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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: 31 U 220/05
Rechtsgebiete: HGB, BGB, InsO, ZPO


Vorschriften:

HGB § 355
HGB § 355 Abs. 1
BGB § 248 Abs. 1
BGB § 607
BGB § 765 Abs. 1
InsO § 91 Abs. 1
InsO § 116
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.09.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch, die der Beklagte für einen der Firma O GmbH & Co.KG bis zur Höhe von 250.000,- DM eingeräumten Kontokorrentkredit übernommen hat. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Versäumnisurteil vom 28.06.2005 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch der Klägerin hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil sein Versäumnisurteil aufrecht erhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Klägerin habe ihre Klageforderung nicht hinreichend dargelegt. Obwohl sie mit Verfügung vom 06.04.2005 aufgefordert worden sei, ihre Forderung durch eine geordnete Aufstellung über den Verlauf des Darlehenskontos zu substantiieren, habe sie lediglich eine Übersicht über die Zahlungseingänge des Beklagten ab April 2000 sowie Kontoauszüge ab dem 16.03.2001 vorgelegt. Aus der eingereichten Zahlungsübersicht der Einzelzahlungen und den vorgelegten Kontoauszügen ergebe sich ebenfalls nicht, worauf die einzelnen Zahlungen des Beklagten verrechnet worden seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie trägt vor:

Die verbürgte Restsumme aus dem Kontokorrentkredit mit der Hauptschuldnerin habe im Zeitpunkt der Zahlungseinstellung und der Inanspruchnahme des Beklagten 48.194,21 DM betragen. Der Betrag habe sich aus Hauptforderung und Zinsen zusammengesetzt. Die Entwicklung des Kontos sei dem Beklagten als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin im Einzelnen bekannt gewesen; er habe stets die entsprechenden Kontoauszüge erhalten. Außerdem habe der Beklagte diesen Saldo letztmals mit Schreiben vom 22.10.2003 anerkannt. Darüber hinaus habe das Landgericht auch nicht § 355 HGB beachtet.

Sie - die Klägerin - habe nicht auf die Zahlung von Zinsen verzichtet, und zwar weder fernmündlich noch schriftlich. Ihr Vorstand habe den Vorschlag des Beklagten vielmehr abgelehnt. Abgesehen davon, dass die vorgeschlagene Regelung in dem Schreiben vom 14.04.2000 (Anlage K5) nicht akzeptiert worden sei, enthalte das Schreiben auch keinen Gesamtverzicht, sondern beziehe sich nur auf Zinsen, die bis zum 30.04.2001 angefallen seien.

Die Ratenzahlungen des Beklagten in Höhe von 1.300,- DM habe sie zu Recht zunächst auf die Zinsen und dann auf die Hauptforderung verrechnet. Insoweit nimmt die Klägerin auf das in erster Instanz zu den Akten gereichte Anlagenkonvolut K17 (Bl. 69 ff. GA) Bezug. Erstmals legt die Klägerin zudem eine Gesamtzusammenfassung des Kontos, ausgehend von einem Saldo in Höhe von 48.194,21 DM am 01.04.2000, als Anlage Bfk2 (Bl. 194 ff. GA) vor.

Die Klägerin beantragt,

auf die Berufung das Urteil des Landgerichts Münster vom 20.09.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.445,01 € zuzüglich 9,75 % Zinsen seit dem 01.07.2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte bestreitet den Saldo von 48.194,21 DM und die von der Klägerin behauptete Kontoentwicklung nach Insolvenzeröffnung. Die Klägerin habe nach wie vor nicht dargelegt, welcher Zinssatz mit der Hauptschuldnerin vereinbart worden sei. Der Beklagte bestreitet ferner die in der Anlage Bfk2 aufgeführten Daten. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Klägerin habe auf die Zahlung sämtlicher möglicher Zinsen verzichtet.

Wegen des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von weiteren 5.445,01 € aus den §§ 765 Abs. 1, 607 BGB zu. Zwar hat der Beklagte unstreitig mit Erklärung vom 24.02.1999 eine Höchstbetragsbürgschaft über 250.000,- DM für einen Kontokorrentkredit übernommen, welcher der O GmbH & Co.KG gewährt worden war; Geschäftsführer der GmbH war seinerzeit der Beklagte. Die Klägerin hat es aber nicht vermocht, ihre Restforderung von 5.445,01 € schlüssig darzulegen.

