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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.06.2008
Aktenzeichen: 34 U 261/07
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 80
InsO §§ 174 ff.
InsO § 178 Abs. 3
InsO §§ 179 ff.
ZPO §§ 174 ff.
ZPO § 322 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 767
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 04. September 2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen der Beklagten werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt nicht 20.000,- €.

Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H GmbH & Co. KG. In dieser Eigenschaft begehrt er von der Beklagten die Erstellung berichtigter Kontoauszüge, welche die dem Girokonto der Schuldnerin in der Zeit zwischen dem 03.04.3006 und dem 31.08.2006 im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens erteilten Belastungsbuchungen ausgleichen sollen. Weiterhin verlangt er die Auskehrung des sich nach Eliminierung dieser Belastungsbuchungen ergebenden Kontoguthabens.

Mit Schreiben vom 16.06.2006 (bei Gericht eingegangen am 20.06.2006) stellte die Schuldnerin beim AG Dortmund Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Per Beschluss des AG Dortmund vom 21.06.2006 -255 IN 72/06- wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Am 21.06.2006 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Schuldnerin, Herrn Dipl.-Ing. T2, und dem Mitarbeiter der Beklagten X statt. In diesem Gespräch kam man überein, dass die am 19.06. und 20.06.2006 im Lastschriftverfahren erfolgten Belastungsbuchungen mangels Kontodeckung rückgängig gemacht werden sollten. Die näheren Einzelheiten und insbesondere die aus diesem Gespräch zu folgernden rechtlichen Konsequenzen sind streitig. Mit Schreiben vom 22.06.2006 forderte der Kläger die Beklagte u. a. auf, mit sofortiger Wirkung das Girokonto der Schuldnerin für Lastschriften zu sperren; gleichzeitig widersprach er vorsorglich sämtlichen bislang nicht genehmigten Belastungsbuchungen im Rahmen des Lastschriftverfahrens.

Mit Beschluss des AG Dortmund vom 01.09.2006 -255 IN 72/06- wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Beklagte hatte der Schuldnerin neben dem Kontokorrentkredit noch ein Immobiliendarlehen gewährt, das über eine Grundschuld an einem Grundstück der Schuldnerin besichert war. Mit Schreiben vom 28.09.2006 meldete die Beklagte ihre Forderungen aus diesen Krediten in einer Höhe von insgesamt 441.738,19 € zur Tabelle an. Davon entfiel ein Teilbetrag von 161.252,12 € auf den angeblichen Sollsaldo des Girokontos der Schuldnerin.

Mit Schreiben vom 16.11.2006 forderte der Kläger die Beklagte erneut auf, das Girokonto um die von ihm gerügten Lastschriftabbuchungen zu korrigieren. Gleichwohl trug er die von der Beklagten angemeldete Forderung "in Höhe des nachzuweisenden Ausfalls" in die Tabelle ein. Das AG Dortmund stellte sodann am 13.12.2006 die Forderung der Beklagten "in voller Höhe für den Ausfall" fest.

Das Grundstück der Schuldnerin wurde bereits verwertet. Ein Teilbetrag des Erlöses von 162.000,- € ist von der Beklagten bis zur Entscheidung dieses Rechtsstreits separiert worden.

Die Parteien streiten nun darum, ob der Klage bereits die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO entgegensteht und -falls nicht- ob die von der Beklagten vor dem 19.06.2006 vorgenommenen Lastschriftbelastungen genehmigt worden sind oder nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Parteivorbringens sowie der Anträge in I. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da ihr das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtskraft entgegenstehe. Der Kläger wende sich gegen eine Forderung, die gem. § 178 Abs. 3 InsO rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Umstand, dass die Forderung lediglich als Ausfallforderung festgestellt worden sei, habe auf die Rechtskraftwirkung keinen Einfluss.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er macht geltend, die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO könne der Zulässigkeit der Klage schon deshalb nicht entgegenstehen, weil zwei verschiedene Streitgegenstände vorlägen. Mit seiner Klage verlange er nur Auskunft und Zahlung, begehre aber nicht die Feststellung, dass der Beklagten keine Forderung gegen die Schuldnerin mehr zustehe.

