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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.01.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 708/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 67 d Abs. 5 | |
StPO § 140 |
3 Ws 707/07 3 Ws 708/07 3 Ws 709/07
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 28.11.2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Dortmund hat den Verurteilten am 07.11.2005 wegen Erschleichens von Leistungen in 5 Fällen, wegen Unterschlagung und wegen Diebstahls in 22 Fällen, teils geringwertiger Sachen, teils gewerbsmäßig handelnd, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, jeweils im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt und zugleich die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet.
Der Verurteilte befindet sich seit dem 16.12.2005 im Vollzug der Maßregel. Nach einer medizinischen Entgiftung in der I-Klinik in I und des sich daran anschließenden Aufenthalts in der Fachklinik "J" in I2 befindet sich der Verurteilte seit dem 17.10.2006 in der Westfälischen Klinik T.
Im Vorfeld der zum 05.12.2007 anstehenden Überprüfung gem. § 67 e StGB hat der Verurteilte am 17.10.2007 beantragt, ihm Rechtsanwältin E2 als Pflichtverteidigerin beizuordnen. Diesen Antrag hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld durch Beschluss vom 20.11.2007 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Verurteilten vom 27.11.2007, der die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld durch Beschluss vom 28.11.2007 nicht abgeholfen hat.
Durch Beschluss vom 28.11.2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die durch das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 07.11.2005 angeordnete Unterbringung in eine Entziehungsanstalt für erledigt erklärt und die Aussetzung der Vollstreckung des nicht als verbüßt geltenden Restes der Freiheitsstrafe aus der Verurteilung vom 07.11.2005 abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten vom 04.12.2007, mit der er sich sowohl gegen die Erledigterklärung der Maßregel als auch gegen die Versagung der Reststrafenaussetzung zur Bewährung wendet.
II.
Die gem. § 304 Abs. 1 StPO statthafte, nicht fristgebundene und auch sonst zulässig eingelegte Beschwerde des Verurteilten vom 27.11.2007 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 20.11.2007 bleibt aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses sowie der Nichtabhilfeentscheidung vom 28.11.2007 ohne Erfolg.
Im Vollstreckungsverfahren ist einem Verurteilten in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, dies gebietet (vgl. Meyer-Goßner, 50. Aufl., § 140 StPO Rdnr. 33 m. w. N.). Die Rechtslage ist schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt oder wenn die Subsumtionsvoraussetzungen aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird, etwa bei schwierigen Abgrenzungsfragen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Vollstreckungsverfahren in weitaus geringerem Maße als im Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis nach Mitwirkung eines Verteidigers auf Seiten des Verurteilten besteht, so dass die 3 abschließend genannten Merkmale des § 140 Abs. 2 S. 1 StPO einschränkend zu beurteilen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 28.09.2007, 3 Ws 568-570/07 unter Hinweis auf KG Berlin, Beschluss vom 10.06.2006 - 5 Ws 61/06 m. w. N.).
Der bisherige Vollzug der Maßregel über einen Zeitraum von annähernd 2 Jahren sowie die mehrfach gem. §§ 67 d, 67 e StGB durchgeführten Überprüfungen haben keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Verurteilte nicht dazu fähig ist, seine Rechte wahrzunehmen; die bei dem Verurteilten vorliegende HIV-Erkrankung führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers war auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt geboten, in dem die Strafvollstreckungskammer beabsichtigte, die angeordnete Maßregel gem. § 67 d Abs. 5 StGB für erledigt zu erklären. Bei jeder Überprüfung gem. §§ 67 d, 67 e StGB stellt sich die Frage, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt für erledigt erklärt wird, insbesondere bei einer - wie vorliegend - bereits länger andauernden Maßregelvollstreckung. Die von der Strafvollstreckungskammer im Anhörungstermin am 26.11.2007 dazu eingeholte mündliche Stellungnahme der - vormaligen - behandelnden Ärztin begründet ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten, die das Verständnis des Verurteilten und seine Fähigkeit übersteigen, sich damit angemessen auseinander zusetzen. Zudem bestand für den Verurteilten im Rahmen der mündlichen Anhörung die Gelegenheit, die von ihm erstrebte Beendigung des Maßregelvollzuges mit der ihm - vormals - behandelnden Ärztin zu erörtern.
Die Begründung der Beschwerde zeigt ebenfalls keine erheblichen Schwierigkeiten auf.
III.
Die gem. §§ 463 Abs. 5, 462 Abs. 3 S. 1 StPO i. V. m. § 67 d Abs. 5 StGB statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 04.12.2007 ist zulässig und hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.
