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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 54/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 271
StGB § 276

Entscheidung wurde am 16.05.2004 korrigiert: der gesamte Volltext der Entscheidung wurde wegen fehlerhafter Anonymisierung ersetzt
Ein internationaler Zuslassungsschein für ein Kraftfahrzeug ist eine öffentliche Urkunde i.S. des § 271 StGB.
Beschluss

Strafsache

gegen 1. R.R. und 2. M.R.

wegen Urkundenfälschung und Betruges,

(hier: sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens).

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen vom 21. Juli 2003 gegen den Beschluss der VII. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 17. Juli 2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeschuldigten und ihrer Verteidiger beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit er die Nichteröffnung des Hauptverfahrens bezüglich der den Angeschuldigten unter Ziffer 1. a) und b) des Anklagesatzes zur Last gelegten Vorwürfe betrifft, seit Januar 2001 in Bottrop und Essen in 1215 Fällen durch dieselbe Handlung gewerbsmäßigen Betrug und Urkundenfälschung begangen zu haben.

Hinsichtlich dieser Taten wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Essen vom 11. April 2003 (15 Js 213/02 StA Essen) mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen, dass die beiden Angeschuldigten angeklagt werden, im genannten Zeitraum in Bottrop und Essen durch 1215 selbstständige gemeinschaftliche Handlungen bewirkt zu haben, dass Tatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden als geschehen beurkundet werden, während sie überhaupt nicht geschehen sind und dabei gegen Entgelt und in der Absicht gehandelt zu haben, sich zu bereichern.

Die Konkretisierung des Anklagesatzes wird diesbezüglich auf Seite 3, 1. Absatz, nach Zeile 4 wie folgt ergänzt:

Das Straßenverkehrsamt Bottrop erteilte in allen Fällen antragsgemäß jeweils Internationale Zulassungsscheine und Ausfuhrkennzeichen, die die Kunden von den Angeschuldigten erhielten.

Ferner wird die Anklageschrift auf Seite 3, 1. Absatz, nach Zeile 9 wie folgt ergänzt:

Der Angeschuldigte R. hat unter derselben Anschrift als Gewerbe einen Kurierdienst und einen Zulassungsdienst von Kraftfahrzeugen angemeldet.

Am Ende der Konkretisierung lauten die anzuwendenden Vorschriften:

Vergehen nach §§ 271 Abs. 1, Abs. 3, 25 Abs. 2, 53, 70, 74 StGB.

Das Hauptverfahren wird vor der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Essen eröffnet. Die Entscheidung über die Besetzung (§ 76 Abs. 2 GVG) bleibt dieser Strafkammer vorbehalten.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.

Gründe:

I.

Durch ihre Anklageschrift vom 1. April 2003 wirft die Staatsanwaltschaft Essen den Angeschuldigten vor, seit Januar 2001 in Bottrop und Essen durch 1219 selbstständige gemeinschaftliche Handlungen, davon in 1215 Fällen durch dieselbe Handlung, in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen Anderer dadurch geschädigt zu haben, dass sie durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregten, wobei sie gewerbsmäßig handelten und unechte Urkunden zur Täuschung im Rechtsverkehr hergestellt und gebraucht zu haben. Ferner wirft die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten vor, durch vier weitere selbstständige Handlungen weitere vier Betrugstaten begangen zu haben. Den Angeschuldigten wird Folgendes zur Last gelegt:

Die Angeschuldigten betrieben während des Tatzeitraumes einen Zulassungsdienst auf der A.Straße in B., durch den Interessenten Kraftfahrzeuge bei dem Straßenverkehrsamt B. zulassen konnten. Dabei wird der Zulassungsdienst in aller Regel damit beauftragt, sowohl die TÜV-Vorführung des eventuell nicht zugelassenen Fahrzeugs durchzuführen als auch die Zulassung zu veranlassen und eine Versicherung für das Fahrzeug zu besorgen. Diese Leistungen des Zulassungsdienstes werden überwiegend von Personen in Anspruch genommen, die Kraftfahrzeuge ins Ausland ausführen wollen.

Hier handelt es sich meistens um Personen anderer Nationalität mit mangelnden Sprachkenntnissen und fehlenden Vergleichsmöglichkeiten.

Die Angeschuldigten führten die Fahrzeuge nicht dem TÜV oder einer vergleichbaren Organisation vor, sondern fälschten entsprechende Bescheinigungen anhand von in ihren PC eingescannten Vorlagen. Dem Straßenverkehrsamt wurden nicht, wie eigentlich üblich, Originalprüfbescheinigungen vorgelegt. Dieses begnügte sich vielmehr mit Kopien, so dass die Vorlage der Fälschungen ermöglicht wurde.

Die Angeschuldigten stellten ihren Kunden für ihre Leistungen Beträge von jeweils bis zu 400,- € in Rechnung. Üblicherweise werden hierfür nicht mehr als 200,- € verlangt. Der Zulassungsdienst ist auf den Namen der Angeschuldigten R. angemeldet worden (zutreffend hat die Angeschuldigte R. unter der Anschrift der Betriebsstätte A.Straße 16 einen Kraftfahrzeugzulassungsdienst angemeldet und der Angeschuldigte R. unter derselben Anschrift einen Betrieb mit der Tätigkeit "Kurierdienst, Durchführung von Kraftfahrzeugzulassungen").

Wegen der den Angeschuldigten im Einzelnen zur Last gelegten Taten wird auf Bl. 3 der Anklageschrift vom 01.04.2003 bis Bl. 126 Bezug genommen.

Hinsichtlich der Fälle 1216 bis 1219 wird den Angeschuldigten zur Last gelegt, im Januar und Februar 2002 bei vier Gelegenheiten bei der Firma K.GmbH in A. Kurzzeitkennzeichen nebst Versicherungen bestellt zu haben, ohne die hierfür in Rechnung gestellten Beträge begleichen zu wollen, wobei die geschädigte Firma nur deshalb in Vorleistung trat, weil sie davon ausging, dass ihre Rechnungen beglichen werden würden.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Lieferungen:

Rechnung vom 29.01.2002 100 Kennzeichen 3.820,00 € Rechnung vom 04.02.2002 80 Kennzeichen 3.330,00 € Rechnung vom 07.02.2002 100 Kennzeichen 3.890,00 € Rechnung vom 13.02.2002 80 Kennzeichen 2.740,00 €.

