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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 515/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 35 Abs. 1
StPO § 35 a
StPO § 44 Satz 2
StPO § 45 Abs. 1
StPO § 45 Abs. 2 Satz 3
StPO § 304 Abs. 2
StPO § 395 Abs. 2 Ziff. 1
StPO § 400 Abs. 1
StPO § 464
StPO § 464 Abs. 3 Satz 1
StPO § 464 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz
StPO § 472 Abs. 1
StPO § 472 Abs. 1 Satz 2
StPO § 473 Abs. 3
StPO § 473 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Dem Nebenkläger zu 1.) wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gewährt.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils der I. Großen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 29. März 2007 - 21 KLs 70 Js 384/06 (4/07) - wird dahingehend ergänzt, dass der Verurteilte die den Nebenklägern zu 1.) und 2.) erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Nebenklägern zu 1.) und 2.) insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Verurteilte.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer sind durch Beschluss des Landgerichts Essen vom 06.02.2007 bzw. 20.02.2007 gemäß § 395 Abs. 2 Zif. 1 StPO als Nebenkläger zugelassen worden.

Das Landgericht Essen hat den Angeklagten am 29.03.2007 wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Kostenentscheidung lautet: "Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen."

Der Nebenkläger zu 1.) war bei der Urteilsverkündung anwesend, die Nebenklägerin zu 2.) dagegen nicht. Beiden ist das schriftliche Urteil am 15.05.2007 bzw. 16.05.2007 zugestellt worden.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 18.05.2007, beim Landgericht Essen eingegangen am 19.05.2007, gegen die unterlassene Entscheidung über ihre eigenen notwendigen Auslagen.

II.

Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaften sofortigen Beschwerden sind zulässig und in der Sache begründet.

1.

Dem Nebenkläger zu 1.) war von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren.

Diesem ist die unterlassene Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf den Angeklagten gemäß § 35 Abs. 1 StPO mit der am 29.03.2007 - in seiner Anwesenheit - erfolgten Urteilsverkündung bekannt gemacht worden, sodass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 311 Abs. 2 StPO) eine Woche danach abgelaufen war. Da eine Belehrung des Nebenklägers zu 1.) über das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung aber unterblieben war, war er gemäß § 44 Satz 2 StPO i.V.m. § 35 a StPO ohne sein Verschulden daran gehindert, die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde einzuhalten.

Mit Schriftsatz vom 18.05.2007 hat der Bevollmächtigte des Nebenklägers zu 1.) das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die unterlassene Entscheidung über die notwendigen Auslagen eingelegt, nachdem ihm zuvor am 15.05.2007 das schriftliche Urteil zugestellt worden ist. Damit ist innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO die versäumte Handlung nachgeholt worden, so dass Wiedereinsetzung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO auch ohne Antrag gewährt werden konnte.

2.

Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde scheitert nicht an der Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO. Danach ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 des § 464 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist.

Der Senat vertritt dazu in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss des Senats vom 22.09.1994 3 Ws 458/94 ; Beschluss des Senats vom 18.09.2001 3 Ws 372/01 ; Beschluss des Senats vom 29.06.2004 3 Ws 243/03 ) die Auffassung, dass die Bestimmung des § 400 Abs. 1 StPO nicht zur Begründung der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Nebenklägers gegen die unterlassene Kosten und Auslagenentscheidung herangezogen werden kann. § 464 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz StPO knüpft nämlich den Ausschluss der Beschwerdebefugnis ausdrücklich an die fehlende Statthaftigkeit einer Anfechtung der Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer. Die beschränkte Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers gemäß § 400 Abs. 1 StPO beruht dagegen auf dessen fehlender Beschwer im Einzelfall, nämlich in den Fällen, in denen es allein um die Verhängung der Rechtsfolge der Tat geht bzw. in denen es bereits an einem Anschlussdelikt fehlt.

3.

Der Beschwerdewert gemäß § 304 Abs. 2 StPO wird erreicht. Schon die Rechtsanwaltskosten der Nebenklage werden für beide Nebenkläger zusammen mit 780,98 € beziffert.

4.

Die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu 1.) und 2.) waren gemäß § 472 Abs. 1 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen.

Der Angeklagte ist wegen einer Tat verurteilt worden, die die Nebenkläger betrifft, und zwar u.a. wegen fahrlässiger Tötung der Mutter und der Schwester der Nebenkläger zu 1.) und 2.). Besondere Umstände im Sinne von § 472 Abs. 1 Satz 2 StPO, nach denen die Billigkeit es erfordert, den Angeklagten von den notwendigen Auslagen der Nebenkläger freizustellen, sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Auslagenentscheidung war deshalb nachträglich zu ergänzen.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3 und Abs. 7 StPO.

Ende der Entscheidung

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