Dieser -vom Landgericht verkannte Punkt- könne aber letztlich dahinstehen, weil die Feststellung der Forderung der Beklagten zur Insolvenztabelle unwirksam gewesen sei und schon deshalb keine Rechtswirkungen entfalten könne. Insoweit habe das Landgericht übersehen, dass die Feststellung evident insolvenzzweckwidrig, dies für die Beklagte auch erkennbar gewesen sei und deshalb die Rechtsfolgen des § 178 Abs. 3 InsO nicht habe auslösen können. Er habe der von der Beklagten angemeldeten Forderung nur irrtümlich nicht widersprochen.

Die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen eines Insolvenzverwalters wegen Insolvenzzweckwidrigkeit beurteile sich grundsätzlich in Anlehnung an die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht. Handlungen des Verwalters seien demnach unwirksam, wenn sie evident insolvenzzweckwidrig seien und sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalles ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten (BGHZ 150, 353, 360 f.). Nach der Entscheidung BGHZ 161, 49, 55 sei es dementsprechend insolvenzzweckwidrig, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren genehmige. Für die von ihm irrtümlich festgestellte Forderung könne nichts anderes gelten, da die Beklagte bei ihrer Berechnung auch Belastungsbuchungen auf dem Kontokorrentkonto der Schuldnerin in Höhe von ca. 184.000,- € einbezogen habe, die aufgrund des im Insolvenzantragverfahren durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgesprochenen Widerspruchs unwirksam gewesen seien. Hierdurch werde die Aktivmasse erheblich verkürzt und die Passiva würden entsprechend erhöht. Den übrigen Gläubigern stehe nur eine verringerte Aktivmasse zur Verfügung, die sie zudem noch mit der Beklagten wegen deren unberechtigter Forderung teilen müssten. Dass dieses Ergebnis insolvenzzweckwidrig sei, sei evident. Er habe in seiner damaligen Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter bereits mit Schreiben vom 22.06.2006 (Bl. 25 ff. d. A.) gegenüber der Beklagten sämtlichen im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens erteilten Belastungsbuchungen widersprochen. Mit Schreiben vom 16.11.2006 (Bl. 28 f. d. A.) habe er die Beklagte darauf hingewiesen, dass die dem Girokonto der Schuldnerin erteilten Belastungsbuchungen aufgrund seines Widerspruches unwirksam seien; zugleich habe er die Beklagte aufgefordert, ihm entsprechend berichtigte Kontoauszüge zu erteilen und das sich danach ergebende Guthaben an ihn auszuzahlen. Daraus sei für die Beklagte deutlich zu erkennen gewesen, dass er die -diese Belastungsbuchungen beinhaltenden- Forderungen der Beklagten nicht widerspruchslos zur Insolvenztabelle anerkennen wollte und dass die von ihm dann gleichwohl vorgenommene Feststellung nur auf einem Irrtum beruhen konnte.

Die Beklagte sei daher verpflichtet, das Konto der Schuldnerin unter Eliminierung der widersprochenen Belastungsbuchungen neu abzurechnen und das sich danach ergebende Guthaben an ihn auszukehren.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen,

1.

dem Kläger für das durch die H GmbH u. Co. KG bei ihr ehemals unterhaltene Girokonto mit der Konto-Nr.: ############ berichtigte Kontoauszüge zu erteilen, welche die dem Girokonto in der Zeit zwischen dem 03.04.2006 und dem 31.08.2006 im Wege des Lastschrifteinzugsermächtigungsverfahrens erteilten Belastungsbuchungen ausgleichen;

2.

dem Kläger das Guthaben zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 auszukehren, das sich nach Berichtigung der Kontoauszüge gemäß Ziffer 1.) auf dem Girokonto der H GmbH u. Co. KG mit der Konto-Nr.: 108 188 500 ergibt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Streithelferinnen der Beklagten schließen sich diesem Antrag an.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Dazu führt sie aus, das Landgericht habe die Klage zu Recht wegen der entgegenstehenden Rechtskraftwirkung aus § 178 Abs. 3 InsO als unzulässig abgewiesen.

