Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.08.2000
Aktenzeichen: 34 U 133/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
BGB § 276
Überläßt ein Eigentümer einer Vermittlungsgesellschaft und weiteren von dieser eingeschalteten Gesellschaften und Personen alle Verhandlungen zum Vertrieb und Verkauf von Eigentumswohnungen, muß er sich gemäß § 278 BGB unter Berücksichtigung einer Gesamtwürdigung der konkreten Vermittlungstätigkeit deren Verhalten zurechnen lassen, auch wenn die Gesellschaft nur als Maklerin bzw. Vermittlerin tätig geworden ist.

Wer mit steuerlichen Vorteilen für den Kauf einer Immobilie wirbt, muß nicht nur Voraussetzungen, Hinderungsgründe und Ausmaß der Steuervorteile richtig und vollständig darstellen, sondern auch auf Risiken hinweisen, die sich aufgrund der bekannt gewordenen Haltung der Rechtsprechung und des Bundesfinanzministeriums für das Gelingen des angebotenen Steuermodells ergeben.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

34 U 133/98 OLG Hamm

Verkündet am 22. August 2000

hat der 34. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2000 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Binnberg, die Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann und den Richter am Oberlandesgericht Schwarze

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Mai 1998 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Anspruch der Kläger ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Beschwer beider Parteien übersteigt 60.000,- DM.

Tatbestand:

Die Kläger erwarben von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der, im Jahre 1984 als Anlageobjekte je eine Eigentumswohnung in Köln und Essen.

1982 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die auf deren Initiative hin beauftragt, von ihr errichtete, aber noch unverkaufte Wohnungen zu vertreiben. Insbesondere wurde vereinbart, daß die über eine erfahrene Steuerberatungsgesellschaft die steuerlichen Aspekte des Vertriebes aufarbeiten, die Prospekte erstellen und herausgeben und den gesamten Vertrieb vorbereiten und durchführen sollte. Die ging wie beabsichtigt vor. Ausweislich der erstellten Prospekte (Blatt 14 ff d.A.) sollten die Eigentumswohnungen im Rahmen eines "Ersterwerbermodells" veräußert werden:

In Abwandlung zum sogenannten "Bauherrenmodell" stand hierbei nicht die Errichtung einer Immobilie, sondern der Erwerb eines bereits fertiggestellten Objekts im Vordergrund. Der Erwerb sollte über einen vom Käufer - mittels Annahme eines vorbereitet übersandten Angebots auf Abschluß eines Treuhandvertrages (Blatt 20 d.A.) - zu bevollmächtigenden Treuhänder, die, erfolgen, der das Objekt sodann im Namen der Erwerber an einen gewerblichen Zwischenmieter vermieten sollte. Der Zwischenmieter seinerseits sollte die Endvermietung der Wohnungen betreiben. Dieses Modell sollte insbesondere in umsatzsteuerlicher Hinsicht erhebliche Steuervorteile dadurch mit sich bringen, daß von dem - aufgrund der gewerblichen Zwischenvermietung wie ein Unternehmer auftretenden und deshalb zulässig gemäß § 9 UstG auf die Befreiung von der Umsatzsteuer verzichtenden - Erwerber die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht werden konnte.

Die Kläger erfuhren über die vom Anlagemodell der Beklagten, das ihnen aufgrund der errechneten Steuervorteile lukrativ erschien. Sie bevollmächtigten deshalb wie vorgesehen die mit einem Erwerb der Wohnungen Nr.58, in Köln und Nr. 20, die Kaufverträge wurden unter dem 14.12.1984 (Köln) und dem 27.12.1984 (Essen) abgeschlossen A 138, A 192).

Bereits vorher, mit Mietverträgen vom 12.06.1984 und 15.11.1984 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Wohnungen an die Firmen (Köln) und zwischenvermietet (A 233, A 231).

In der Folgezeit erkannte das Finanzamt zunächst die Position des gewerblichen Zwischenmieters an; im Nachhinein j wurde die Vorsteuerabzugsberechtigung der Kläger aber unter Hinweis auf einen Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO aberkannt. Die gegen die die Vorsteuerabzugsberechtigung ablehnenden Steuerbescheide von den Klägern eingelegten Einsprüche wurden vom Finanzamt mit Bescheid vom 06.03.1995 zurückgewiesen (A 240). Die von den Klägern hiergegen eingelegte Klage vor dem Finanzgericht Dusseldorf (5 K 1370/95 U) wurde von den Klägern zurückgenommen.

