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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.02.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 65/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 455
StPO § 458
StPO § 461
StGB § 79 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Bezirksgericht Chemnitz hat den Beschwerdeführer am 28.10.1992 wegen Betruges und Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 18.05.1993.

Nach Gewährung von Strafaufschub und darauf folgender Teilverbüßung der Strafe hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz die weitere Vollstreckung wegen einer malignen Lymphomerkrankung gemäß § 455 Abs. 4 StPO im August 1994 unterbrochen.

Nach Widerruf der Unterbrechung hat die Staatsanwaltschaft am 19.07.2000 Vollstreckungshaftbefehl erlassen, der am 14.02.2007 zur Festnahme geführt hat. Seit dem verbüßt der Verurteilte den Strafrest von 1.306 Tagen.

Der Verurteilte begehrt die Anrechnung von Krankenhausaufenthalten in der Zeit vom 03.08.1994 bis 21.03.2000 sowie einer Nachbehandlungszeit bis zum 14.02.2006 in die Haftzeit. Die Strafvollstreckungskammer hat die diesbezüglichen Anträge des Verurteilten vom 14.08.2007 und vom 12.11.2007 durch Beschluss vom 18.12.2007 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Krankenhausaufenthalte seien nicht anzurechnen, weil die Vollstreckung der Strafe für diese Dauer unterbrochen gewesen sei. Vollstreckungsverjährung sei auch nicht eingetreten.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten, mit der er sein ursprüngliches Begehren weiter verfolgt und ergänzend zu den für die Vollstreckungsverjährung maßgeblichen Umständen vorträgt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 462 Abs. 3 StPO i.V.m. §§ 458, 461 StPO statthafte, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Die von dem Verurteilten (behaupteten) Krankenhausaufenthalte sind nicht in die Strafzeit einzurechnen.

Nach § 461 StPO wird die Dauer des Aufenthalts in einem Krankenhaus dann in die Strafzeit eingerechnet, wenn der Verurteilte nach Beginn der Strafvollstreckung "in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden" ist. Das betrifft aber nur solche Fälle, in denen ein Verurteilter gemäß § 65 Abs. 2 StVollzG in ein außerhalb des Vollzuges befindliches Krankenhaus verlegt worden ist. Davon zu unterscheiden ist der Aufenthalt in einem Krankenhaus nach vorausgegangener Unterbrechung der Strafvollstreckung wegen schwerer Erkrankung gemäß § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO. Denn in einem solchen Fall begibt sich der Verurteilte eigenständig und ohne Mitwirkung der Vollstreckungsbehörde in die stationäre Krankenhausbehandlung. Zugleich gibt die Vollstreckungsbehörde die Verfügungsgewalt über den Verurteilten vollständig auf. Dagegen setzt § 461 StPO voraus, dass der Verurteilte unabhängig von seinem Willen und in Ausübung öffentlicher Gewalt in das Krankenhaus "gebracht" wird, und die tatsächliche Verfügungsgewalt der Vollstreckungsbehörde über den Verurteilten fortbesteht. Dabei bleibt der Verurteilte im Rechtssinne Strafgefangener und die Vollzugsbehörde für ihn verantwortlich (vgl. OLG Celle, MDR 1968, 782; OLG Hamburg, NStZ 1999, 589; OLG Stuttgart, NStZ 1989, 522; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 461, Rdnr. 1, 3). Die Differenzierung zwischen der Verfügung über den Verurteilten während der Unterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 StPO einerseits und begleitender informationeller Vorbereitung einer nach Wiedereintritt der Vollzugstauglichkeit zu treffenden Entscheidung über die Fortsetzung der Vollstreckung andererseits hat in § 46 Abs. 5 StVollStrO Ausdruck gefunden (vgl. OLG Hamburg, a.a.O.). Danach muß die Vollstreckungsbehörde alle Maßnahmen vermeiden, die im Widerspruch zu der angeordneten Unterbrechung darauf hinauslaufen, dass die Verfügung über die verurteilte Person aufrecht erhalten wird.

Nach diesen Maßstäben hat die Vollstreckungsbehörde seit Beginn der Unterbrechung am 04.08.1994 bis zur Festnahme am 14.02.2007 keine Verfügungsgewalt über den Verurteilten während etwaiger Krankenhausaufenthalte behalten. Es ist weder aktenkundig noch von dem Verurteilten nachgewiesen, in welcher Zeit und in welchem Krankenhaus der Verurteilte nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt stationär behandelt worden ist, bzw. in welcher Zeit sich der Verurteilte außerhalb von Krankenhäusern auf freiem Fuß befand. Die Vollstreckungsbehörde hatte damit keinerlei Verfügungsgewalt über den Verurteilten während etwaiger Krankenhausaufenthalte, was nicht zuletzt darin zum Ausdruck kommt, dass der Vollstreckungshaftbefehl vom 19.07.2000 erst am 14.02.2007 zur Festnahme führte. Die bis in das Jahr 1998 von der Vollstreckungsbehörde regelmäßig eingeholten ärztlichen Berichte begründeten keine Verfügungsgewalt im vorbeschriebenen Sinne. Sie dienten nur der Unterrichtung darüber, ob die Voraussetzungen für den Fortbestand der nach § 455 Abs. 4 StPO gewährten Unterbrechung andauerten.