Es liege ein einheitlicher Streitgegenstand vor. Durch die Feststellung der Forderung der Beklagten sei zugleich im Umkehrschluss auch festgestellt, dass ein Rückbuchungsanspruch des Klägers wegen eines vermeintlichen Widerspruchs gegen die Lastschriften nicht bestehe. Das kontradiktorische Gegenteil werde nach allgemeiner Ansicht zu § 322 Abs. 1 ZPO aber von der Rechtskraftwirkung der vorhergehenden Feststellung ebenfalls umfasst. Eine einmal vom Insolvenzverwalter wirksam festgestellte Forderung könne daher nur mit den Mitteln des § 767 ZPO bekämpft werden.

Der Einwand des Klägers, die Feststellung sei irrtümlich von ihm vorgenommen worden, evident insolvenzzweckwidrig und damit unwirksam, sei zum einen gem. § 531 Abs. 2 ZPO unzulässig und treffe zum anderen auch in der Sache nicht zu.

Eine evidente Insolvenzzweckwidrigkeit liege bereits nicht vor.

Die Streithelferinnen schließen sich im wesentlichen der Argumentation der Beklagten an. Sie weisen zudem darauf hin, dass aufgrund der Besonderheiten der ihnen gegen die Schuldnerin zustehenden Forderungen in diesen Einzelfällen von einer konkludenten Genehmigung der jeweiligen Lastschriftabbuchung auszugehen bzw. dass die vom Kläger angeführte Höhe der zu ihren Gunsten erfolgten Abbuchungen zu hoch bemessen sei sowie dass der Widerspruch des Klägers vom 22.06.2006 nur hinsichtlich der Buchungen ab dem 11.05.2006 fristgerecht gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien und den Streithelferinnen der Beklagten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig; sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen, da der erhobenen Klage der Einwand der anderweitigen Rechtskraft entgegensteht und sie somit unzulässig ist.

1.

Nachdem die Parteien zuvor darum gestritten haben, ob eine Insolvenzforderung der Beklagten in Höhe von 441.738,19 € besteht oder ob der Kläger den auf dem Konto der Schuldnerin vorgenommenen Lastschriftabbuchungen wirksam widersprochen bzw. diesen die Genehmigung versagt hat, hat der Kläger die von der Beklagten mit Schreiben vom 28.09.2006 (Bl. 74 f. d. A.) angemeldeten Forderungen über insgesamt 441.738,19 € gleichwohl nicht bestritten. Daraufhin wurde diese Forderung, in der der hier im Streit stehende Saldo des Girokontos der Schuldnerin mit 161.252,12 € eingestellt war, am 13.12.2006 vom Amtsgericht in voller Höhe "für den Ausfall" festgestellt (Bl. 76 d. A.).

2.

Das hat -worauf auch das Landgericht seine angefochtene Entscheidung gestützt hat- grundsätzlich gemäß § 178 Abs. 3 InsO zur Konsequenz, dass die Eintragung in die Tabelle für die festgestellte Forderung ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirkt. Dieser Rechtskraftwirkung setzt der Kläger nun mit der Berufung im wesentlichen zwei Argumente entgegen:

Zum einen handele es sich bei der festgestellten Forderung und den von ihm geltend gemachten Ansprüchen nicht um identische Streitgegenstände; zum anderen sei die von ihm vorgenommene Anerkennung der Forderung der Beklagten für diese erkennbar insolvenzzweckwidrig gewesen, so dass die Feststellung zur Tabelle unwirksam sei.

a)

Zunächst ist unzweifelhaft von identischen Streitgegenständen auszugehen. Denn mit der Feststellung der Forderung des Geschäftsgirokontos ist zugleich negativ festgestellt, dass ein Rückbuchungsanspruch des Klägers wegen des Widerspruchs gegen die Lastschriften nicht besteht. Dieser Anspruch stellt genau das kontradiktorische Gegenteil dessen dar, was nach § 178 Abs. 3 InsO festgestellt ist. Die Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 1 ZPO würde daher grundsätzlich auch den hier vom Kläger geltend gemachten Anspruch erfassen.

