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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.11.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 643/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 302 | |
StPO § 311 | |
StPO § 464 Abs. 3 | |
StPO § 473 Abs. 1 |
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt, aufgehoben.
Die Sache wird an das Landgericht Essen zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten zurückgegeben.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Dorsten hat die Angeklagte am 17.04.2007 wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Auf die dagegen eingelegte Berufung der Angeklagten hat der Vorsitzende der IV. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen Termin zur Hauptverhandlung für den 11.09.2007 bestimmt.
Mit privatschriftlichem Schreiben vom 05.09.2007, zur Post aufgegeben am 06.09.2007, hat die Angeklagte die Rücknahme der Berufung erklärt. Noch vor Eingang dieses Schreibens beim Landgericht am 10.09.2007 hat der Verteidiger der Angeklagten mit dem am 06.09.2007 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz mitgeteilt, dass "die von der Angeklagten mit Brief von heute erklärte Rücknahme der Berufung keinen Bestand haben soll."
Im Termin zur Hauptverhandlung am 11.09.2007 ist die kleine Strafkammer des Landgerichts Essen von einer wirksamen Berufungsrücknahme ausgegangen und hat der Angeklagten durch Beschluss die Kosten der Berufung auferlegt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die zunächst als "Rechtsmittel" bezeichnete sofortige Beschwerde der Angeklagten.
II.
Die gemäß §§ 464 Abs. 3, 311 StPO statthafte, fristgerecht eingelegte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Eine wirksame Zurücknahme der Berufung durch die Angeklagte, die eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 1 StPO rechtfertigt, liegt nicht vor. Denn noch vor Eingang der Berufungsrücknahme ist der Widerruf dieser Erklärung beim Landgericht eingegangen. Das führt zur Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung.
Eine Erklärung über die Rücknahme eines Rechtsmittels im Sinne von § 302 StPO ist nach einhelliger Auffassung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. Eine noch nicht bei Gericht eingegangene und damit noch nicht wirksame Rücknahmeerklärung kann aber bis zu deren Eingang widerrufen werden (Ruß in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage, § 302, Rdnr. 16 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 302, Rdnr. 9, 21 m.w.N.). Offensichtlich hat die Angeklagte ihre Entschließung nach Absendung der Erklärung über die Rücknahme der Berufung geändert und ihren Verteidiger beauftragt, den Widerruf der Berufungsrücknahme zu erklären. Diese Widerrufserklärung ist dann noch vor der Rücknahmeerklärung selbst bei Gericht eingegangen ist. Der zeitliche Ablauf erschließt sich dabei durch eine Bezugnahme des Verteidigers auf die privatschriftliche Erklärung der Angeklagten. Die Widerrufserklärung hat die Rücknahmeerklärung damit überholt und unbeachtlich gemacht (vgl. BGH, NJW 1960, 2202, 2203; BGH, GA 1973, 46).
Mangels wirksamer Rücknahme der Berufung ist das Verfahren nicht beendet und deshalb an das Landgericht Essen zurückzugeben.
Da vorliegend die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung in Frage stand, hätte es sich empfohlen, eine feststellende Klärung durch eine förmliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung zu treffen, die ihrerseits mit der sofortigen Beschwerde angefochten kann (BGH, Beschluss vom 30.11.2005, 2 StR 522/05; BGH, NStZ 2001, 104 m.w.N.; Ruß in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 302, Rdnr. 14a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 3 und 4 StPO.
Ende der Entscheidung
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