1. Dahin gestellt bleiben kann, ob der Beklagte mit seinen Ratenzahlungen bis zum 23.06.2003 einen im Jahre 2000 bestehenden Saldo von 47.894,21 DM anerkannt hat. Der Beklagte hat insoweit vor dem Senat - entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag - erklärt, den ursprünglichen Saldo gekannt und die letzte Rate in Höhe von 559,46 € selbst errechnet zu haben. Da der Beklagte, der unstreitig nach Aufnahme der Ratenzahlungen keine Abrechnungen mehr von der Klägerin erhalten hat, bereits in erster Instanz darüber hinaus auch den zum 23.06.2003 von der Klägerin ermittelten Saldo in Höhe von 5.397,67 € in Abrede gestellt und die Klage auch insoweit als unschlüssig gerügt hat, ist der Klägerin mit gerichtlicher Verfügung vom 06.04.2005 zu Recht aufgegeben worden, durch eine geordnete Aufstellung über den Verlauf des Darlehenskontos ihre Forderung substantiiert darzulegen. Die Klägerin hat bis zum Termin am 28.06.2005 weder zu den Einwendungen des Beklagten in seiner Klageerwiderung Stellung genommen, noch hat sie die gerichtliche Auflage erfüllt, sondern im Verhandlungstermin ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen. Mit Einspruchsbegründung vom 07.07.2005 hat die Klägerin den Kontenverlauf erneut nicht näher dargetan; soweit sie Kontoauszüge (Bl. 70 ff. GA) vorgelegt hat, beginnen diese erst am 16.03.2001 mit einem Saldo von 40.642,69 DM.

Soweit die Klägerin im Übrigen - wie die in erster Instanz zu den Akten gereichten Kontoauszüge ergeben - Zinsen in Höhe von 10,5 % bzw. später 9,75 % berechnet hat, fehlt zudem jegliche Darlegung der Rechtsgrundlage. Es lässt sich dem Vorbringen der Klägerin erster Instanz weder entnehmen, dass eine Berechnung nach der ursprünglich vertraglich vereinbarten Zinshöhe erfolgt ist (vgl. BGHZ 104, 337; BGH, WM 2000, 718) - der Darlehensvertrag mit der Hauptschuldnerin ist entgegen der Auflage des Landgerichts nicht zu den Akten gereicht worden -, noch, dass es sich bei den zugrunde gelegten Zinssätzen um den gesetzlichen Verzugszinssatz handelt.

Nach den vorgelegten Kontoauszügen ist im Gegenteil zu vermuten, dass die Klägerin "Überziehungszinsen" nach ihren Geschäftsbedingungen angesetzt hat. Hinsichtlich dieser offensichtlich angesetzten Überziehungszinsen fehlen ebenfalls jegliche Darlegungen dazu, dass trotz der Kündigung des Kontokorrentkredits mit Schreiben vom 14.02.2000 sowie der Insolvenzeröffnung ein mit der Hauptschuldnerin geschlossener Girovertrag weitergeführt worden ist, insbesondere auch die ursprünglich getroffene Kontokorrentabrede weiter gelten sollte (vgl. Schimanski/Bunte/Lwowksi, Bankrechts-Handbuch, § 75 Rn. 10; § 47 Rn. 56). Im Gegenteil lag die Fortsetzung eines evtl. noch bestehenden Vertragsverhältnisses mit der Hauptschuldnerin fern, da die Klägerin die Kündigung aufgrund der Insolvenz der Hauptschuldnerin ausgesprochen hatte und weiterer Zahlungsverkehr mithin gerade nicht zu erwarten war; die Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und der Hauptschuldnerin war beendet (vgl. Schimanski/ Bunte/Lwowksi, Bankrechts-Handbuch, § 47 Rn. 57). Darüber hinaus gilt der Girovertrag auch nach § 116 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden als beendet (vgl. Schimanski/Bunte/Lwowksi, Bankrechts-Handbuch, § 47 Rn. 18; BGH NJW-RR 2006, 771, 772); entsprechendes gilt für das Kontokorrentverhältnis (Geschäftsverbindung), § 91 Abs. 1 InsO (vgl. Schimanski/ Bunte/Lwowksi, Bankrechts-Handbuch, § 47 Rn. 57). Unstreitig hat die Klägerin nach Mai 2000 dem Insolvenzverwalter bzw. der Hauptschuldnerin ferner keine Kontoauszüge und Abrechnungen mehr erteilt; die in erster Instanz vorgelegten Kontoauszüge und Rechnungsabschlüsse sind an die "Rechtsabteilung im Hause" gerichtet.