Die Kläger haben in erster Instanz von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 133.985,56 DM verlangt.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die von ihr mit dem Vertrieb der Wohnungen beauftragte habe zugesichert, daß mit dem Erwerb der Wohnungen neben den zu erzielenden umfangreichen Einkommenssteuerersparnissen auch die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges gegeben sein werde. Tatsächlich sei es zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen, die versprochenen Steuervorteile zu erzielen, da das Modell gegen § 42 AO verstoße. Die von Seiten der getätigten Äußerungen und Zusicherungen seien der Rechtsvorgängerin der Beklagten als eigentlicher Initiatorin des "Ersterwerbermodells" zuzurechnen; die sei lediglich als Vermittlerin eingesetzt worden. Die Beklagte hafte sowohl für das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft als auch aus den Grundsätzen der Prospekthaftung. Die Rechtsvorgängerin der Beklagte habe gewußt, daß die versprochenen Steuervorteile nicht wurden erzielt werden können, diesen Umstand aber arglistig verschwiegen. Ihr sei bekannt gewesen, daß der Bundesminister für Finanzen mit Erlaß vom 27.06.1983 (Bundessteuerblatt 1983, Teil I, S. 347, Kopie Bl. 121 d.A.) die Einschaltung gewerblicher Zwischenmieter unter bestimmten Voraussetzungen als mißbräuchlich dargestellt habe. Diese Voraussetzungen - Einschaltung des Zwischenmieters nur zur Erlangung der Vorsteuerabzugsberechtigung ohne wirtschaftlichen Grund - seien vorliegend erfüllt.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei nicht nur verpflichtet gewesen, sie umfassend, also auch über den ihr bekannten Erlaß des Bundesministers für Finanzen von Juni 1983, zu informieren, was sie unterlassen habe, sie habe darüber hinaus auch ein selbständiges Garantieversprechen abgegeben. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten bezüglich der Überprüfung des Ersterwerbermodells durch die Finanzämter unterrichtet gewesen sei, habe die gegenüber verschiedenen Erwerbern erklärt, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Erstattung der Umsatzsteuer übernehme, wenn das Finanzamt den Vorsteuerabzug verweigere.

Die Kläger haben behauptet, aufgrund der Nichtanerkennung des Modells durch das Finanzamt sei ihnen folgender Schaden entstanden: Nachdem von ihnen die Klage gegen die Steuerbescheide vor dem Finanzgericht mangels Erfolgsaussicht zurückgenommen worden sei, seien sie verpflichtet gewesen, Umsatzsteuer für die Jahre 1984 und 1985 in Höhe von insgesamt 80.406,68 DM an das Finanzamt zurückzuzahlen. Außerdem habe eine Einkommenssteuernachzahlung in Höhe 27.487,88 DM geleistet werden müssen. Schließlich sei vom Finanzamt ein Betrag von 26.091,00 DM für Zinsen berechnet worden, die während der Aussetzung der Steuerbescheide aufgrund des zunächst eingelegten Einspruchs aufgelaufen sind.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 133.981,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.08.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, daß ihre Rechtsvorgängerin mündlich oder schriftlich den Klägern Steuervorteile zugesichert oder die Mitarbeiter der zu solchen Erklärungen bevollmächtigt hätte. Aus dem Prospekt könne ihre Haftung nicht hergeleitet werden, da etwaige Ansprüche aus Prospekthaftung verjährt seien. Überdies sei sie, bezogen auf etwaige Prospekthaftungsansprüche, nicht passivlegitimiert. Nach dem Prospekt sei sie nur verantwortlich für die Angaben zu den Grundstücksverhältnissen und zur Vermietung, ihre Mitwirkung am Prospekt sei auf diese Angaben beschränkt gewesen. Alle Angaben zu den Steuervorteilen lägen im Verantwortungsbereich des Treuhänders, der, die das Erwerbermodell zusammen mit der konzipiert habe. Eine Garantieerklärung sei den Klägern gegenüber nicht abgegeben worden.