Nach den weiteren Ausführungen der Anklageschrift haben sich die Angeschuldigten aufgrund ihrer Straftaten als ungeeignet zur weiteren Ausführung ihres Berufes erwiesen. Die sichergestellten Computer sowie die Schilderpresse unterliegen der Einziehung.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 17. Juli 2003 hat die 7. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. Nach Auffassung der Strafkammer erfüllt die Vorgehensweise der Angeschuldigten nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung i.S.v. § 267 StGB, weil die von ihnen dem Straßenverkehrsamt vorgelegten Fotokopien keine Urkunden im Rechtssinne darstellen. Auch in der Herstellung der Fotokopien in Form einer Collage liege kein Urkundsdelikt. Soweit die Anklageschrift den Angeschuldigten gewerbsmäßigen Betrug vorwerfe, fehle es an einer Täuschungshandlung gegenüber dem Straßenverkehrsamt und einer hierauf beruhenden Vermögensverfügung. Gegenüber den Kunden fehle es ebenfalls am hinreichenden Tatverdacht des Betruges, da sich der Anklage nicht entnehmen lasse, in welcher Weise die Angeschuldigten auf die Willensbildung ihrer Kunden eingewirkt und welche - irrige - Vorstellung sie in ihnen erweckt hätten oder erwecken wollten. Schließlich lasse die Anklageschrift offen, welchen Schaden die Kunden der Angeschuldigten erlitten hätten, da offensichtlich in allen Fällen die Überführung der Fahrzeuge reibungslos funktioniert habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen, die mit näheren Ausführungen unter dem 2. September 2003 und 30. Dezember 2003 begründet worden ist. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass sich die Angeschuldigten zumindest der mittelbaren Falschbeurkundung und der Schaffung von falschen amtlichen Ausweisen gemäß §§ 271, 276 StGB schuldig gemacht haben. Durch die internationalen Zulassungsscheine sei der Wahrheit zuwider aufgrund der Vorlage der falschen Fotokopien bescheinigt worden, dass die Voraussetzungen zum Erhalt der Zulassungsscheine, nämlich die Durchführung von Prüfungen der Verkehrssicherheit der betreffenden Kraftfahrzeuge, stattgefunden hätten. Auf Bewirken der vorsätzlich handelnden Angeschuldigten seien gewerbsmäßig Ausweise, die eine falsche Beurkundung enthielten, von ihnen erwirkt und in der Absicht, deren Gebrauch zur Täuschung im Rechtsverkehr zu ermöglichen, anderen verschafft worden. Ferner bestehe hinreichender Tatverdacht gegen die Angeschuldigten gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 1 GewO, da dem Angeschuldigten R. seit dem 15.07.1994 durch Entscheidung des Oberstadtdirektors der Stadt Essen unanfechtbar u.a. der Betrieb eines Kfz-Zulassungsdienstes untersagt worden sei. Gegen die Gewerbeuntersagung habe der Angeschuldigte R. beharrlich verstoßen. Die angeschuldigte Ehefrau habe zumindest Beihilfe zu den Verstößen nach der Gewerbeordnung geleistet.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel beigetreten.

II.

Die gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zum überwiegenden Teil begründet. Sie führt zur weitgehenden Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hinsichtlich der 1215 selbstständigen gemeinschaftlichen Handlungen der Angeschuldigten, die unter Ziffer 1. a) und b) der Anklageschrift ausgeführt sind und insoweit zur Eröffnung des Hauptverfahrens. Hinsichtlich der in der Anklageschrift weiter unter Ziffer 2) ausgeführten vier Betrugshandlungen bleibt es bei der in dem angefochtenen Beschluss entschiedenen Nichteröffnung des Hauptverfahrens.

1. Soweit die Anklageschrift gegen die Angeschuldigten den Vorwurf der Urkundenfälschung erhoben hat, hat die Strafkammer in den Gründen des angefochtenen Beschlusses zutreffend die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 267 StGB als nicht erfüllt angesehen. Die nach dem Vorwurf der Anklageschrift von den Angeschuldigten beim Straßenverkehrsamt vorgelegten Fotokopien von Identitätsbescheinigungen oder Bescheinigungen nach § 7 IntKfzVO und § 29 StVZO stellen keine Urkunden im Rechtssinne dar. Eine Urkunde ist die verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und die ihren Aussteller erkennen lässt (vgl. BGHSt 3, 85; 18, 66; Tröndle/Fischer, StGB-Kommentar, 51. Aufl., Rdnr. 2 zu § 267 m.z. w.N.). Eine Fotokopie stellt dagegen nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung keine Urkunde dar, wenn sie - wie hier - als Reproduktion erscheint und verwendet wird (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O. Rdnr. 12 b; Gribbohm in Leipziger Kommentar, 11. Aufl., Rdnr. 111 zu § 267 StGB; BGHSt 24, 140; BGH StV 94, 18; OLG Köln StV 97, 297). Insoweit fehlt es bereits an der Verkörperung einer Erklärung des Ausstellers des Originals; Fotokopien geben vielmehr wie einfache Abschriften wieder, was in einem anderen Schriftstück verkörpert wird (vgl. LK-Gribbohm a.a.O. Rdnr. 105 zu § 267 StGB).