2.

Entgegen der Auffassung des Verurteilten ist die weitere Vollstreckung der seit dem 18.05.1993 rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe zulässig, insbesondere nicht verjährt. Die Verjährungsfrist von 10 Jahren (§ 79 Abs. 3 Nr. 3 StGB) war aufgrund zwischenzeitlichen Ruhens der Verjährung noch nicht abgelaufen, als der Verurteilte am 14.02.2007 zum Vollzug der Restfreiheitsstrafe in Haft genommen wurde.

Zunächst ist dem Verurteilten mit Verfügung vom 28.07.1993 auf seinen Antrag Strafaufschub gemäß § 455 Abs. 3 StPO bis zum 01.11.1993 gewährt worden. In dieser Zeit ruhte die Verjährung gemäß § 79 a Nr. 2 lit. a StGB für 97 Tage.

Ebenfalls nach § 79 a Nr. 2 lit. a StGB ruhte die Verjährung während der seitens der Staatsanwaltschaft Chemnitz mit Verfügungen vom 29.07.1994 (für zunächst 6 Wochen), vom 13.09.1994 (für weitere 7 Monate) und dann ab 15.04.1995 für weitere zwei Jahre angeordneten Unterbrechung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 455 Abs. 4 Satz 1 StPO. Der Ruhenszeitraum vom 04.08.1994 bis zum 14.04.1997 beträgt 985 Tage.

Nach der Stellung des Gnadengesuchs im Februar 1998 wurde die Vollstreckung aufgrund Verfügungen der Staatsanwaltschaft Chemnitz vom 02.03.1998 (bis 01.04.1998), vom 17.03.1998 (bis 01.10.1998) und vom 11.11.1998 (bis 01.10.1999) unterbrochen. In dieser Zeit ruhte die Verjährung gemäß § 79 a Nr. 2 lit. a StGB für insgesamt 539 Tage.

Während der Teilverbüßung vom 17.01.2004 bis zum 03.08.2004 ruhte die Vollstreckungsverjährung gemäß § 79 a Nr. 3 StGB für weitere 199 Tage.

Nach dieser Vorschrift ruht die Verjährung, solange der Verurteilte im In- oder Ausland auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Zu den in diesem Sinne Verwahrten gehören Strafgefangene; das erschließt sich aus § 120 StGB. Die Vollstreckungsverjährung ruht dabei nicht nur bei Verwahrung in anderer Sache, sondern auch bei Vollstreckung von Freiheitsstrafe in derselben Sache (vgl. OLG Hamm, NStZ 1984, 237; OLG Stuttgart, NStZ 2004, 404; OLG Köln, Beschluss vom 13.08.2004, 2 Ws 386/04; KG Berlin, JR 1987, 31; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke-Schröder, StGB, 27. Auflage, § 79 a, Rdnr 7; Fischer, StGB, 55 Auflage, § 79 a Rdnr. 5; Kühl, 26. Auflage, § 79 a Rdnr. 2; a.A. Jähnke LK, StGB, 11. Auflage, § 79 a Rdnr. 7; van Laak, StV 2005, 296).

Der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung ist allgemein gehalten und spricht dafür, dass uneingeschränkt mit jeder behördlich angeordneten Freiheitsentziehung das Ruhen der Vollstreckungsverjährung eintreten soll. Hätte der Gesetzgeber nur den Vollzug einer Anstaltsverwahrung in anderer Sache für maßgebend halten wollen, hätte dies entsprechend anders geregelt werden können (OLG Hamm a.a.O.). Vor allem aber entspricht es dem Grundgedanken der Verjährung, dass es an einem Anknüpfungspunkt für den Weiterlauf der Verjährung fehlt, wenn die Vollstreckung betrieben wird. Ein solcher ist nach dem Zusammenhang der Ruhenstatbestände des § 79 a StGB nur gegeben, wenn die Vollstreckungsbehörde die an sich durchführbare Vollstreckung unterlässt. Wenn schon Maßnahmen nach § 79 a Nr. 2 a und b StGB das Ruhen der Vollstreckungsverjährung in derselben Sache bewirken, muss das für den Vollzug erst recht gelten (vgl. OLG Hamm a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Allein dieses Ergebnis wird auch dem bei der Verfolgungsverjährung geltenden Grundsatz gerecht, nach dem die Verjährung während eines schwebenden Verfahrens möglichst nicht eintritt (§ 78 b Abs. 3 StGB). Es ist nicht einsehbar, dass für die Vollstreckung eines bereits rechtskräftigen Urteils etwas anderes gelten soll (vgl. OLG Köln a.a.O.).

Das Ruhen der Vollstreckungsverjährung in den oben beschriebenen Zeiträumen beläuft sich auf insgesamt etwa fünf Jahre, so dass die seit dem 18.05.1993 laufende Vollstreckungsverjährung bei Beginn der seit dem 14.02.2007 andauernden Vollstreckung jedenfalls noch nicht abgelaufen war.

Aus den bereits dargelegten Gründen ruht die Vollstreckungsverjährung mit dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Verurteilten in den Strafvollzug gemäß § 79 a Nr. 3 StGB. Der weiteren Strafvollstreckung stehen mithin keine Hindernisse entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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