b)

Seinen Einwand, einer vollen Rechtskraftwirkung stehe die Beschränkung der Feststellung "nur für den Ausfall" entgegen, wiederholt der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr. Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur misst diesem Zusatz insoweit auch keine einschränkende Wirkung zu (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung,2. Auflage 2008, § 178 Rdnr. 64; BGH WM 1957, 1225; BGH WM 1961, 427), wie das Landgericht zutreffend erkannt hat.

c)

Mit seinem nun erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen weiteren Einwand, die Feststellung der Forderung der Beklagten zur Tabelle sei evident insolvenzzweckwidrig und daher unwirksam, ist der Kläger zwar nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert. Es handelt sich lediglich um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt, den der Kläger hier anspricht. Die dem zugrundeliegenden relevanten Tatsachen sind schon in erster Instanz vorgetragen worden und zudem im wesentlichen unstreitig.

d)

Der Kläger hat mit dieser Argumentation aber in der Sache keinen Erfolg.

Um das Spannungsverhältnis zwischen der Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO und der anhand der Grenzen des Handlungsspielraums des Insolvenzverwalters aus § 80 InsO entwickelten Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Handlungen zutreffend auflösen zu können, ist der Verfahrensgang bis zu einer Tabelleneintragung einer Forderung nach §§ 174 ff. InsO zu betrachten und zu würdigen.

Die Insolvenzforderung wird zunächst vom Gläubiger angemeldet. Der Verwalter nimmt die angemeldeten Forderungen in eine Tabelle auf. Diese Tabelle wird beim Insolvenzgericht zur Einsichtnahme der Beteiligten ausgelegt. Sodann wird ein Prüfungstermin durchgeführt, in dem Widersprüche gegen die einzelnen Forderungen erhoben werden können. Das Ergebnis dieses Prüfungstermins wird dann vom Insolvenzgericht (vom Rechtspfleger) in die (endgültige) Tabelle eingetragen.

Der entscheidende Punkt ist dabei, dass nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur erst dieser gerichtlichen Eintragung der Forderungsfeststellung in die Tabelle die Urteilswirkung des § 178 Abs. 3 InsO zukommt und nicht schon der Feststellung der Forderung als solcher, also dem Nichtbestreiten durch den Insolvenzverwalter im Prüfungstermin. Erst dem gerichtlichen Tabelleneintrag kommt mithin konstitutive Wirkung zu (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2 Auflage 2008, § 178 Rdnrn. 56 - 58 m. w. N.). An diesem konstituierenden und die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO herbeiführenden Teilakt hat der Kläger daher schon nicht mehr mitgewirkt, so dass er insoweit gar nicht mehr insolvenzzweckwidrig handeln konnte. Schon dieser Umstand spricht bereits gegen ein Durchgreifen des von ihm erhobenen Einwandes.

Dass ein vorhergehendes insolvenzzweckwidriges Handeln des Klägers (durch Nichtbestreiten der Forderung im Prüfungstermin) aus diesem Grund auf die Rechtskraftwirkung keinen Einfluss mehr haben kann, wird weiter deutlich, wenn man die Parallelen zum Urteilsverfahren zieht. Dabei ist eine Vergleichbarkeit der beiden Verfahren durchaus gegeben. Hier wie dort wird das Ergebnis einer zuvor durchgeführten Verhandlung durch einen abschließenden hoheitlichen Akt des Gerichtes festgestellt. Auch im Urteilsverfahren steht es der Rechtskraftwirkung aber nicht entgegen, wenn die austenorierte Forderung tatsächlich nicht besteht, etwa weil der Beklagte sie nicht oder nicht hinreichend bestritten hat. Diese Konstellation ist dem hier zu beurteilenden Sachverhalt durchaus gleichzusetzen. Denn auch hier hat es der Kläger irrtümlich unterlassen, die Forderung zu bestreiten.

