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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.03.2004
Aktenzeichen: 3 Ws 82/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 40
Die Anordnung einer öffentlichen Zustellung nach § 40 Abs. 2 StPO kommt nur als ultima ratio in Betracht. Das Gericht muss zuvor mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln versuchen, den Aufenthaltsort des Verurteilten zu ermitteln.
Beschluss

Strafsache

gegen A.R.

wegen uneidlicher Falschaussage, (hier: sofortige Beschwerde gegen die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnenden Entscheidung des Landgerichts Bielefeld).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergangene Entscheidung der II. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 8. Januar 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 03. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gegenstandslos.

2. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die II. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Bielefeld hat gegen den Verurteilten am 14. März 2000 wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten verhängt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Das Amtsgerichts Bielefeld hat durch Beschluss vom 21. März 2001 die bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstoßes widerrufen, ohne den Verurteilten, dessen Aufenthalt dem Amtsgericht unbekannt war, hierzu angehört zu haben. Außerdem wurde die öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses angeordnet. Der Widerrufsbeschluss ist in der Zeit vom 23.3.2001 bis zum 11.4.2001 an der Gerichtstafel des Amtsgerichts Bielefeld ausgehängt worden.

Mit Schreiben vom 5.12.2003, eingegangen beim Landgericht Bielefeld an demselben Tage, hat der Verurteilte sofortige Beschwerde gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Die II. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld hat durch Beschluss vom 8. Januar 2004 die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 21.3.2001 als unzulässig zurückgewiesen und den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig verworfen.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.

II.

Die gemäß §§ 46 Abs. 3, 311 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie hat jedenfalls vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Strafkammer.

Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Wiedereinsetzungsgesuches ist gegenstandslos, weil der Verurteilte keine Frist versäumt hat; denn die öffentliche Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses war nicht wirksam. Die Anordnung einer öffentlichen Zustellung nach § 40 Abs. 2 StPO kommt nämlich nur als ultima ratio in Betracht. Das Gericht muss zuvor mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln versuchen, den Aufenthaltsort des Verurteilten zu ermitteln (zu vgl. OLG Düsseldorf, VRS 87, 349, 351 m.w.N.). Die Anordnung der öffentlichen Zustellung eines eine Strafaussetzung zur Bewährung (wegen Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen) widerrufenden Beschlusses ist nicht bereits deshalb zulässig, weil die Gerichtshelferin am 19.12.2000 mitgeteilt hat, der Verurteilte sei nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes nach unbekannt abgemeldet und daher unter der Anschrift Eweg 12, XXXXXX H. nicht mehr erreichbar. Auch die fernmündliche Anfrage des Amtsgerichts Bielefeld am 13.3.2001 beim Einwohnermeldeamt reicht nicht aus.

Es hätte vielmehr nahegelegen, zunächst eine Zustellung unter der angegebenen Adresse zu versuchen, da nach fernmündlicher Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Beschwerdeführer noch wenige Tage vor der Entscheidung beim Einwohnermeldeamt vorgesprochen hatte und sich daher offensichtlich noch im Orte aufhielt. Auch hätte sich - entsprechend der o. g. Entscheidung des OLG Düsseldorf - empfohlen, Auskunft bei dem zuständigen Sozialamt einzuholen, weil der Verurteilte nach Aktenlage Sozialhilfe erhalten hat (vgl. Bl. 3 Bew.H. a.a.O.). Ebenso wäre eine Anfrage beim zuständigen Arbeitsamt nicht von vornherein aussichtslos gewesen, da der Beschwerdeführer ausweislich der Bewährungsheftes Bl. 3 arbeitslos war.

Schließlich hätte sich eine Anfrage beim bisherigen Verteidiger ( Bl. 14 des Bewährungsheftes) nahezu aufgedrängt.

Die sofortige Beschwerde vom 5.12.2003 hat daher auch in der Sache vorläufig Erfolg. Da das Amtsgericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen zu entscheiden hatte, hätte es den Verurteilten mündlich anhören müssen (§ 453 Abs. 1 Satz 3 StPO). Aus den oben genannten Gründen war die Anhörung des Verurteilten auch nicht unmöglich. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung Bezug genommen.



Ende der Entscheidung

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