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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 34 U 149/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 530 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 28. April 1999 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens, werden den Klägern als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beide Parteien können die Sicherheit durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirken.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 20.000,- €, die der Beklagten nicht.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte ist die Nichte der Klägerin zu 2, die gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1, der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 31.März 1992 eine Eigentumswohnung im Wert von 300.000,- DM übertrug. Im Vertrag wurde ein "Kaufpreis" von 53.000, - DM vereinbart, der im Wesentlichen durch Übernahme von Grundpfandrechten und diesen zugrunde liegenden Darlehensverbindlichkeiten zu zahlen war. Ferner verpflichtete sich die Beklagte u.a., den Klägern auf Lebenszeit eine wertgesicherte Monatsrente von 400,- DM zu zahlen; diese Verpflichtung wurde durch eine Reallast gesichert.

Vor Abschluss des notariellen Vertrages hatten die Parteien privatschriftlich vereinbart, dass die Wohnung "nicht an Fremde verkauft" werden dürfe.

Nach einem Familienstreit entzweiten sich die Parteien.

Mit Schreiben des mit dem nachfolgenden Verkauf befassten Notars vom 19. Dezember 1995 teilte die Beklagte den Klägern mit, sie wolle die Wohnung aus finanziellen Gründen verkaufen. Sie bot den Klägern die Zahlung von 75.000, - DM gegen Verzicht auf die Zahlung der vereinbarten Rente und Löschung der Reallast im Grundbuch an. Ehe noch die Kläger widersprachen, veräußerte die Beklagte eine Woche später die Wohnung mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 1995 zum Preis von 155.000,- DM sowie gegen Übernahme der zugunsten der Kläger eingetragenen Reallast nebst der Rentenzahlungsverpflichtung.

Die Kläger widerriefen daraufhin die von ihnen als Schenkung angesehene Zuwendung der Eigentumswohnung wegen groben Undanks unter Hinweis auf die Vereinbarung des Veräußerungsverbotes und forderten einen Schenkungsanteil zurück. Dies lehnte die Beklagte ab.

Der daraufhin von den Klägern erhobenen Klage auf Zahlung von 137.000,- DM hat das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens zum Wert der Eigentumswohnung in Höhe von 81.479,34 DM stattgegeben.

Gegen dieses Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Der Senat hat die Berufung durch Urteil vom 05. 11. 2002, auf das ebenfalls Bezug genommen wird, nach Vernehmung verschiedener Zeugen und nach Einholung eines weiteren Gutachtens zu dem Barwert der Rentenzahlungsverpflichtung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass eine gemischte Schenkung vorgelegen habe mit einem Schenkungsanteil von 124.890,- DM, deren Widerruf wegen groben Undanks gerechtfertigt sei. Der grobe Undank liege in dem Weiterverkauf der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Kläger ihr die Wohnung überlassen hätten, um sie im Familienbesitz zu halten. Die Beklagte hätte vor einer Veräußerung der Wohnung diesen Wunsch der Kläger berücksichtigen und hierüber mit ihnen sprechen müssen, um ihnen so die Gelegenheit zu geben, die Wohnung eventuell zurückzukaufen. Dies gelte selbst dann, wenn die Wohnung, wie die Beklagte behaupte, sich nicht vollständig selbst getragen habe, wobei sich jedoch allenfalls eine geringe Differenz ergebe. Eine Veräußerung der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern zum Zwecke der Kapitalisierung des Wohnungswertes einschließlich des Schenkungsanteils allein zum eigenen Vorteil sei daher grob undankbar.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision hat der BGH zugelassen, das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, wenn sich die Beklagte zumindest subjektiv in einer Zwangslage befunden habe, was nach den Feststellungen des Berufungsurteils nicht auszuschließen sei, die es ihr wirtschaftlich untragbar erscheinen ließ, die Eigentumswohnung zu halten, so sei die Veräußerung der Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern nicht von selbst Ausdruck einer undankbaren Einstellung der Beklagten. Denn eine solche Rücksprache könnte nur den Sinn gehabt haben, die Kläger zu weiteren finanziellen Leistungen, wie z. B. den Rückkauf der Wohnung, zu veranlassen. Wenn die Beklagte es unterlassen habe, mit einem solchen Ansinnen an die Kläger heranzutreten, beruhe das angesichts der entstandenen Zwistigkeiten der Parteien nicht notwendigerweise auf einer undankbaren Einstellung gegenüber den Klägern, sondern könne auch aus Unbeholfenheit oder Scham erfolgt sein.