Wenn den Klägern bezüglich der Umsatzsteuer ein Schaden entstanden sei, so müßten davon die durch den Vertrag erlangten Vorteile in Abzug gebracht werden. Bei Wegfall der Vorsteuerabzugsberechtigung kamen die Kläger in den Genuß der vollen vom Zwischenmieter gezahlten Umsatzsteuer. Dies mache für den Mietzeitraum von fünf Jahren für die Wohnung in Essen einen Betrag von 5.813,68 DM, für die Wohnung in Köln einen Betrag von 4.973,68 DM aus. Außerdem hätten sie die nicht abzugsfähige Vorsteuer im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen als Anschaffungskosten abschreiben können, was eine Minderung der Einkommenssteuer- und Kirchensteuerbelastung der Kläger zur Folge gehabt hatte, die auf 36.381,14 DM zu schätzen sei.

Sie hat Auffassung vertreten, die Kläger treffe ein Mitverschulden am Schadenseintritt, da sie verpflichtet gewesen seien, gegen die Bescheide des Finanzamtes die Klage durchzuführen.

Nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen hat das Landgericht der Klage in Höhe von 64.012,00 DM stattgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung und stützt diese auf folgende Gesichtspunkte:

Die Aufklärung über steuerliche Aspekte des Erwerbs der Wohnungen habe nicht der Rechtsvorgängerin der Beklagten oblegen. Der notarielle Kaufvertrag enthalte insoweit keine Regelungen. Das ergebe sich auch bereits deutlich aus dem Prospekt. Darin sei ausdrücklich erklärt worden, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten nur für die Angaben zu Vermietung verantwortlich zeichne. Aus diesem Grunde handele es sich bei der, die den Vertrieb der Wohnungen übernommen hatte, auch nicht um eine Erfüllungsgehilfin der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß es sich keineswegs um eine kleine unbekannte Vertriebsgesellschaft gehandelt habe. Vielmehr sei die seinerzeit jedenfalls regional Branchenführer gewesen und habe sich mit der Einschaltung der Fa. wiederum einer renommierten Treuhandgesellschaft bedient.

Weder die Tätigkeit und die Erklärungen des Treuhänders noch der Vertriebgesellschaft müsse sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten zurechnen lassen. Es sei davon auszugehen, daß die Haftungsbeschränkungen, wie sie im Prospekt niedergelegt seien, als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Wirksamkeit zwischen den Parteien der abgeschlossenen Verträge entfaltet hatten. Im Rahmen solcher AGB sei eine Haftungsfreizeichnung zulässig.

Im übrigen habe das steuerliche Konzept durchaus der geltenden Rechtslage entsprochen und sei auch durchführbar gewesen. Die Feststellungen des Finanzamts im Rahmen des Steuerfahndungsverfahrens seien unrichtig, die Kläger hatten sich mit der von ihnen erhobenen Klage dagegen wehren können. Die Rücknahme der Klage sei verfrüht gewesen. Jedenfalls sei zu berücksichtigen, daß erst aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, in den Jahren nach dem Verkauf, das in Aussicht genommene Erwerbsmodell nicht funktioniert habe.

Ansprüche aus Prospekthaftung seien nicht gegeben, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht Initiatorin des Prospektes gewesen sei und auch kein besonderes Vertrauen genossen hatte.

Darüber hinaus bestreitet die Beklagte die Höhe des eingetretenen Schadens. Die Kläger hatten, wie sich aus dem Gutachten ergebe, nicht sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt. Sie mußten sich weitere Vorteile anrechnen lassen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vertrages das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivoibringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Akten 1 O 206/98 LG Düsseldorf (9 U 110/99 OLG Düsseldorf) lagen zu Informationszwecken vor.

Entscheidungsgründe:

Soweit sich die Berufung der Kläger gegen den Grund ihrer Haftung richtet, hat sie keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht den Klägern einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß in Verbindung mit § 278 BGB zuerkannt.