Zutreffend ist die Strafkammer auch davon ausgegangen, dass die Herstellung der Collagen, die als Fotokopien eingereicht wurden, ebenfalls nicht den Tatbestand einer Urkundenfälschung erfüllt. Mit der Fotokopie bekundet der Aussteller/Hersteller derselben lediglich, dass es eine Urschrift eines entsprechenden Inhaltes gebe. Stimmt dies nicht, so hat er nicht gefälscht, sondern lediglich eine schriftliche Lüge erklärt (vgl. LK-Gribbohm a.a.O. Rdnr. 105 zu § 267 StGB). Solange die Fotokopie nur als solche und nicht als Original im Rechtsverkehr eingesetzt wird, beinhaltet sie keine eigene Erklärung, sondern eine solche des entsprechenden Originals. Die Herstellung unrichtiger Fotokopien ist deshalb nicht tatbestandlich i.S.d. § 267 StGB und zwar unabhängig davon, ob es ein Original gibt oder nicht.

2. Jedoch besteht vorliegend hinreichender Verdacht, dass sich die Angeschuldigten der mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB in 1215 Fällen gemeinschaftlich strafbar gemacht haben.

Soweit die Angeschuldigten mit der Vorlage der unrichtigen Fotokopien der auf dem PC gescannten Identitätsbescheinigungen bzw. Bescheinigungen nach § 7 IntKfzVO und § 29 StVZO beim Straßenverkehrsamt B. die Ausstellung von internationalen Zulassungsscheinen bewirkten, erscheinen die tatbestandlichen Merkmale des § 271 StGB verwirklicht, denn die internationalen Zulassungsscheine beurkunden der Wahrheit zuwider die behördliche Anerkennung der Eignung der jeweils betreffenden Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr, wenn auch nur zum Zwecke der Ausfuhr.

§ 271 StGB schützt den Rechtsverkehr vor echten und damit erhöht beweiskräftigen, aber inhaltlich unwahren öffentlichen Urkunden. Kfz-Scheine stellen nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum öffentliche Urkunden dar. Sie entsprechen der Legaldefinition des § 415 Abs. 1 ZPO, die nach allgemeiner Meinung auch für das Strafrecht heranzuziehen ist und haben grundsätzlich die erforderliche erhöhte Beweiswirkung (vgl. BGHSt 20, 186 ff.; 20, 294 ff., 22, 201 ff., 26, 9 ff.; KK-Gribbohm, a.a.O. Rdnr. 9 und 55 zu § 271 StGB; Tröndle/Fischer, a.a.O. Rdnr. 3 zu § 271 StGB). Für die Qualifizierung des internationalen Zulassungsscheins als öffentliche Urkunde gilt nichts anderes; auch dieser ist von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausgestellt.

Zwar genießt nicht jede Angabe der öffentlichen Urkunde erhöhte Beweiskraft und kann deshalb nicht jede Angabe Gegenstand einer Straftat nach § 271 StGB werden. Unter diesen Tatbestand fallen nur falsche Beurkundungen. Beurkundet in diesem Sinne sind nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d.h. die volle Beweiswirkung für und gegen Jedermann erstreckt (vgl. BGHSt 22, 201 ff.; 26, 9 ff.).

Bei der Beurteilung dieser Frage wird grundsätzlich ein strenger Maßstab angelegt. Welche Angaben dies im Einzelfall sind, ergibt sich vornehmlich aus den gesetzlichen Bestimmungen, die für Errichtung und Zweck der Urkunden maßgeblich sind. Dabei ist auch die Anschauung des Rechtsverkehrs zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 22, 201 ff.). Eine Beweiswirkung für und gegen Jedermann kann nur dann angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, dass dies unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht.

Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich des Kraftfahrzeugscheines - jeweils zu § 271 StGB - entschieden, dass sich dessen Beweiskraft weder auf die Fabrikationskennzeichen der Fahrzeuge (BGHSt 20, 186) noch auf die Angaben zur Person erstreckt (BGHSt 20, 294; 22, 201). Der Kraftfahrzeugschein hat indes, wie der BGH weiter entschieden hat, hinsichtlich der Eintragung des nächsten Hauptuntersuchungstermins in Verbindung mit der Aushändigung der Prüfplakette öffentlichen Glauben (BGHSt 26, 9 ff.).

Bei der Beurteilung, ob sich die erhöhte Beweiswirkung eines internationalen Zulassungsscheins auf die Verkehrssicherheit des entsprechenden Fahrzeugs erstreckt, sind zunächst die gesetzlichen Regelungen über den internationalen Zulassungsschein zu berücksichtigen. Nach Art. 3 des Internationalen Abkommens über den Kraftfahrzeugverkehr vom 24.04.1926 (RGBl 930 II, 1234 ff.) muss jedes Kraftfahrzeug, das zum internationalen Verkehr zugelassen werden soll, entweder nach Prüfung durch die zuständige Behörde oder einen von dieser damit betrauten Verein als für den Verkehr geeignet anerkannt sein oder mit einem auf die gleiche Weise genehmigten Typ übereinstimmen. Nach Art. 4 dieses Abkommens werden zum Nachweis dieser Anforderungen des Artikels 3 internationale Zulassungsscheine ausgestellt. Durch die Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntKfzVO) vom 12.11.1934 (RGBl I, S. 1137), zuletzt geändert am 07.08.2002 (BGBl. I, S. 2267) ist die Umsetzung dieses Abkommens in nationales Recht erfolgt. § 7 dieser Verordnung regelt die Voraussetzungen zum Erhalt des internationalen Zulassungsscheins. Für die Ausfuhr nicht zum Verkehr zugelassener Kraftfahrzeuge mit eigener Triebkraft regelt Absatz 2, dass das Fahrzeug mindestens verkehrssicher sein muss. Dies ist nach Absatz 2 Ziffer 1 der Verordnung grundsätzlich anzunehmen, wenn der nächste Termin zur Durchführung der Hauptuntersuchung und Sicherheitsprüfung nach dem Ablauf der Zulassung im Geltungsbereich dieser Verordnung liegt; ansonsten ist eine Untersuchung im Umfang einer Hauptuntersuchung oder Sicherheitsprüfung durchzuführen.

Mit der Ausstellung eines internationalen Zulassungsscheines wird die Angabe der Verkehrssicherheit zum öffentlichen Glauben belegt. Dies folgt zum einen aus den genannten gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere aus Artikel 4 i.V.m. Artikel 3 des Internationalen Abkommens über den Kraftfahrzeugverkehr vom 24.04.1926 i.V.m. § 7 IntKfzVO, die dem Zulassungsschein die besondere erhöhte Beweiswirkung ausdrücklich beilegen.

Diese erhöhte Beweiswirkung entspricht zudem der allgemeinen Auffassung im Rechtsverkehr, die dahin geht, dass ein - wenn auch nur zum Zwecke der Ausfuhr - international zugelassenes Kraftfahrzeug behördlich als mindestens verkehrssicher anerkannt ist. Im privatrechtlichen Verkehr spielt die so verstandene Beweiswirkung des internationalen Zulassungsscheins eine bedeutende Rolle, insbesondere als wertbildender Faktor beim Kauf oder Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge. Der internationale Zulassungsschein bescheinigt mithin mit Beweiswirkung für und gegen Jedermann, dass das Kraftfahrzeug, auf das er sich bezieht, behördlich als verkehrssicher anerkannt worden ist.