Nach § 67 d Abs. 5 StGB in der durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in eine Entziehungsanstalt vom 16.07.2007 (BGBl I S. 1327) geänderten Fassung ist die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, wenn die Voraussetzungen des § 64 S. 2 StGB nicht mehr vorliegen, d. h. wenn keine hinreichend konkrete Aussicht mehr besteht, den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. Um das festzustellen, ist eine Prognose auf zuverlässiger Erkenntnisgrundlage erforderlich, dass der Zweck der Maßregel aller Voraussicht nach nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 16.08.2007 - 3 Ws 533/07 - unter Hinweis auf BVerfGE 91, 1, 35; KG Berlin, Beschluss vom 26.07.2006 - 5 Ws 302/06), absoluter Sicherheit, dass der oben genannte Zweck der Maßregel nicht mehr erreicht werden kann, bedarf es - da es sich um eine Prognoseentscheidung handelt - hingegen nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 16.08.2007 a.a.O.). Bei der Prognoseentscheidung muss der Gesamtverlauf der bisherigen Maßregelvollstreckung berücksichtigt werden; eine (mögliche) Krise der Unterbringung in eine Entziehungsanstalt vermag die Beendigung dieser Maßregel nicht ohne weiteres zu rechtfertigen. Eine bei einem Verurteilten vorliegende Therapieunwilligkeit oder Therapieunfähigkeit kann die Prognose der Aussichtslosigkeit der weiteren Maßregelvollstreckung begründen. Dabei reicht eine bloße Feststellung der Therapieunwilligkeit oder Therapieunfähigkeit für sich genommen regelmäßig noch nicht aus. Es muss vielmehr auch überprüft werden, ob eine - vorübergehende - mangelnde Therapiemotivation wieder geweckt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 16.08.2007, a.a.O. m. w. N.).
Auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse kann die Prognose der Aussichtslosigkeit nach den vorgenannten Maßstäben nicht gestellt werden. Aufgrund der bisherigen Stellungnahmen der Fachklinik "J" sowie der Westfälischen Klinik T ist davon auszugehen, dass - ungeachtet des teilweise nicht unproblematischen Behandlungsverlaufs - die Therapiemotivation des Verurteilten uneingeschränkt vorhanden war. Die im Anhörungstermin am 26.11.2007 abgegebene und in Widerspruch zu der Stellungnahme der Maßregelvollzugsklinik vom 11.09.2007 stehende Erklärung der vormals behandelnden Ärztin Q, dass die Fortsetzung der Unterbringung in Anbetracht der durch den Verurteilten im Anhörungstermin selbst getätigten Äußerungen "wohl keine Erfolgsaussicht mehr habe" ist allein nicht ausreichend, um das Vorliegen der Voraussetzung des § 67 d Abs. 5 StGB als gegeben zu erachten. Der zwischenzeitliche Alkoholrückfall des Verurteilten begründet allein nicht seine Therapieunwilligkeit. Vielmehr hat der Verurteilte bis zu seiner Rückverlegung auf eine geschlossene Station die Therapieangebote umfassend genutzt. Insoweit rechtfertigt die seitens des Verurteilten erstrebte Beendigung der Maßregel als Folge der Rückverlegung auf eine geschlossene Station der Maßregelvollzugsklinik allein nicht die Annahme von Therapieunwilligkeit, solange nicht überprüft worden ist, ob die (derzeit) mangelnde Therapiemotivation wieder geweckt werden kann.
Da eine Therapieunfähigkeit nicht ersichtlich ist, bedarf es in Bezug auf die bestehenden Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten, gegebenenfalls mit anderen Therapeuten oder gar in einer anderen Einrichtung (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 299; OLG Nürnberg StraFo 2003, 431; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2003, 157, 158), der weiteren Aufklärung, zu deren Durchführung die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuverweisen war.
Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des nicht als verbüßt geltenden Restes der Freiheitsstrafe sowie die von dem Verurteilten begehrte Aussetzung der weiteren Maßregelvollstreckung zur Bewährung bleiben der Strafvollstreckungskammer vorbehalten, da diese Entscheidungen mit der nach § 67 d Abs. 5 StGB zu treffenden Prognoseentscheidung derart verknüpft, dass eine isolierte Entscheidung darüber nicht möglich ist.
IV.
Da der Erfolg der sofortigen Beschwerde nur ein vorläufiger ist, war die Entscheidung über die Kosten der sofortigen Beschwerde der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vorzubehalten. Die Kostenentscheidung betreffend die Beschwerde vom 28.11.2007 beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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