Etwas anderes gilt im Urteilsverfahren nur, wenn ein sogenanntes "Schein- oder Nichturteil" vorliegt oder eine Entscheidung, die eine offenbar gesetzes- oder sittenwidrige Verpflichtung ausspricht. Eine vergleichbare Fallgruppe, in der eine Rechtskraftwirkung nicht eintritt, ist auch für den Anwendungsbereich des § 178 Abs. 3 InsO entwickelt worden. So versagt die herrschende Meinung solchen Forderungen die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 ZPO, die schon wegen ihrer Rechtsnatur nicht nach §§ 174 ff. ZPO zur Tabelle anmeldbar, mithin keine Insolvenzforderungen sind, gleichwohl aber eingetragen wurden (etwa Masseverbindlichkeiten, Aus- und Absonderungsrechte - vgl. Braun, Insolvenzordnung, 2. Auflage 2004, § 178 Rdnr. 24; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung § 178 Rdnr. 65 ff.). Bei der von der Beklagten angemeldeten Forderung handelt es sich jedoch gerade um eine typische, zur Tabelle anmeldbare Insolvenzforderung.

e)

In der Kommentarliteratur wird daher auch einhellig davon ausgegangen, dass gegen die Eintragung festgestellter (echter) Insolvenzforderungen in die Tabelle nur diejenigen Rechtsbehelfe einschlägig sind, die auch gegen ein rechtskräftiges Urteil gegeben wären (etwa §§ 767, 578 ff. ZPO, 826 BGB - vgl. nur: Braun, InsO, § 178 Rdnr. 25).

Bereits aus diesen Gründen steht der erhobenen Klage der Einwand der anderweitigen Rechtskraft der Forderung der Beklagten entgegen.

3.

Hinzu kommt, dass hier ein für die Beklagte evident erkennbares insolvenzzweckwidriges Handeln des Klägers nicht gegeben war.

a)

Insolvenzzweckwidrig und infolgedessen unwirksam sind solche Handlungen des Verwalters, die dem Insolvenzzweck offenbar zuwiderlaufen und bei denen dieser Verstoß unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Betrachter offensichtlich ist (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage 2003, § 80 Rdnr. 101; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 80 Rdnrn. 61 f. unter Hinweis auf die st. Rspr. des BGH - vgl. nur BGH NJW 1994, 323, 326). Als typische Beispiele werden insoweit angeführt:

Schenkungen aus der Masse; Anerkennung nicht bestehender Aus- und Absonderungsrechte; grundlose Anerkennung von Aufrechnungsbefugnissen; Anerkennung einer Insolvenzforderung als Masseschuld etc. (Uhlenbruck, § 80 Rdnr. 103 m. w. N). Es muss sich mithin um objektiv schwerwiegende Verstöße des Verwalters gegen seine durch den Insolvenzzweck begrenzte Handlungsbefugnis handeln (Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 2. Auflage 2007, § 80 Rdnr. 21 m. w. N.).

Ob hier ein solch schwerwiegender Verstoß in dem Unterlassen des Bestreitens einer Insolvenzforderung überhaupt gesehen werden kann, ist schon fraglich. Denn dem Insolvenzverwalter ist bei seinen Entscheidungen auch ein gewisser Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu belassen; die Einschätzung der Zweckmäßigkeit seines Vorgehens ist Kern der Verwalterautonomie (Jaeger, Insolvenzordnung, 2007, § 80 Rdnr. 259). Dem Verwalter muss daher auch bei der Entscheidung, ob er eine Forderung bestreitet oder nicht, ein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Er muss sich so entscheiden können, dass ein für die Masse möglichst positives Ergebnis erzielt wird. So kann es durchaus sinnvoll sein, eine durch Vermögensbestandteile der Schuldnerin besicherte Forderung zu bestreiten, um so die Sicherungsrechte frei zu bekommen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass in Folge einer Unwirksamkeit der Anerkennung der Forderung der Beklagten diese Rückgriff auf die Lastschriftgläubiger nehmen würde, so dass dann diesen Gläubigern Insolvenzforderungen in insgesamt gleicher Höhe erwachsen würden.