I.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten haftet für die Erklärungen der und der von dieser eingeschalteten weiteren Gesellschaften, insbesondere der Treuhandgesellschaft, im Zusammenhang mit den Erklärungen zur steuerlichen Ausgestaltung und zu den in Anspruch zu nehmenden steuerlichen Vorteilen. Die Beklagte hatte der alle Verhandlungen zum Vertrieb und Verkauf der Wohnungen überlassen, und sie muß sich deshalb das Verhalten der gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, auch wenn diese nur als Maklerin bzw. Vermittlerin tätig geworden ist.

Zwar ist ein Makler in der Regel nicht Erfüllungsgehilfe eines der Vertragspartner. Als Erfüllungsgehilfe ist nur anzusehen, wer nach den tatsächlichen Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Hiervon ausgehend hat die Rechtsprechung den Makler nicht generell als Erfüllungsgehilfen seines Vertragspartners betrachtet (RGZ 101, 97, 99; BGHZ 33, 302, 309; BGH WM 1964, 853, 854). Dabei steht nicht die selbständige Stellung des Maklers einer Einschätzung als Erfüllungsgehilfe entgegen - auch sonst hindert die Selbständigkeit nicht die Anwendung des § 278 BGB (vgl. BGHZ 100, 117, 122) -, sondern der Umstand, daß der Makler durch seine Vermittlungstätigkeit eine eigene Leistung gegenüber dem Auftraggeber erbringt, die nicht ohne weiteres zugleich die Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber dem späteren Vertragspartner erfüllt. Auch aus dessen Sicht erscheint der Makler nicht generell als Hilfsperson des Kontrahenten, sondern - je nach Sachlage - als Dritter, der durch seine Tätigkeit die Parteien zusammenbringt. Dies gilt jedoch nur, wenn sich der Makler vereinbarungsgemäß darauf beschränkt, seine spezifischen Maklerdienste anzubieten. Übernimmt er demgegenüber mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in deren Pflichtenkreis tätig. Er ist dann nicht mehr allein Makler, sondern zugleich Hilfsperson dessen, in dessen Pflichtenkreis er Aufgaben wahrnimmt. Dies rechtfertigt die Anwendung des § 278 BGB (BGH NJW 1991, 2556; 1995,2550; 1996, 451).

Wann dies anzunehmen ist, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der konkreten Vermittlertätigkeit beantwortet werden. Die Rechtsprechung hat verschiedene Fallgruppen herausgebildet, in denen dem Makler die Stellung eines Erfüllungsgehilfen zuerkannt worden ist. So ist die Zurechnung bejaht worden, wenn der Makler als beauftragter Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe des Schuldners aufgetreten ist (BGHZ 47, 224, 230; BGH WM 1986, 1032, 1034; BGHZ 114, 263, 269). Für den Bereich des § 123 BGB - und damit übertragbar auf den des § 278 BGB - ist das Einstehenmüssen des Geschäftsherrn auch dann bejaht worden, wenn der am Zustandekommen des Geschäfts Beteiligte, also etwa auch ein Makler, wegen seiner engen Beziehung zum Geschäftsherrn als dessen Vertrauensperson erscheint (BGH NJW 1978, 2144; NJW 1979, 1593; vgl. auch BGH NJW 1995, 2550). Ausgangspunkt der Überlegungen ist immer der Grundgedanke des § 278 BGB, der die Zurechnung davon abhängig macht, daß jemand mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn zur Erfüllung von Pflichten tätig wird, die dem Geschäftsherrn obliegen. Der Makler muß also - von der Vertragspartei zurechenbar veranlaßt - Aufgaben übernommen haben, die dem Pflichtenkreis dieser Partei zuzuordnen sind. Bleibt die Tätigkeit des Maklers dahinter zurück, beschränkt er sich auf das Anbieten reiner Maklerdienste, ohne sich in die Erfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten einer Vertragspartei einbinden zu lassen, kommt eine Zurechnung nach § 278 BGB nicht in Betracht (BGH NJW 1996, 451).

