22 ausdrücklich ausgeführt, dass er hoffe, "dass die zuständige Strafkammer des Landgerichts Bielefeld sehr sorgfältig insbesondere die Beschwerdebegründung vom 01.09.2001 durcharbeitet, zur Kenntnis nimmt, ihrer richterlichen Sorgfaltspflicht hinreichend Genüge tut und sorgfältig abwägt." Nimmt man hinzu, dass die Eingaben des Beschwerdeführers in den laufenden Beschwerdeverfahren eine Vielzahl von Beschimpfungen, Beleidigungen und sonstigen unsachlichen Anwürfen u.a. auch gegen die abgelehnten Richter enthalten, so wird die Sachfremdheit der mit den Ablehnungen verfolgten Ziele überdeutlich.

Nichts anderes gilt, soweit der Beschwerdeführer in Ergänzung seines ursprünglichen Ablehnungsgesuches nach Kenntnisnahme von den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter weiter angeführt hat, ihm seien die Gegenerklärungen der Staatsanwaltschaft vom 07.08.2001 und vom 24.08.2001 von der Strafkammer nicht zugänglich gemacht worden. Der Beschwerdeführer hatte keinerlei Anspruch darauf, dass ihm diese Gegenerklärungen in jedem Fall zugänglich gemacht wurden. § 308 Abs. 1 S. 1 StPO sieht nämlich zwingend allein die Mitteilung der Gegenerklärung an den Gegner des Beschwerdeführers und dies nur in den Fällen vor, dass das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung zum Nachteil des Gegners des Beschwerdeführers ändern will. Dem Beschwerdeführer selbst muss die Gegenerklärung nur zur Kenntnis gebracht werden, wenn sie neue Tatsachen oder Beweisergebnisse enthält, die das Beschwerdegericht ohne weiteres verwerten will, § 33 Abs. 3 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 308 Rdnr. 4). In die Prüfung dieser Frage war die Strafkammer zum Zeitpunkt des Ablehnungsgesuches aber nicht einmal eingetreten.

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus den telefonischen Kontakt zwischen dem Berichterstatter und der Staatsanwaltschaft in dem Sinne rügt, dass ein durchgehender telefonischer Kontakt zu bestehen "scheine", handelt es sich um eine ersichtlich nur ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, die dem Ablehnungsgesuch ebenfalls nicht zur Zulässigkeit verhelfen kann (vgl. abermals BGH StPO § 26 a, Unzulässigkeit 2 a.E.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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