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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.09.2003
Aktenzeichen: 30 U 47/03
Rechtsgebiete: BGB, BKleingG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 546
BGB § 581 Abs. 1 S. 2
BGB § 581 Abs. 2
BKleingG § 1 Abs. 1
BKleingG § 4 Abs. 1
BKleingG § 5 Abs. 4
BKleingG § 9 Abs. 1 S. 2
BKleingG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 14. Januar 2003 durch den Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hagen verkündete Urteil abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, die im anliegenden "Ausbauplan" mit den Nrn. #1, #2 und #3 bezeichneten Gartenparzellen einschließlich der Laube der Dauerkleingartenanlage E e.V. in I zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Räumung überlassener Gartenparzellen und auf Zahlung eines als rückständige Gemeinschaftsleistung bezeichneten Restbetrages von 23,43 EUR in Anspruch.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Die Berufung des Beklagten gegen die Verurteilung zur Räumung blieb erfolglos; sie hatte Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung richtete.

II.

1. Räumungsbegehren

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die im Urteilstenor näher bezeichneten Gartenparzellen einschließlich Laube geräumt an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagte ist - entgegen seiner Ansicht - nach dem übereinstimmenden tatsächlichen Vorbringen der Parteien gemäß §§ 546, 581 Abs. 2 BGB iVm § 4 Abs. 1 Bundeskleingartengesetz (BKleingG) zur Räumung des ihm überlassenen Gartens verpflichtet. Denn der Kläger hat den Pachtvertrag der Parteien mit Schreiben vom 16. Januar 2002 wegen der nach § 1 Abs. 1 BKleingG anstehenden Neuordnung der Dauerkleingartenanlage wirksam nach § 9 Abs. 1 S. 2 BKleingG gekündigt.

Der Beklagte macht ohne Erfolg geltend, er sei als Rechtsnachfolger seines Vaters, der am 1. Februar 1967 mit dem Grundstückseigentümer einen Pachtvertrag über die streitigen Parzellen abgeschlossen hatte, zum Besitz des Gartens berechtigt. Der Pachtvertrag von 1967 ist - wie Pachtverträge anderer Einzelpächter auch - im Jahre 1977 einvernehmlich aufgehoben worden. Seinerzeit war der Kläger unter Mitwirkung des Vaters des Beklagten als Gründungsmitglied unter der damaligen Bezeichnung "Kleingartenverein E e.V." gegründet worden. Gegenüber der Mitgliederversammlung am 11. März 1977, an der auch der Vater des Beklagten teilnahm, erklärte der Grundstückseigentümer, alle bisherigen Pachtverträge seien hinfällig. Widerspruch dagegen gab es nicht. Daraufhin wurde am 14. April 1977 über das gesamte Gartengelände ein einziger Pachtvertrag zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Verein geschlossen. Der Vater des Beklagten leistete seine Zahlungen seit 1977 nicht mehr an den Eigentümer, sondern an den Verein.

Gegen die abweichende Ansicht des Beklagten, bei der ausdrücklich als "Pachtvertrag" bezeichneten Vereinbarung zwischen dem Eigentümer "der zur Zeit benutzten Gartengrundstücke", die "an den Kleingartenverein E e.V. ... verpachtet" werden, habe es sich nur um eine Regelung über die Verwaltung gehandelt, spricht unmissverständlich der Vertragstext. Dagegen sprechen auch die mitgeteilten Umständen vor und bei dem Zustandekommen des Vertrages. Aus der Vertragsdurchführung lassen sich Anhaltspunkte zugunsten des Beklagten nicht entnehmen.

Allein darauf, dass der Vater des Beklagten - ersichtlich erstmals - unter dem 1. Juni 1995, nicht bei dem Kläger, sondern bei dem Eigentümer "im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf (des) Gartens" schriftlich um dessen Einverständnis nachfragte, "daß ggf. später einmal der gepachtete Garten an eine andere Person übergeben werden kann", lässt sich für die Annahme einer bloßen Verwaltungsregelung kein sicheres Indiz gewinnen.