Das - nach seiner eigenen Darstellung irrtumsbedingte- Unterlassen des Bestreitens der Forderung der Beklagten kann daher durchaus noch als eine im Rahmen des Zweckmäßigkeitsspielraums -und damit nicht insolvenzzweckwidrige- Handlung des Klägers angesehen werden.

b)

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, liegt eine Unwirksamkeit dieser Handlung des Klägers jedenfalls deshalb nicht vor, weil eine etwaige Insolvenzzweckwidrigkeit seiner Vorgehensweise für die Beklagte nicht evident erkennbar war, was weitere unerlässliche Voraussetzung für eine Unwirksamkeit ist (vgl. Braun, InsO, § 80 Rdnr. 34).

Zwischen den Parteien war streitig, ob die Forderung der Beklagten bestand oder ob infolge des "Widerspruchs" des Klägers vom 22.06.2006 (Bl. 25 ff. d. A.) die Lastschriften rückabzuwickeln waren mit der Folge, dass sich ein Negativsaldo auf dem Konto der Schuldnerin nicht ergeben hätte. Allein dieser Streit hinderte die Beklagte jedoch nicht, ihre vermeintliche Forderung anzumelden. Aus §§ 179 ff. InsO ergibt sich, dass die Gläubiger die Feststellung bestrittener Forderungen klageweise betreiben können. Dem ist zu entnehmen (arg. a maiore ad minus), dass sie (zuvor) streitige Forderungen überhaupt erst einmal anmelden können und dürfen. Die Beklagte musste daher zur Wahrung ihrer Rechte die im Streit stehende Forderung anmelden.

Dass im Prüfungstermin dann ein (weiteres und für die Tabelleneintragung maßgebliches) Bestreiten des Klägers nicht erfolgt ist, musste die Beklagte nicht als irrtumsbedingte und evident insolvenzzweckwidrige Handlung erkennen. Sie konnte annehmen, dass der Kläger auf einen weiteren Streit um diese Forderung verzichten wollte, weil letztlich dann doch nur andere Gläubiger infolge der Rückabwicklung der Lastschriften Forderungen gegen die Schuldnerin erhoben hätten. Denkbar war für sie auch, dass der Kläger nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer T2 der Schuldnerin zu dem Schluss gelangt war, dass die im Streit stehenden Lastschriftabbuchungen von diesem für die Schuldnerin genehmigt worden waren und der Kläger deshalb ihre Forderung nicht länger bestreiten wollte. Auch ein Vergleichsschluss eines Verwalters über eine Insolvenzforderung bei einer zweifelhaften Rechtslage, die hier in Bezug auf die Frage der Genehmigung der Lastschriftabbuchungen sicher gegeben war, wird nicht als offensichtlich insolvenzzweckwidrig, sondern als im Rahmen der Zweckmäßigkeitserwägungen zulässig angesehen (Uhlenbruck,§ 80 Rdnr. 101 a. E.).

Eine anderweitige Betrachtungsweise liefe demgegenüber auf eine Inversion der Pflichtenkreise hinaus. Denn dann würde man im Ergebnis die Prüfpflicht des Klägers der Beklagten auferlegen und von dieser eine größere Sorgfalt und bessere Kenntnis von den für das Insolvenzverfahren relevanten Umständen und Erwägungen verlangen als von dem gerichtlich mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betrauten Kläger. Das Risiko des dem Kläger angeblich unterlaufenen Irrtums würde damit auf die Beklagte verlagert, wofür keine anerkennenswerten Gründe ersichtlich sind.

Eine Unwirksamkeit der Anerkennung der Forderung der Beklagten zur Insolvenztabelle scheitert daher jedenfalls daran, dass die nach Auffassung des Klägers gegebene Insolvenzzweckwidrigkeit seines Handelns für die Beklagte nicht offensichtlich erkennbar war. Die Tabellenfeststellung ist damit wirksam erfolgt, so dass der Zulässigkeit der Klage die Rechtskraftwirkung des § 178 Abs. 3 InsO entgegensteht und die Berufung des Klägers folglich zurückzuweisen ist.

Da die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von streitigen Rechtsfragen, sondern von den hier zugrunde zu legenden tatsächlichen Umständen des Einzelfalles abhing, liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung der Revision nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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