Der Umstand, dass die Angabe der Verkehrssicherheit nicht ausdrücklich in der Urkunde aufgeführt ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Zwar knüpft die erhöhte Beweiswirkung vornehmlich an die in der Urkunde selbst genannten Angaben an; zwingend erforderlich ist die Nennung der Angabe in der Urkunde selbst indes nicht. Wenn klar und eindeutig gesetzlich geregelt ist, zu welchem Nachweis - hier der Verkehrssicherheit - die Urkunde dient und nach der Verkehrsauffassung hiermit übereinstimmend unzweifelhaft feststeht, welcher Erklärungswert der Urkunde beikommt, nämlich dass das betreffende Fahrzeug von dem zuständigen Straßenverkehrsamt als für den öffentlichen Verkehr - wenn auch nur zum Zwecke der Ausfuhr - als geeignet und damit verkehrssicher anerkannt ist, steht das Fehlen der ausdrücklichen Angabe der Verkehrssicherheit im internationalen Zulassungsschein der festgestellten Beweiswirkung nicht entgegen. An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass der Bestand des gleichzeitig erforderlichen Versicherungsschutzes zum Erhalt des internationalen Zulassungsscheines nachgewiesen werden muss und dieser Umstand - im Gegensatz zur Verkehrssicherheit - ausdrücklich im internationalen Zulassungsschein aufgeführt wird. Ein Argument gegen die Erstreckung der erhöhten Beweiswirkung auf die Verkehrssicherheit ergibt sich hieraus deshalb nicht, weil die Zulassung gemäß § 7 Abs. 2 Ziffern 3 und 6 IntKfzVO auf die Dauer der nachgewiesenen Haftpflichtversicherung, längstens auf ein Jahr, zu befristen und der Ablauf der Gültigkeitsdauer daher aus weitergehenden sachlichen Gründen im internationalen Zulassungsschein zu vermerken ist.

Die von den Angeschuldigten jeweils vorgelegten falschen Nachweise dienten dazu - wie geschehen - die Anerkennung der Verkehrssicherheit der Fahrzeuge durch das Straßenverkehrsamt zu erreichen und so die Voraussetzungen für den Erhalt der internationalen Zulassungsscheine zu schaffen. Das Verhalten der beiden Angeschuldigten, die nach den bisherigen Ermittlungen einvernehmlich bei der Herstellung und Einreichung der gefälschten Bescheinigungen beim Straßenverkehrsamt vorgegangen sind, stellt sich nach alledem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als gemeinschaftliche mittelbare Falschbeurkundung gemäß § 271 StGB in 1215 Fällen dar.

3. Dabei besteht des Weiteren hinreichender Tatverdacht dafür, dass die Angeschuldigten unter den qualifizierenden Voraussetzungen des § 271 Abs. 3 StGB gegen Entgelt und in der Absicht handelten, sich zu bereichern. Die Beschaffung der internationalen Zulassungsscheine unter Einreichung der falschen Unterlagen stand nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis in einem synallagmatischen Verhältnis zur Zahlung des mit den Kunden vereinbarten Entgelts, welches danach bei beiden Angeschuldigten das wesentliche Tatmotiv darstellte. Auch ist das Handeln in Bereicherungsabsicht nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis hinreichend indiziert.

4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht jedoch kein hinreichender Tatverdacht dafür, dass die Angeschuldigten zudem den Tatbestand der §§ 276 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 StGB erfüllt haben. Nach dem Grundsatz des einheitlichen Deliktskomplexes ist vielmehr bei der Vortat nach § 271 und der Tat nach § 276 Abs. 1 StGB von einer einheitlichen Tat auszugehen, wenn von vornherein der nachfolgende Gebrauch beabsichtigt war (vgl. LK-Gribbohm, a.a.O., Rdnr. 19 ff. zu 276, Rdnr. 287 zu § 267 StGB). Die mit dem Bewirken der Ausstellung einer falschen öffentlichen Urkunde rechtlich vollendete Tat wird durch deren Gebrauch beendet. Der Anwendungsbereich des § 276 StGB erfasst die vorliegend nach § 271 StGB relevanten Taten nicht zusätzlich; auch nicht - wenn wie hier - die Täter nach § 271 StGB die Urkunden nicht selbst gebrauchen, sondern am fremden Gebrauch mitwirken.