Gegen die Ansicht des Beklagten, er sei nicht Pächter des Klägers, sondern als Pächter lediglich Rechtsnachfolger seines Vaters, spricht vor allem, dass sich der Beklagte, nachdem sein Vater am 21. März 1996 seine Mitgliedschaft gekündigt hatte, am 13. September 1996 beim Kläger schriftlich - nicht um die Vereinsmitglieschaft - sondern ausdrücklich um die Übernahme der Gartenparzelle mit der damaligen Bezeichnung Nr. 17 bewarb und dass ihm anschließend die Gartenparzelle tatsächlich überlassen wurde, woraus sich zweifelsfrei der schlüssige Abschluss eines Pachtvertrages zwischen den Parteien ergibt. Es kommt hinzu, dass der Beklagte ausweislich der Kontoauszüge des Klägers für 1997 und 1998 Pacht/Gartenpacht an den Kläger zahlte, dass er im Jahr 2000 auf die Rechnung Garten Nr. #1 eine Zahlung leistete und dass er darüber hinaus unstreitig an der Verwaltung der Anlage mitwirkte.

Erst nachdem es wegen der vom Verein beschlossenen Gemeinschaftsleistungen am 21. März 2000 zur Kündigung der Vereinsmitgliedschaft durch den Beklagten gekommen war und der Kläger von dem Beklagten "als Nichtmitglied" anteilige Kosten "zur Verwaltung der Parzelle und zum Erhalt der Kleingärtnergemeinschaft und der Anlage" forderte, berief sich der Beklagte mit Schreiben vom 16. Juli 2001 auf ein angeblich unverändert fortbestehendes Pachtverhältnis mit dem Eigentümer.

Zur Kündigung des mit dem Beklagten abgeschlossenen Pachtvertrages durch Schreiben vom 16. Januar 2002 war der Kläger nach § 9 Abs. 1 S. 2 BKleingG berechtigt und gehalten. Die Voraussetzungen der Norm, eine Neuordnung der Anlage zur Begrenzung der Pachtflächen auf 400 m², waren und sind erfüllt. Der Kläger verweist zu Recht auf wirksame Pläne der Stadt I, die das Grundstück mit Vertrag vom 30.11.1999 vom Eigentümer in Pacht übernommen, an den Kläger unterverpachtet und mit Schreiben vom 14. Januar 2002 im Hinblick auf die Neuordnung zur Kündigung aufgefordert hatte. Weitergehende Maßnahmen waren für die Kündigung nicht geboten.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war eine Teilkündigung rechtlich nicht möglich.

Ein angeblicher Schriftformverstoß ist nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

2. Zahlungsanspruch

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Betrages zu, der als Mitgliedsbeitrag deklariert worden ist. Der Beklagte ist infolge seiner Kündigung nicht mehr Mitglied des Klägers. Aus der Mitgliedschaft abzuleitende Rechte, insbesondere Zahlungsansprüche, kann der Kläger für die Zeit seit dem 1. Dezember 2000 daher nicht mehr gegen den Beklagten geltend machen.

Erfüllt ein Dauerkleingartenverein Gemeinschaftsaufgaben durch Beiträge seiner Mitglieder, dann kann er von ausgeschlossenen oder ausgetretenen Mitgliedern zusätzliche Zahlungen zur Pacht als Ausgleich für die weggefallenen Beiträge nur aufgrund besonderer Vereinbarungen verlangen.

Ein Zahlungsanspruch in Höhe des Mitgliedsbeitrags lässt sich weder unmittelbar aus den Regelungen des BKleingG noch - entgegen der Auffassung des Landgerichts - aus dem Pachtvertrag der Parteien herleiten, der trotz Kündigung der Mitgliedschaft durch den Beklagten fortbestand, bis er aufgrund der später durch den Kläger erklärten Kündigung erlosch.

§ 5 Abs. 4 BKleingG gibt dem Verpächter nur einen Aufwendungsersatzanspruch, falls er - woran es hier fehlt - die dort genannten Voraussetzungen darlegt und beweist.