Die Beklagte hat weiterhin geltend gemacht, die Wohnung aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus veräußert zu haben. Dass über den Verkauf der Wohnung im Vorfeld mit den Klägern nicht gesprochen worden sei, lasse sich mit dem Kontaktabbruch erklären, so seien auch die Erhöhungsverlangen der Kläger für die Rente nur noch schriftlich erfolgt. In dieser Situation habe sie aus Feigheit und Scham kein Gespräch mit den Klägern gesucht, in dem sie diesen ihre wirtschaftlich angespannten Verhältnisse hätte offenbaren und die Kläger um ein finanzielles Entgegenkommen, wie einen Verzicht auf die Rentenzahlungen, hätte ersuchen müssen. Auch ein Rückkauf der Wohnung wäre nach ihrer Einschätzung mit einer erheblichen finanziellen Belastung für die Kläger verbunden gewesen. Aus diesen Überlegungen heraus, sei sie davon ausgegangen, nicht mit einem solchen Ansinnen an die Kläger herantreten zu können. Die Vorstellung, die Kläger durch den Verkauf schädigen zu können, habe sie nicht gehabt, da die Leibrente als Absicherung des Lebensunterhalts der Kläger erhalten blieb.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen vor, eine wirtschaftliche Zwangslage der Beklagten habe es nicht gegeben. Die geschenkte Wohnung sei ein "Selbstläufer" gewesen. Das übrige Familieneinkommen der Beklagten habe ausgereicht, um davon gut leben zu können. Die Beklagte habe die Wohnung verkauft, um an deren Gegenwert zu kommen. Das sei nur durch eine heimliche Veräußerung gegangen. Dies sei auch von vornherein die Absicht der Beklagten gewesen. Mit Feigheit und Scham habe das nichts zu tun. Der Beklagten sei völlig klar gewesen, dass sie damit die Kläger als Schenker, deren eindringlicher Wunsch es war, die Wohnung im Familienbesitz zu halten, in hohem Maße enttäuschte. Den Kaufpreis habe sie an ihren Ehemann weitergegeben zum Erwerb einer Immobilie.

Wenn die Beklagte sich seinerzeit an sie, die Kläger, gewandt hätte, wären sie zu weiteren finanziellen Zugeständnissen bereit gewesen.

Von der Auseinandersetzung anlässlich der Feier zum 50. Geburtstag des Bruders der Klägerin sei die Beklagte, dessen Tochter, nicht betroffen gewesen. Sie, die Kläger, hätten dabei lediglich kundgetan, das Haus des Bruders nicht mehr zu betreten.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Terminsniederschriften.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Die Beklagte ist nicht wegen groben Undanks verpflichtet, den Klägern einen Anteil aus dem Erlös nach dem Verkauf der ihr im Rahmen einer gemischten Schenkung übertragenen Eigentumswohnung zu erstatten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Widerruf einer Schenkung nach § 530 Abs. 1 BGB nicht nur eine objektiv schwere Verfehlung des Beschenkten voraus, sondern erfordert auch, dass die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann (s. statt aller nur BGHZ 145, 35, 38).

Selbst wenn der Verkauf ohne Rücksprache aus Sicht der Kläger als Verfehlung gegen den von ihnen bei der Übertragung zum Ausdruck gebrachten Wunsch, die Wohnung im Familienbesitz zu halten, gewertet wird, so lässt sich aber nicht feststellen, dass der Verkauf auch bei der Beklagten in subjektiver Hinsicht Ausdruck einer undankbaren Gesinnung im Sinne der obigen Definition war. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür obliegt den Klägern.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 05. 11. 2002 dargelegt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte zumindest subjektiv in einer wirtschaftlichen Zwangslage befand, die es ihr wirtschaftlich untragbar erscheinen ließ, die Eigentumswohnung zu behalten. Davon muss auch nach dem nunmehr noch erfolgten ergänzenden Vorbringen der Parteien und den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgegangen werden.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Wohnung letztlich rechnerisch selbst trug, wie die Kläger behaupten und nochmals mit Schriftsatz vom 28. 04. 2005 ausführen oder ob nach den Berechnungen der Beklagten im Schriftsatz vom 07. 06. 2001 eine negative Differenz zwischen den Einnahmen und den Belastungen aus der Wohnung verblieb, die allerdings, worauf der Senat auch schon hingewiesen hatte, nur gering gewesen sein kann.

