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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.01.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 655/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f Abs. 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 2 Nr. 2
StGB § 56 f Abs. 2 Ziff. 2
StGB § 57 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Ws 654/04 3 Ws 655/04

Tenor:

Der Beschluss der 5. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 21.10.2004 wird aufgehoben.

Die Bewährungszeit aus dem Beschluss des Landgerichts Essen vom 13.10.2000 - 1 StVK K 634, 635/00 - wird um zwei Jahre auf sechs Jahre bis zum 26.10.2006 verlängert.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die 5. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen die der Verurteilten durch Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 13.10.2000 - 1 StVK K 634, 635/00 - rechtskräftig seit dem 26.10.2000 - gewährte Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der Reststrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Biberach an der Riß vom 25.06.1996 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 22.04.1997 sowie aus dem Urteil des Amtsgerichts Biberach an der Riß vom 17.03.1998 widerrufen. Gegen den ihr am 26.10.2004 zugestellten Widerrufsbeschluss hat die Verurteilte mit am 28.10.2004 bei dem Landgericht in Essen eingegangenen Schriftsatz ihres Verteidigers sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Verurteilten hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Verlängerung der Bewährungszeit gemäß § 56 f Abs. 2 Ziffer 2 StGB in Verbindung mit § 57 Abs. 3 StGB. Die Verlängerung der Bewährungszeit genügt hier nämlich angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung der Verurteilten, um den Aussetzungszweck, dass die Verurteilte künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, zu erreichen.

Allerdings wäre hier an sich der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 57 Abs. 3 StGB gerechtfertigt gewesen. Insoweit hat die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht in Essen zunächst in dem angefochtenen Beschluss zutreffend auf die Vielzahl der einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin sowie darauf verwiesen, dass diese auch während der laufenden Bewährungszeit in den vorliegenden Verfahren mehrfach straffällig geworden ist und zwar zunächst im August 2001 zum Nachteil der D in X und am 24.01.2003 mit einem Ladendiebstahl. Hinsichtlich der beiden Taten zum Nachteil der D ist die Verurteilte mittlerweile auch durch Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.12.2004 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen unter Einbeziehung der im Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 23.09.2003 wegen des Ladendiebstahls vom 24.01.2003 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden, wobei infolge der Beschränkung der hiergegen eingelegten Berufung der Verurteilten auf den Rechtsfolgenausspruch der Schuldspruch auch hinsichtlich des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen rechtskräftig geworden ist. Die Unschuldsvermutung stünde damit einer Berücksichtigung dieser neuen Straftaten zum Nachteil der Verurteilten im Beschwerdeverfahren nicht entgegen. Hinsichtlich des Ladendiebstahls vom 24.01.2003 kommt ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerdeführerin insoweit rechtskräftig durch das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 23.09.2003 zu einer - nunmehr einbezogenen - Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden ist. Vor allem die erneute massive Rückfälligkeit mit den beiden Taten zum Nachteil der D aus August 2001 hätte hier ausgereicht, um den Widerruf der Strafaussetzung zu begründen.

Von dem damit an sich gebotenen Widerruf der Reststrafaussetzungen konnte hier nur deshalb gemäß § 56 f Abs. 2 Nr. 2 StGB abgesehen werden, weil die genannten Straftaten zum Nachteil der D heute mehr als drei Jahre zurückliegen. In diesen drei Jahren hat die Verurteilte den der D entstandenen Schaden von immerhin 9.448,41 Euro nach den Feststellungen in dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.12.2004 in vollem Umfang wieder gutgemacht. Die Verurteilte hat sich in diesen drei Jahren bis auf den Diebstahl eines Sekundenklebers im Wert von 3,00 Euro am 24.01.2003 nichts zu Schulden kommen lassen. Sie verfügt seit dem 01.09.2001 über eine feste Arbeitsstelle. Sie lebt mit ihrem Ehemann zusammen, der ebenfalls über eine Arbeitsstelle verfügt, auch die Zusammenarbeit mit der Bewährungshelferin gestaltet sich positiv. Hinzu kommt, dass sie entsprechend der Weisung aus dem Beschluss der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 13.10.2000 mittlerweile erfolgreich eine ambulante Psychotherapie bei der Psychotherapeutin H L-T in X mit bislang 20 Therapiestunden absolviert hat. Die neuerlichen Betrugstaten im August 2001 lagen in der Anfangsphase der Therapie, in dem Monat nach Therapiebeginn. Nach Beendigung der Therapie ist es dagegen bis auf den genannten Ladendiebstahl zu keinen Auffälligkeiten mehr gekommen. Es ist daher entsprechend einer vorliegenden Bestätigung der Therapeutin davon auszugehen, dass die Therapie bei der Verurteilten im Wesentlichen erfolgreich war. Von einem vollen Therapieerfolg kann hier noch nicht ausgegangen werden, denn anderenfalls wäre es nicht zu dem Ladendiebstahl vom 24.01.2003 gekommen. Auch wenn es sich hier nur um eine geringwertige Sache im Wert von 3,00 Euro gehandelt hat, lässt diese Tat erkennen, dass die Verurteilte ihre frühere innere Einstellung, die sie immer wieder zu Straftaten gebracht hat, zwar weitgehend, aber noch nicht vollständig überwunden hat. Gleichwohl erschien es dem Senat angesichts der für eine günstige Sozialprognose sprechenden Umstände aber nicht angemessen, allein im Hinblick auf den Ladendiebstahl vom 24.01.2003, den Widerruf der Strafrestaussetzungen anzuordnen. Die Verurteilte muss sich aber darüber im Klaren sein, dass sie auch dann mit einem Widerruf der Strafaussetzung wird rechnen müssen, wenn sie künftig nur "geringfügige" Straftaten begehrt.

Der Umstand, dass der Verurteilten durch das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.12.2004 keine erneute Bewährungschance eingeräumt worden ist, hindert den Senat nicht daran, wie geschehen zu entscheiden. Zunächst kann nicht übersehen werden, dass die Nichtgewährung der Strafaussetzung zur Bewährung in dem Urteil vom 16.12.2004 im Widerspruch steht zu dem Urteil desselben Gerichts vom 23.09.2003, mit dem der Verurteilten bei gegenüber heute unveränderten Lebensumständen eine günstige Sozialprognose gestellt worden war. Darüber hinaus hat das Amtsgericht Wuppertal in seinem Urteil vom 16.12.2004 auch den Zeitablauf seit den Taten von August 2001 jedenfalls nicht ausdrücklich berücksichtigt. Gerade diesem Zeitablauf kommt aber nach der Bewertung durch den Senat hier maßgebliches Gewicht zu.

Hinzu kommt, dass das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.12.2004 im Rechtsfolgenausspruch noch nicht rechtskräftig ist. Der Senat hat insoweit erwogen, die Rechtskraft jener Entscheidung abzuwarten, hat dies letztlich jedoch verworfen. Nach den Erfahrungen des Senats ist nämlich vor Jahresfrist nicht mit einem Berufungsurteil und bei Einlegung der Revision durch die Verurteilte vor Ablauf von mindestens 1 1/2 Jahren nicht mit dem rechtskräftigen Abschluss des betreffenden Strafverfahrens zu rechnen. Dann würden die Taten zum Nachteil der D aber mehr als vier Jahre zurückliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3, 4 StPO analog.

Ende der Entscheidung

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