Entsprechendes gilt für den qualifizierten Fall nach § 276 Abs. 2 StGB, der vom Strafrahmen dem des § 271 Abs. 2 StGB entspricht (vgl. LK-Gribbohm, a.a.O., Rdnr. 21 zu § 276 StGB).

5. Soweit die Strafkammer in dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen des den Angeschuldigten in der Anklageschrift tateinheitlich mit den Urkundsdelikten zur Last gelegten Fällen des gewerbsmäßigen Betruges gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Ziffer 1 1. Alternative StGB abgelehnt hat, ist dies von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht beanstandet worden. Zu Recht hat die Strafkammer für Betrugsstraftaten im Verhältnis zum Straßenverkehrsamt jedenfalls das Erfordernis einer Vermögensverfügung nicht für gegeben erachtet. Im Verhältnis zu den Kunden der Angeschuldigten fehlt es - wie die Strafkammer ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - nach den bisherigen Ermittlungen an hinreichender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen entsprechender Täuschungshandlungen; der Anklage lässt sich nicht entnehmen, ob und in welcher Weise die Angeschuldigten auf die Vorstellungen ihrer Kunden eingewirkt haben, zumal in vielen der ermittelten Fälle offenbar die Vermittlung über Mittelsmänner stattfand und kein direkter Kundenkontakt aufgenommen wurde. Inwieweit die Kunden über die Vorlage der entsprechenden Falsifikate informiert waren oder in dem Glauben gelassen wurden, das Geschäft werde ordnungsgemäß abgewickelt werden, ist nicht hinreichend ermittelt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Beschlusses wird insoweit Bezug genommen. Unabhängig hiervon besteht aber auch - wie die Strafkammer ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - kein Anhaltspunkt dafür, dass den Kunden ein Schaden entstanden ist, da die Überführungen der Fahrzeuge mit den bereitgestellten internationalen Zulassungsscheinen und Ausfuhrkennzeichen offenbar problemlos durchgeführt worden sind.

6. Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung sind den Angeschuldigten tateinheitlich keine weiteren Straftaten nach § 148 Nr. 1 GewO mit der nötigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit anzulasten.

Zutreffend ist zwar, dass dem Angeschuldigten R.R. durch seit dem 15.07.1994 unanfechtbare Entscheidung des Oberstadtdirektors der Stadt Essen u.a. die Ausübung eines Kfz-Zulassungsdienstes untersagt worden ist. Das von ihm am 01.06.2000 in B. auf der A.Straße angemeldete Gewerbe eines Kurierdienstes und Kfz-Zulassungsdienstes ist ihm durch das Gewerbeamt indes nicht erneut untersagt worden. Hieraus folgt zwar nicht, dass der Angeschuldigte R. zur Ausübung eines der von ihm betriebenen Gewerbe berechtigt ist, jedoch verlangt § 148 Nr. 1 GewO in den hier relevanten Alternativen zur Verwirklichung des Straftatbestandes die beharrliche Wiederholung einer in § 146 Abs. 1 bezeichneten Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO. Dies erfordert ein besonders hartnäckiges Verhalten, durch das die rechtsfeindliche Einstellung des Täters gegenüber den in Frage kommenden gesetzlichen Normen deutlich wird, obwohl er schon wegen der Folgen vorangegangener Zuwiderhandlungen Erfahrungen gesammelt haben müsste (vgl. BGH NStZ 1992, 184 ff.; Landmann/Rohmer/Kahl, Kommentar zur Gewerbeordnung, Rdnr. 3 ff. zu § 148). Am Vorliegen einer solchen Gesinnung auf Seiten des Angeschuldigten R. bestehen hier erhebliche Zweifel, zum einen in Anbetracht seit der erfolgten Gewerbeuntersagung bis zum Beginn des Tatzeitraumes verstrichenen Zeit von annähernd sieben Jahren, zum anderen aber auch aufgrund der erfolgten Gewerbeanmeldung durch den Angeschuldigten R. selbst, der dadurch dem Gewerbeamt gegenüber jedenfalls den Betrieb seines Gewerbes von sich aus offenbarte. Der Umstand, dass das Gewerbeamt, dem die Eintragung der Gewerbeuntersagung im Gewerberegister jedenfalls ohne weiteres zugänglich war, über geraume Zeit hinweg in keiner Weise gegen das von dem Angeschuldigten R. betriebene Gewerbe einschritt, sondern es praktisch über Jahre hinweg duldete, steht zur Überzeugung des Senates der Annahme einer rechtsfeindlichen Gesinnung mit der für eine Verurteilung nach § 148 GewO hinreichenden Wahrscheinlichkeit entgegen.