Die ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - im vorliegenden Fall als Erfüllungsgehilfe der Rechtsvorgängerin der Beklagten anzusehen. Ihre Tätigkeit beschränkte sich nicht darauf, ihre Dienste als Vermittlungsmaklerin zu erbringen. Das Vertriebskonzept und die insoweit entfaltete Tätigkeit beim Zustandekommen der Kaufverträge - insbesondere die Erläuterung der steuerliche Vorteile - ging über eine reine Vermittlungstätigkeit hinaus.

Dies wußte die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Sie hatte das Konzept nicht nur gebilligt, sondern sich dessen bedient, um den seinerzeitigen Wohnungsbestand schnellstmöglich zu veräußern, weil sie sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, wie die Beklagte selbst eingeräumt hat. Von entscheidender Bedeutung war deshalb, die abzuschließenden Kaufverträge und den Erwerb für potentielle Käufer möglichst attraktiv zu gestalten, wozu das in Aussicht gestellte Erwerbermodell diente, dessen steuerliche Vorteile wesentlicher Beweggrund für den Abschluß der Kaufverträge für einen Großteil der Käufer, wie auch der Kläger, war. Die so zu erzielenden Vorteile und die damit verbundene vertragliche Ausgestaltung zu erläutern und die Erwerber insoweit umfassend aufzuklären, war unter diesen Umständen Aufgabe der Verkäuferin, auch wenn es ihr selbst nur auf die Veräußerung der Wohnungen ankam.

Bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, besteht gleichwohl für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (st. Rspr. D. BGH NJW-RR 1988, 348 m.w.N.). Zur Erfüllung dieser vorvertraglichen Pflichten hat sich die Beklagte der als ihrer Hilfsperson bedient, indem sie ihr die Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen überlassen hat. Dies wird besonders dadurch deutlich, daß sie wollte und wußte, daß die neben dem Aushandeln der kaufvertragstypischen Leistungen gewisse steuerliche Vorteile als Kaufanreize versprach. Sie selbst blieb demgegenüber den Vorgesprächen fern, die üblicherweise Anlaß sind zu Erläuterungen, zusätzlichen Abmachungen und ergänzenden Fragen. Die Führung des Teils der Vertragsverhandlungen, in dem sich die zunächst allgemeinen vorvertraglichen Sorgfaltspflichten konkretisieren, blieb somit der überlassen. Dies rechtfertigt die Anwendung des § 27 BGB (vergl BGH a.a.O.).

Die war bewußt von der Rechtsvorgängerin der Beklagten in den Vertrieb der Wohnungen eingeschaltet worden, der im wesentlichen darauf aufgebaut werden sollte, die Wohnungen als Anlageobjekte mit steuerlichen Vorteilen auf dem Markt anzubieten. Wer als Verkäufer für eine Immobilie wirbt und dabei Steuervorteile einer Anlage- oder Kaufentscheidung herausstellt oder in konkrete Finanzierungsvorschläge einbezieht, muß Voraussetzungen, Hinderungsgründe und Ausmaß der Steuervorteile richtig und so vollständig darstellen, daß bei dem Kunden oder Käufer über keinen für seine Entscheidung möglicherweise wesentlichen Umstand eine Fehlvorstellung erweckt wird (BGH NJW 1991, 2556) Die Erfüllung dieser Aufklärungspflichten hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten der überlassen, die diese Pflicht schuldhaft verletzt hat (vergl unter II.).

Weder die Problematik einer sog. Prospekthaftung noch die Frage, ob sich die Beklagte im Zusammenhang mit den Angaben des Prospektes auf eine Haftungsbeschränkung berufen kann, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Von einer Zurechung der Tätigkeit der hatte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten nur schützen können, wenn sie sich im notariellen Kaufvertrag ausdrücklich von allen Erklärungen ihres Handlungsgehilfen im Rahmen der vorvertraglichen Verhandlungen distanziert hätte (BGH NJW 1995, 2550). Das hat sie aber unstreitig nicht getan, sondern im Gegenteil den Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung erklärt, um den Klägern die steuerlichen Vorteile, die ihnen nach dem von der vorgestellten Modell versprochen worden waren, zu ermöglichen. Die Beklagte kann sich weder auf die Haftungsbeschränkung noch auf die Verjährungsregelung im Prospekt berufen, weil jenes Prospekt gerade nicht zum Gegenstand des notariellen Kaufvertrages gemacht worden ist. Es kommt deshalb auch nicht auf die Frage an, ob die Regelungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einen Verstoß gegen § 9 AGBG bedeuteten.