Entscheidend ist vielmehr die subjektive Sichtweise der Beklagten. Neben der kostenmäßigen Belastung führt sie dazu nunmehr im Schriftsatz vom 29. 04. 2005 noch weitere Gründe an, die ihren Verkaufentschluss mitbestimmt haben, nämlich die Angst vor einer schwierigen Vermietungssituation und vor möglichen Mietausfällen. All das zusammen sind Gesichtspunkte, die durchaus bei ihr zu der Annahme geführt haben können, mit der Wohnung in eine wirtschaftliche Zwangslage geraten zu können, die durch ihr persönliches Einkommen, aber selbst durch das ihres Mannes wie es sich aus der Gesamtlohnbescheinigung für 1994 ergibt, nicht aufgefangen werden könnte, ganz abgesehen davon, dass ihr Mann für die Verpflichtungen aus der Wohnung nicht einstehen musste. Soweit die Kläger nunmehr andere, weit höhere Beträge für die damalige Einkommenssituation der Beklagten und ihrer Familie in den Raum stellen, beruhen diese auf reinen Spekulationen ohne konkrete Belege.

Zu berücksichtigen ist auch noch, dass inzwischen am 26. 08. 1995 eine Tochter geboren war und die Beklagte aus diesem Grund ihre Arbeitsstelle aufgegeben hatte und allenfalls für einen vorübergehenden Zeitraum noch Mutterschaftsgeld erhielt. Außerdem beabsichtigte ihr Mann, eine Eigentumswohnung "A d H" in T im Frühjahr 1996 anstelle der bisherigen Mietwohnung als Wohnsitz für die junge Familie zu erwerben, so dass sein Einkommen für eine mögliche Deckungslücke bei der von den Klägern auf die Beklagte übertragenen Wohnung nicht mehr zur Verfügung stand. Unter diesen Umständen ist es verständlich, wenn die Beklagte Ende 1995 finanzielle Risiken, die aus ihrer Sicht durch die übernommene Wohnung auf sie zukommen konnten, durch einen Verkauf der Wohnung ausschließen wollte. Ein solcher Entschluss ist nachvollziehbar und zeugt nicht von Undankbarkeit gegenüber den Klägern als Schenkern, sondern spricht für ein verantwortungsvolles Handeln gegenüber ihrer Familie.

Als Alternative zu dem Verkauf wären dabei nur finanzielle Zugeständnisse der Kläger in Bezug auf die Wohnung in Betracht gekommen. Angesichts des tief greifenden Zerwürfnisses der Familien anlässlich des 50. Geburtstages des Vaters Anfang 1995, in das natürlich auch die Beklagte auf Seiten ihres Vaters miteinbezogen war - die Kläger tragen selbst nicht konkret vor, mit der Beklagten danach noch freundschaftliche familiäre Kontakte gehabt zu haben - ist die Einlassung der Beklagten, sie habe in dieser Situation nicht an die Kläger herantreten mögen, um sie um finanzielle Leistungen oder Zugeständnisse zu bitten, verständlich. Außerdem kommt hinzu, dass sie dann auch ihre gesamten finanziellen Verhältnisse den Klägern hätte offenbaren müssen. Unter diesen Umständen lässt der Entschluss, die Wohnung ohne Rücksprache mit den Klägern zu veräußern, nicht auf eine undankbare Gesinnung der Beklagten gegenüber den Klägern schließen, zumal der wirtschaftliche Schaden durch die Weiterveräußerung weit unter Wert allein die Beklagte traf, während der Leibrentenanspruch der Kläger in vollem Umfang erhalten blieb.

Auch aus der von der Beklagten geschilderten Verwendung des Verkauferlöses lässt sich keine undankbare Gesinnung ableiten, da das Geld nach den Angaben der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung durchaus sinnvoll verwandt wurde.

Schließlich kann auch die Tatsache, dass die Beklagte nicht selbst mit ihrer Familie in die von den Klägern erhaltene Wohnung in C eingezogen ist, sondern in T blieb, nicht als Indiz für eine undankbare Gesinnung gewertet werden. Denn letztlich musste es ihre freie persönliche Entscheidung bleiben, wo sie und ihr Mann den Mittelpunkt für ihre Familie wählten.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Darstellung der Beklagten zur Motivation für den Verkauf und dessen Durchführung ohne Rücksprache mit den Klägern nur eine vorgeschobene Schutzbehauptung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens sein könnte, bestehen nicht und lassen sich auch nicht mit hinreichender Überzeugung aus dem Vorbringen der Kläger herleiten. Vielmehr erscheint sie, worauf bereits hingewiesen wurde, nachvollziehbar und plausibel.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO einschließlich der Kosten der Revision und auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Der Rechtssache kommt nach der Entscheidung des BGH, mit der das erste Urteil des Senats aufgehoben wurde, keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu; eine nochmalige Entscheidung des Revisionsgerichts in dieser Sache ist danach auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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