Soweit wegen des Betriebes des Gewerbes die Verwirklichung von Ordnungswidrigkeitentatbeständen auf Seiten des Angeschuldigten R. in Betracht kommt, treten diese jedenfalls gemäß § 21 OWiG zurück.

Bei der Angeschuldigten Michaela R. liegen hinreichende Anhaltspunkte für eine strafbare Beihilfehandlung bereits mangels hinreichenden Tatverdachts einer Haupttat nach § 148 Nr. 1 GewO durch ihren Ehemann nicht vor. Soweit von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung bei der Angeschuldigten R. wegen der Beschäftigung ihres Ehemannes entgegen dem Beschäftigungsverbot der Stadt Bochum vom 19.04.1999, rechtskräftig seit dem 01.09.1999, ein beharrlicher Verstoß gegen die Gewerbeordnung gesehen wird, ist der Anklage bereits nicht zu entnehmen, inwiefern die Angeschuldigte ihren Ehemann, der selbst das gleiche Gewerbe angemeldet hatte und betrieb, in ihrem Betrieb beschäftigt haben soll. Im Übrigen ist weder dargetan noch ersichtlich, inwieweit sich das offenbar nach dem Gaststättengesetz ausgesprochene Beschäftigungsverbot auf den völlig andersartigen Kfz-Zulassungsbetrieb erstreckt.

Soweit bei der Angeschuldigten M.R. der Vorwurf von Ordnungswidrigkeiten in Betracht kommt, gilt wiederum § 21 OWiG.

7. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Essen bleibt schließlich insoweit ohne Erfolg, als sie sich gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens wegen der unter Ziffer 2) der Anklageschrift aufgeführten vier Betrugstaten (Fälle 1216 - 1219) zum Nachteil der Firma K.GmbH wendet. Die Ausführungen in der Konkretisierung des Anklagesatzes tragen den für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichenden Tatverdacht des Betruges nicht. Aus welchen Umständen konkret der fehlende Zahlungswille beider Angeschuldigter zum Zeitpunkt der erteilten Bestellungen Ende Januar bis Mitte Februar 2002 mit der nötigen Wahrscheinlichkeit gefolgert werden kann, ist der Anklageschrift nicht ansatzweise zu entnehmen. Der bloße Umstand der Nichtzahlung nach Erhalt der Vorleistung ist hierfür kein ausreichendes Indiz. Die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der Täuschung durch die beiden Angeschuldigten bleibt mithin ungeklärt, so dass nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis der Vorwurf des Betruges nicht mit der für die Verurteilung nötigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit erhoben werden kann.

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft war das Hauptverfahren mithin im tenorierten Umfang zu eröffnen, im Übrigen blieb die Beschwerde gegen die Nichteröffnung durch die Strafkammer ohne Erfolg.

Da mit dieser Entscheidung das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, bedurfte es eines Ausspruchs über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens nicht.

Ende der Entscheidung

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