II.

Die Kläger sind im Rahmen der Vertragsverhandlungen weder auf das Risiko eines Fehlschlagens des Erwerbermodells noch darauf hingewiesen worden, daß bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kaufverträge die steuerlichen Vorteile nicht mehr erreichbar waren, weil sowohl die Finanzverwaltung als auch die Finanzgerichte davon ausgingen, daß die gewerbliche Zwischenvermietung, die allein zum Zwecke des Vorsteuerabzugs erfolgte, eine rechtsmißbräuchliche Umgehung im Sinne des § 42 AO 1977 darstellte und deshalb die Erwerber zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt seien.

Diese Auffassung der Gerichte war seinerzeit Fachkundigen durch den Erlaß des Bundesfinanzministers vom 27.6.1983 (BStBl 1983 I,347, Bl. 121 d.A.) bekannt; auch lagen bereits zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Entscheidungen der Finanzgerichte und auch schon eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor, die die Durchführbarkeit des von der propagierten Erwerbermodells, wenn nicht unmöglich, so doch jedenfalls als höchst zweifelhaft erscheinen liessen (vergl. Entscheidung vom 15.12.1983, BFHE 140, 354 und vom 17.5.1984, BFHE 141,339). Die Auffassung des Bundesfinanzhofes war in der Fachpresse publiziert worden. Es ist nicht zutreffend, daß das Konzept, wie die Beklagte meint, damals objektiv durchaus praktikabel gewesen wäre und nur durch die spätere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in Frage gestellt worden sei.

Die Beklagte legt im übrigen selbst ein Mitteilungsblatt für Immobilienhändler aus der Zeit (Oktober 1984) kurz vor dem Vertragsschluß vor, in dem auf die Problematik hingewiesen und ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.5.1984 angeführt wird (vergl. Bl. 404 d.A.). Die Rechtsprechung hatte nicht nur in dem bekannten o.g. Erlaß Niederschlag gefunden. Auch in einschlägig bekannten Zeitschriften wurde die Auffassung ausführlich in Aufsätzen in der Folgezeit, im Sommer 1984, diskutiert (vergl z.B. Wagner, NWB 1993,2149; ders. NWB 1984,2029). Das Thema war seinerzeit in der allgemeinen Diskussion. Weder den Mitarbeitern der von der eingeschalteten Steuerberatungsgesellschaft noch den Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst war diese Entwicklung verborgen geblieben. Nicht zuletzt aus dem Streit über die in einem Teil von zeitlich früheren Vertriebsvereinbarungen über Objekte der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der enthaltene Garantieerklärung zugunsten der Erwerber im Falle eines Scheiterns des Steuermodells, wie er sich aus den zu Informationszwecken beigezogenen Akten darstellt, ergibt sich, daß auch Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten in die Ausarbeitung des steuerlichen Konzeptes eingebunden waren und ihnen das Risiko der Nichtanerkennung durchaus bewußt war. Jedenfalls der Steuerberatungsgesellschaft, die von der mit den Vertragsverhandlungen betrauten mit der Ausarbeitung der steuerlichen Fragen beauftragt war, waren die Probleme, die zu einem Scheitern des Modells führen mußten, bekannt.

Zumindest auf die Risiken, die sich durch die Haltung der Rechtsprechung und des Bundesfinanzministers für das Gelingen des Modells ergab, hätten die Kläger hingewiesen werden müssen. Der von den Klägern erkennbar verfolgte Vertragszweck bestand darin, mit dem Wohnungseigentum eine steuerlich begünstigte Kapitalanlage mit einer sicheren Renditeerwartung zu erwerben. Dieser von den Klägern verfolgte Vertragszweck war der Beklagten bekannt, denn sie wußte, daß die Wohnungen den Erwerbern mit solchen Erwartungen angeboten wurden. Die Beklagte war deshalb grundsätzlich verpflichtet, die Kläger über die Umstände aufzuklären, die für das Erreichen der steuerlichen Vorteile, insbesondere für das Risiko, daß jenes Modell überhaupt anerkannt wurde, von Bedeutung waren. Sowohl für den Vertrieb von Kapitalanlagen in Form von Unternehmensbeteiligungen wie auch für den Fall der Veräußerung von Wohnungen im Rahmen eines steuerbegünstigten Erwerbermodells muß der Kapitalsuchende den Anleger wahrheitsgemäß und vollständig über alle Umstände unterrichten, die für dessen Entscheidung von Bedeutung sind (BGH WM 1979, 141; NJW-RR 1988, 348). Die Aufklärungspflicht erstreckt sich auch auf solche Umstände, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, daß sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden werden.

Die Offenbarungspflicht der Beklagten entfiel auch nicht deswegen, weil in dem Prospekt darauf hingewiesen worden ist, daß der Veräußerer nur für die Angaben zum Objekt selbst verantwortlich sei, hingegen der Treuhänder für die Angaben zu den steuerlichen Grundlagen, und eine gesamtschuldnerische Haftung ausgeschlossen sei ("Verantwortung für den Prospektinhalt"). Offenbarungspflicht und Erfolgsgarantie betreffen unterschiedliche Fragen und begründen unterschiedliche Ansprüche. Auch - und gerade - wenn die Beklagte eine Erfolgsgarantie nicht übernahm, waren die Kläger auf eine möglichst umfassende Aufklärung über die für ihre Einschätzung des verbleibenden Risikos maßgeblichen Umstände angewiesen (BGH NJW-RR 1988, 348).

Dies Aufklärungspflichten haben die mit den Vertragsverhandlungen von der Rechtsvorgängerin der Beklagten betrauten Mitarbeiter der schuldhaft verletzt.

III.

Da die steuerlichen Vorteile ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Kläger bei dem Abschluß der Kaufverträge gewesen sind, können die Kläger den Schaden, den sie dadurch erlitten haben, daß sie die Umsatzsteuer nachentrichten mußten, gegenüber der Beklagten geltend machen.

Die Einwendungen der Beklagten zur Höhe des vom Landgericht festgestellten Schadens sind jedenfalls teilweise begründet.

1.

Es ist zwar zutreffend, daß die Kläger die Umsatzsteuer, die sie auf die Miete in den früheren Jahren entrichtet haben, hätten zurückfordern können, weil das Finanzamt die Forderungen auf § 14 Abs. 3 UStG nicht hatte stutzen dürfen und auch insoweit eine Klage vor dem Finanzgericht Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Dies hat auch der Sachverständige festgestellt. Der Sachverständige hat aber bei seiner Berechnung nur die Umsatzsteuer aus dem Erwerb und den laufenden Ausgaben berücksichtigt, nicht dagegen die aus der Miete (Bl. 274 d.A.). Dem ist das Landgericht gefolgt und hat als Schaden auch nur den vom Sachverständigen ermittelten Betrag von 78.496,- DM sowie die Aussetzungszinsen von unstreitig 26.091,- DM anerkannt.

2.

Inwieweit der den Klägern entstandene Schaden allerdings dadurch gemindert wird, daß die gezahlte Umsatzsteuer auf die Miete nicht hatte abgeführt werden müssen und insoweit als Einkommen, das wiederum zu versteuern gewesen wäre, den Klägern zugute gekommen wäre, ist eine Frage, die weiterer Beweisaufnahme bedarf.

3.

Deshalb ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon auszugehen, daß der bisher ausgeurteilte Schadenbetrag sich zwar gegebenenfalls weiter ermäßigen, aber nicht insgesamt wegfallen wird.

Da der wesentliche Streit zwischen den Parteien zum Grunde besteht und in vergleichbaren Sachverhalten unterschiedliche Entscheidungen getroffen worden sind (vergl. Verfahren 9 U 110/99 OLG Düsseldorf), hielt es der Senat für zweckmäßig, vorab über den Grund des Anspruch zu entscheiden, um es den Parteien zu ermöglichen, die Frage der grundsätzlichen Haftung höchstrichterlich überprüfen zu lassen, bevor weitere, nicht unerhebliche Kosten durch eine weiteres ergänzendes Gutachten entstehen.

Ende der Entscheidung

Zurück