§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG gibt dem Verpächter zwar ein Kündigungsrecht, wenn der Pächter Verpflichtungen, welche die Nutzung des Kleingartens betreffen, nicht unerheblich verletzt, insbesondere geldliche oder sonstige Gemeinschaftsleistungen für die Kleingartenanlage verweigert. Soweit der Kläger hier geltend macht, dass die Mitgliedsbeiträge "zur Verwaltung der Parzelle und zum Erhalt der Kleingärtnergemeinschaft und der Anlage" dienten, sind damit zumindest auch Gemeinschaftsaufgaben betroffen, die sich daraus ergeben, dass eine Kleingartenanlage nicht nur aus der Summe der Einzelparzellen besteht, sondern darüber hinaus auch die Finanzierung der Verwaltung, Erhaltung und Instandhaltung der Gesamtanlage erfordert. Dieser Aufgabenbereich wird beim Kläger aber vereinsrechtlich gelöst und durch Mitgliedsbeiträge erfüllt, sowie durch zusätzliche Arbeitsstunden für Vereinsmitglieder zur Erledigung der Gemeinschaftsaufgaben, die ggf. durch Zahlungen abgelöst werden können. Eine Verpflichtung des Pächters, sich als solcher an der Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen, wird durch § 9 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG nicht begründet, sondern vorausgesetzt.

An dieser Voraussetzung fehlt es. Durch den zwischen den Parteien formlos und ohne ausdrückliche inhaltliche Bestimmungen abgeschlossenen Pachtvertrag über die dem Beklagten überlassenen Parzellen in der Dauerkleingartenanlage wurde der Beklagte als Pächter nach § 581 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, dem Kläger als Verpächter die vereinbarte Pacht zu zahlen.

Eine weitergehende Leistungs- oder Zahlungsverpflichtung des Beklagten lässt sich aus dem Pachtvertrag nicht herleiten. Das gilt insbesondere für die von dem Kläger angenommene Verpflichtung des Beklagten als Nichtmitglied zu Zahlungen in Höhe der Mitgliedsbeiträge. Die gegenteilige, nicht näher begründete Auffassung von Mainczyk (BKleingG 2. Aufl. 2002 § 9 Rn. 9a), soweit der Pächter nicht Vereinsmitglied sei, bleibe er aus dem Pachtvertrag verpflichtet, sich anteilig an den genannten Kosten zu beteiligen, denn anderes widerspräche Treu und Glauben, überzeugt nicht. Eine derartige zusätzliche vertragliche Pflicht könnte wohl nur durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB, durch ein Weiterdenken des Vertrages, begründet werden. Die ergänzende Vertragsauslegung hat den Zweck, Lücken der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen. Sie knüpft an die im Vertrag enthaltene Regelung der Parteien an und prüft, ob aus dieser Rechtsquelle unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte Regelungen für offen gebliebene Punkte abgeleitet werden können (Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. 2003 § 157 Rn. 2). Eine ergänzende Auslegung kann nicht damit begründet werden, dass sich eine eindeutige Regelung als unbillig erweist. Keine Lücke liegt vor, wenn die von den Parteien getroffene Regelung nach dem Willen der Parteien bewußt abschließend sein sollte (Palandt/Heinrichs a.a.O. Rn. 3).

So ist es hier. Pachtvertrag und Vereinsmitgliedschaft sind gesonderte Rechtsverhältnisses, so dass zwischen Pachtzahlungen und (Zahlungs-)Verpflichtungen als Vereinsmitglied zu unterscheiden ist. Soweit es um die tatsächliche Erfüllung oder die finanzielle Lösung von Gemeinschaftsaufgaben geht, hat der Kläger allein eine vereinsrechtliche Regelung vorgesehen, die folglich nur Vereinsmitglieder betrifft. Weil der Kläger aus naheliegenden Gründen Dauer und Bestand des Pachtverhältnisses nicht an die Mitgliedschaft koppeln kann, "keine Zwangsmitgliedschaft", bleibt ihm die Möglichkeit, das nicht neue Problem der Weiterverpachtung an ausgeschlossene oder ausgetretene Mitglieder schuldrechtlich zu lösen. Eine derartige Regelung ergibt sich aber nicht von selbst aus dem Pachtvertrag, der nur die Einzelparzelle und das dafür zu zahlende Entgelt betrifft. Soweit darüber hinausgehende Leistungen von Nichtmitgliedern abgegolten werden sollen, ist eine zusätzliche, unmißverständliche Vereinbarung erforderlich. Sie lässt sich nicht zwanglos aus dem Inhalt des Pachtvertrages der Parteien herleiten, denn die bereits vereinsrechtlich geregelte Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben ist aus dem Pachtvertrag bewußt ausgeklammert.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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