Da sich dem Sachvortrag der Klägerin insoweit in keiner Weise entnehmen lässt, dass ein Girovertrag und eine Kontokorrentabrede nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin noch bestanden hat, die aufgezeigten Umstände vielmehr dagegen sprechen, hätte die Klägerin Zinsen auch nicht mehr gemäß § 355 HGB ins Kontokorrent einstellen dürfen. Mit der Beendigung des Kontokorrents endet gerade die sich aus § 355 Abs. 1 HGB ergebende Befreiung vom Zinseszinsverbot des § 248 Abs. 1 BGB. Der Schlusssaldo ist zwar auch insoweit zu verzinsen, als in ihm bereits Zinsen enthalten sind; von diesem Saldo können aber nur noch Verzugszinsen verlangt werden, eine periodische Kapitalisierung der Zinsrückstände - wie sie die Klägerin in ihrem Anlagenkonvolut K 17 vorgenommen hat - scheidet aus (Schimanski/Bunte/Lwowksi, Bankrechts-Handbuch, § 47 Rn. 58).

Abgesehen davon, dass schon nicht dargelegt worden ist, auf welche Rechtsgrundlage die Klägerin ihre Zinsforderungen gestützt hat, lässt sich den in erster Instanz vorgelegten Kontoauszügen gleichfalls nicht entnehmen, ob die Zinsen zutreffend ermittelt worden sind. Zwar wird im monatlichen "Rechnungsabschluss" der Zinssatz und der Zeitraum genannt; aus der Unterlage ergibt sich aber nicht, welcher Saldo jeweils der Zinsberechnung zugrunde gelegt worden ist, insbesondere, ob zwischenzeitlich eingegangene Zahlungen des Beklagten berücksichtigt worden sind.

Das Landgericht hat damit zutreffend die Klage mangels Schlüssigkeit abgewiesen.

2.

Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz eine weitere Abrechnung des Kontos vorgelegt hat (Bl. 194 ff. GA), ist ihr neuer Vortrag schon gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da der Beklagte den Kontenverlauf nicht unstreitig gestellt, insbesondere auch die Höhe der berechneten Zinsen bestritten hat. Darüber hinaus ist auch diese Abrechnung nicht nachvollziehbar. Die in Rechnung gestellten "Überziehungszinsen" sind nach wie vor nicht dargelegt worden; es ist weder erkennbar, wie die Klägerin die Höhe der Zinsen - die im neuen Kontenverlauf überhaupt nicht mehr mitgeteilt wird - ermittelt und für welchen Betrag sie die Zinsen errechnet hat, noch trägt sie Tatsachen vor, wonach sich eine Rechtsgrundlage für die von ihr in Rechnung gestellten "Überziehungszinsen" ergibt. Die Klage ist mithin unschlüssig geblieben.

Schließlich hat der Beklagte seinem unbestrittenen Vortrag nach sämtliche Zahlungen auch auf den seinerzeit ermittelten Saldo erbracht; es erscheint insoweit zudem fraglich, ob die Klägerin entgegen der Leistungsbestimmung des Beklagten die Raten dennoch vorrangig auf die von ihr nach Mai 2000 angesetzten Zinsen verrechnen darf; eine Kapitalisierung der Zinsen wäre ihr - wie oben dargelegt - nur gestattet gewesen, wenn auch noch nach Kündigung und Insolvenzeröffnung ein Kontokorrentverhältnis gemäß § 355 Abs. 1 HGB bestanden hätte; hierfür ist auch in zweiter Instanz nichts dargetan.

3.

Der weitere, hilfsweise vorgetragene Einwand des Beklagten, die Klägerin habe im Mai 2000 auf die Zahlung von Zinsen verzichtet, kann insoweit dahin stehen.

4.

Soweit die Klägerin auf ihre vermeintliche Hauptforderung Zinsen in Höhe von 9,75 % seit dem 01.07.2003 verlangt, fehlt schließlich ebenfalls jeglicher Vortrag zu einer Rechtsgrundlage. Auf die Ausführungen von oben wird verwiesen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des Einzelfalls oder höchstrichterlich bereits geklärt.

Ende der Entscheidung

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