Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.02.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 56/08
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57
StGB § 64
StGB § 67 Abs. 4
StPO § 454 b
StPO § 463
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ws 56/08 3 Ws 57/08 3 Ws 58/08

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit darin die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen zur Bewährung abgelehnt worden ist.

Die weitergehende sofortige Beschwerde ist gegenstandslos.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold hat durch Beschluss vom 27.11.2007 die Aussetzung der Vollstreckung des nach dem 29.12.2007 noch nicht verbüßten Drittels der gegen den Verurteilten durch das Urteil des Amtsgericht Paderborn vom 03.09.2003 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und des nach dem 25.05.2007 noch nicht verbüßten Drittels der gegen den Verurteilten durch das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 20.10.2004 verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss vom 27.11.2007 wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 06.12.2007. Er begehrt die Reststrafenaussetzung in drei Verfahren und verweist auf die durch ein weiteres Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 26.10.2007 angeordnete Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Neben der Maßregelanordnung ist der Verurteilte durch das seit dem 03.11.2007 rechtskräftige Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Paderborn ist der Verurteilte am 28.12.2007 von der Justizvollzugsanstalt Detmold in den Vollzug der Maßregel in das Westfälische Therapiezentrum "C" N verlegt worden. Zugleich ist ausdrücklich angeordnet worden, dass die Reststrafen aus den Urteilen vom 03.09.2003 und vom 20.10.2004 ab dem 28.12.2007 nicht weiter zu vollstrecken sind.

Eine weitere Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Paderborn vom 06.12.1994 ist nach Widerruf ihrer Aussetzung vollständig verbüßt seit dem 14.12.2007.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO, § 57 Abs. 1 StGB statthaft und fristgerecht gemäß § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Ablehnung der Aussetzung der noch nicht verbüßten Restfreiheitsstrafen zur Bewährung. Denn diese Entscheidung darf erst dann ergehen, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Freiheitsstrafen gleichzeitig entschieden werden kann (Grundsatz der Entscheidungskonzentration).

Nach § 454 b Abs. 3 StPO ist bei mehreren nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen die Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB gleichzeitig für alle diese Freiheitsstrafen zu treffen. Vorweggenommene Einzelentscheidungen sieht das Gesetz nicht vor. Damit soll u.a. auch gewährleistet sein, dass die insbesondere für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Umstände bezüglich aller Strafen gleichmäßige Berücksichtigung finden können und insbesondere die bedingte Entlassung in einer Sache nicht schon an dem Umstand scheitern muss, dass wegen nachfolgender Vollstreckungen in anderer Sache eine Entlassung des Verurteilten in die Freiheit tatsächlich nicht erfolgen kann (OLG Hamm, NStZ-RR 1997, 124).

Um diese Verfahrensweise zu ermöglichen und sicherzustellen, schreibt § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO vor, dass die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in der Regel zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt zugunsten der Vollstreckung einer weiteren Freiheitsstrafen zu unterbrechen ist. Das gilt durch die Verweisung in § 463 Abs. 1 StPO und nach dem Sinn und Zweck des § 454 Abs. 2 StPO auch dann, wenn aus einem anderen Verfahren sowohl eine freiheitsentziehende Maßnahme der Besserung und Sicherung als auch eine Freiheitsstrafe zur Vollstreckung kommen (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 97, 124 m.w.N., Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 454 b, Rdnr. 2; Fischer in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 454 b, Rdnr. 16, 20), und zwar unabhängig davon, ob der Vollzug der Maßregel vor der Freiheitsstrafe vollzogen wird, oder die Freiheitsstrafe vorwegvollzogen wird. Da der Vollzug der Maßregel gemäß § 67 Abs. 4 StGB auf die in dem gleichen Verfahren erkannte Freiheitsstrafe angerechnet wird, bis zwei Drittel von dieser Strafe erledigt sind, hat der Maßregelvollzug unmittelbare Auswirkungen auf die Vollstreckungsdauer der Freiheitsstrafe und auf denjenigen Zeitpunkt, zu dem bei dieser eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB zu ergehen hat.

Da sich der Verurteilte seit dem 28.12.2007 im Vollzug der Maßregel befindet, kann über die Frage einer bedingten Entlassung erst dann entschieden werden, wenn

zwei Drittel der durch das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 26.10.2007 verhängten Freiheitsstrafe durch Anrechnung gemäß § 67 Abs. 4 StGB erledigt sind.

Über die Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung hat dann diejenige Strafvollstreckungskammer zu entscheiden, in deren Bezirk die Maßregeleinrichtung liegt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold damit noch nicht befasst im Sinne der §§ 462 a Abs. 1, 463 StPO.

Die weitergehende sofortige Beschwerde ist gegenstandslos geworden. Die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Paderborn vom 06.12.1994 war mit Ablauf des 14.12.2007 vollständig vollstreckt, so dass der Verurteilte sein Ziel, die Strafe nicht vollständig verbüßen zu müssen, nicht mehr erreichen kann. Sein Rechtsmittel ist damit prozessual überholt und gegenstandslos, weil die vollständige Verbüßung aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann. Die prozessuale Überholung ist auch erst nach der Einlegung des Rechtsmittels eingetreten, so dass keine Verwerfung der Beschwerde als unzulässig in Betracht kommt (Senat, Beschluss vom 28.11.2007, 3 Ws 665/07 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück