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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 34 U 68/08
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 2
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 422
BGB § 488 Abs. 1 S. 2
BGB § 490
BGB § 490 Abs. 1
BGB §§ 491 - 504
VerbrKrG § 11
VerbrKrG § 11 Abs. 3
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 03. Juli 2008 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, das diese gemeinsam mit Ihrem damaligen Ehemann mit Vertrag vom 15.02.2002 aufgenommen hat. Der Nettokredit betrug 21.000,- €; der Gesamtbetrag bei einem Zinssatz von 11,5 % belief sich auf 35.850,- €. Die Rückzahlung sollte in 120 Monatsraten á 298,75 € erfolgen. Diese Monatsraten wurden von Beginn an nur unregelmäßig gezahlt. Ab September 2006 blieben die Zahlungen gänzlich aus.

Die Klägerin versandte daraufhin unter dem 30.01.2007 qualifizierte Mahnschreiben und unter dem 01.03.2007 Kündigungen zum 15.03.2007 an beide Eheleute. Während der Ehemann den Kündigungssaldo von 17.566,01 € gegen sich titulieren ließ, legte die Beklagte gegen den gegen sie gerichteten und ihr am 18.05.2007 zugestellten Mahnbescheid vom 15.05.2007 Widerspruch ein.

Sie verteidigt sich gegen die Forderung der Klägerin mit der Behauptung, dass ihr weder das Mahnschreiben vom 31.01.2007 noch die Kündigung vom 01.03.2007 zugegangen seien, so dass eine einheitliche und zeitgleiche und damit wirksame Kündigung des Darlehensvertrages gegenüber beiden Gesamtschuldnern nicht gegeben sei. Überdies sei ihre Mitverpflichtung aus dem Darlehensvertrag vom 15.02.2002 sittenwidrig und damit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie daraus krass finanziell überfordert werde. Der Kredit sei ausschließlich für Zwecke ihres Ehemannes verwandt worden; es seien Altschulden ihres Ehemannes damit abgelöst worden. Ihr Ehemann habe ihr gesagt, dass sie nach den Gesetzen der BRD als Ehefrau den Vertrag mit unterschreiben müsse. Sie habe dem mit der Mitarbeiterin der Klägerin geführten Gespräch nicht folgen können, da sie der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Parteivorbringens sowie der Anträge in I. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und sie nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zur Rückzahlung der Darlehensvaluta an die Klägerin verpflichtet angesehen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Darlehensvertrag vom 15.02.2002 sei zwischen den Parteien wirksam geschlossen worden. Dabei komme es nicht auf die angeblich fehlenden Sprachkenntnisse der Beklagten und auch nicht darauf an, ob die Beklagte den Inhalt des Vertrages zur Kenntnis genommen habe. Denn für den Abschluss des Vertrages sei nicht der subjektive Erklärungswille der einen Partei entscheidend, sondern wie der Erklärungsempfänger deren Willenserklärung verstehen konnte und durfte.

Anfechtungsgründe würden der Beklagten nicht zur Seite stehen. Ein Erklärungsirrtum sei schon deshalb ausgeschlossen, weil sich die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen über den Inhalt der Erklärung überhaupt keine Gedanken gemacht, ihn nicht einmal gekannt habe und mit der Unterzeichnung nur der Aufforderung ihres Ehemannes gefolgt sein wolle. Von dessen unzutreffenden Erklärungen gegenüber der Beklagten habe die Klägerin nichts gewusst (§ 123 Abs. 2 BGB).

Auch ein Verstoß gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB sei nicht ersichtlich. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe die Klägerin die Beklagte neben deren Ehemann als Mitdarlehensnehmerin ansehen müssen. Das Darlehen habe erkennbar dem Zweck der wirtschaftlichen Erhaltung von Ehe und Familie gedient.

Die Kammer halte auch weiter daran fest, dass der Darlehensvertrag seitens der Klägerin spätestens mit Zustellung des Mahnbescheides an die Beklagte dieser gegenüber wirksam gekündigt worden sei, und vermöge nach wie vor der Auffassung des OLG Hamm, die Rechtsverteidigung der Beklagten habe eine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt, nicht beizutreten. Dabei sei davon auszugehen, dass beiden Darlehensnehmern gegenüber die Kündigungen zeitgleich ausgesprochen worden seien. Der Begriff "zeitgleich" könne nicht so ausgelegt werden, dass darunter ein sekundengenauer gleichzeitiger Zugang der Kündigungen zu verstehen sei. Denn dann wäre eine wirksame Kündigung praktisch kaum zu bewerkstelligen. Schon unterschiedliche Postlaufzeiten oder eine falsche Adressierung könnten dann eine Gleichzeitigkeit vereiteln und dem Zufall wäre Tür und Tor geöffnet. Es handele sich bei dem Terminus "zeitgleich" vielmehr um einen Rechtsbegriff, der der vom BGH gewählten Formulierung der Einheitlichkeit entspreche. Ausreichend sei es danach jedenfalls, wenn der Vertrag in einem angemessenen Zeitraum allen Darlehensnehmern gegenüber gekündigt worden sei.

Das sei hier zweifelsfrei zu bejahen. Denn der unterschiedliche Kündigungszeitpunkt erkläre sich nicht aus einem abweichenden Vorgehen der Klägerin, sondern aus dessen unterschiedlichen Folgen. An beide Darlehensnehmer sei eine auf den 01.03.2007 datierende qualifizierte Mahnung übersandt worden. Während der Ehemann die gegen ihn gerichteten Ansprüche habe titulieren lassen, bestreite die Beklagte den Zugang von Mahnung und Kündigung. Dieser Kontext lasse das Vorgehen der Klägerin als zeitgleich erscheinen. Die Kammer bleibe daher bei ihrer Auffassung, dass die Klägerin ihr Recht zur Kündigung gegenüber der Beklagten nicht dadurch eingebüßt habe, dass sie schon zuvor ihr Vertragsverhältnis mit dem früheren Ehemann der Beklagten beendet und gegen diesen einen Titel erwirkt habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Dazu führt sie aus, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei ein Verstoß gegen die guten Sitten gegeben. Sie habe in der Türkei lediglich die Mittelschule abgeschlossen und keinen Beruf erlernt. Am 16.09.1992 habe sie mit 17 Jahren in der Türkei geheiratet und sei dann 1993 in die BRD eingereist. Ihre Kinder seien 1995, 1997 und 2002 geboren worden. Zwischendurch habe sie immer nur geringfügige Putzbeschäftigungen ausgeübt. Ihr Ehemann habe sehr viel Alkohol getrunken und Geld an Automaten verspielt, so dass es zu finanziellen Problemen gekommen sei. Er habe ihr dann von einer Kontenpfändung berichtet. Dieses Konto bei der Sparkasse E habe lediglich ihr Ehemann geführt; sie habe keine Vollmacht über dieses Konto gehabt. Über die Höhe der Schulden könne sie daher nichts sagen. Der hier in Rede stehende Kreditvertrag vom 15.02.2002 habe dann zur Aufhebung dieser Pfändung geführt. Vor der Kreditaufnahme habe ihr Ehemann gesagt, sie müsse als Ehefrau den Darlehensvertrag mit unterzeichnen; das sei in der BRD gesetzlich vorgeschrieben. In der Filiale der Klägerin sei mit ihr kein Gespräch geführt worden. Dazu sei sie im übrigen auch nicht in der Lage, da sie die deutsche Sprache nur unzureichend beherrsche. Sie habe den Darlehensvertrag im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben ihres Ehemannes unterzeichnet. In dem im Zusammenhang mit der Scheidung (11.09.2006) geführten Unterhaltsverfahren habe ihr Ehemann erklärt, dass er den Kredit weiter bediene. Dementsprechend seien die Raten auch unterhaltsmindernd berücksichtigt worden.

Von der Forderung der Klägerin habe sie erstmals durch ein Schreiben eines Inkassounternehmens vom 18.04.2007 erfahren. Zuvor habe sie weder Kontoauszüge noch eine Mahnung oder Kündigung erhalten. Die Klägerin habe einen Zugang solcher Schreiben nicht nachgewiesen, ebenso wenig den Zugang einer Kündigung vom 01.03.2007 an ihren Ehemann.

Sie habe folglich den Darlehensvertrag nur aus emotionaler Verbundenheit unterzeichnet und werde durch die daraus resultierenden Forderungen finanziell krass überfordert. Nach der Rechtsprechung des BGH sei daher ihre Mithaftungserklärung gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Sie habe auch kein eigenes Interesse an der Kreditaufnahme gehabt und könne daher nicht als echte Mitdarlehensnehmerin angesehen werden. Unstreitig sei mit einem Teil der Darlehensvaluta ein alleine auf den Namen des Ehemannes laufender Vorkredit bei der Sparkasse E abgelöst worden. Über den Restbetrag habe -ebenfalls unstreitig- lediglich ihr Ehemann verfügt. Für die Familie sei das aufgenommene Geld nicht verbraucht worden. Da sie somit über ihre finanzielle Leistungsfähigkeit hinaus einen Vorkredit ihres Ehemannes übernommen habe, sei widerleglich zu vermuten, dass sie diese Haftung allein aus emotionaler Verbundenheit übernommen habe.

Weiterhin sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass das Darlehen zeitgleich gegenüber ihr und ihrem geschiedenen Ehemann gekündigt worden sei. Daran ändere auch die Zustellung des Mahnbescheides nichts. Die Klägerin hätte vielmehr die Kündigung gegenüber ihrem Ehemann wiederholen und gegenüber ihr selbst erstmals wirksam aussprechen können und müssen. Eine zeitgleiche Kündigung gegenüber beiden Gesamtschuldnern sei auch unabdingbar, weil sich die einheitliche Forderung der Kreditgeberin hinsichtlich des jeweiligen Gesamtschuldners sonst unterschiedlich entwickeln würde und im Falle weiterer Leistungen durch einen der Gesamtschuldner § 422 BGB ins Leere laufen würde (was weiter ausgeführt wird). So sei in dem Schreiben des Inkassounternehmens vom 18.04.2007 ein Forderungsbetrag von 17.690,00 € nebst Zinsen genannt, während in dem ihr am 18.05.2007 zugestellten Mahnbescheid ein Betrag von 17.566,01 € aufgeführt sei. Das Darlehen sei daher noch nicht wirksam gekündigt, so dass die Klage abzuweisen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Dazu führt sie aus, das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass gegenüber beiden Gesamtschuldnern zeitnah und damit wirksam gekündigt worden sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Beklagte die Kündigung vom 01.03.2007 nicht erreicht habe, stelle jedenfalls die Zustellung des Mahnbescheides am 18.05.2007 ebenso wie die Zustellung einer Klage eine wirksame Kündigung des Darlehens dar. Zwischen der Kündigung gegenüber dem Ehemann vom 01.03.2007 und dieser Kündigung durch den Mahnbescheid würden mithin gerade einmal zweieinhalb Monate liegen. Das Urteil des BGH vom 09.07.2002 -XI ZR 323/01- (NJW 2002, 2866) spreche auch nicht von einer "zeitgleichen", sondern lediglich von einer "einheitlichen" Kündigung. Eine solche Einheitlichkeit sei hier aber gegeben: gegenüber beiden Schuldnern werde derselbe Forderungssaldo von 17.566,01 € geltend gemacht. Im vorgenannten vom BGH zu entscheidenden Fall sei die Kündigung hingegen nur gegenüber einem der Gesamtschuldner ausgesprochen und der Darlehensvertrag gegenüber dem anderen fortgesetzt worden, was hier ebenfalls nicht der Fall sei. Selbst wenn man darüber hinaus mit dem 31. Zivilsenat des OLG Hamm (NJW-RR 2000, 714) eine zeitgleiche Kündigung fordern wolle, wäre auch diese Voraussetzung hier erfüllt. Denn die zeitliche Distanz zwischen beiden Kündigungen betrage nur zweieinhalb Monate und die Forderung werde gegenüber beiden Schuldnern in gleicher Höhe geltend gemacht.

Es liege auch keine sittenwidrige Überforderung der Beklagten vor.

Die Klägerin habe von den Angaben ausgehen müssen, die die Beklagte und ihr damaliger Ehemann im Darlehensvertrag gemacht hätten. Danach seien beide Eheleute erwerbstätig gewesen. Die rechtlich ohnehin nicht relevante Familiengeschichte sei ihr nicht bekannt gewesen. Die monatliche Annuitätsrate habe sich auf 298,75 DM belaufen und damit auf einen Betrag, den die Beklagte von ihrem damaligen Verdienst von 600,- DM hätte tragen können. Die Beklagte habe auch mit der zuständigen Kreditsachbearbeiterin die Gründe der Darlehensaufnahme erörtert und aktiv an diesem in deutscher Sprache geführten Gespräch teilgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.

Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB aus dem Darlehensvertrag vom 15.02.2002 an die Klägerin 17.566,01 € nebst Zinsen zu zahlen hat.

I.

Die Beklagte ist als echte Mitdarlehensnehmerin aus diesem Kreditvertrag wirksam zur Rückzahlung der Darlehensvaluta verpflichtet.

1.

Wie das Landgericht zutreffend ausführt, spielt es insoweit keine Rolle, ob die Beklagte den Inhalt des Vertrages wegen mangelnder Sprachkenntnisse verstanden oder überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, ist an die darin enthaltene Erklärung gebunden; ein Anfechtungsrecht steht ihm nicht zu. Das gilt auch für Analphabeten und der deutschen Sprache nicht mächtige Personen (Palandt-Heinrichs/Ellenberger, 67. Aufl. 2008, § 119 Rdnr. 9 m. w. N.). Ohnehin wird von der Beklagten noch nicht einmal vorgetragen, dass sie sich über den Inhalt des Vertrages irgendeine abweichende Vorstellung gemacht und/oder dass sie ihre angeblich mangelnden Sprachkenntnisse der Klägerin gegenüber kundgetan hätte.

2.

Soweit der damalige Ehemann der Beklagten ihr gesagt haben sollte, sie müsse als Ehefrau den Vertrag nach den Gesetzen in der BRD mit unterzeichnen, muss sich die Klägerin eine solche etwaige Erklärung nicht zurechnen lassen; § 123 Abs. 2 BGB. Insoweit ist ebenfalls nicht dargelegt, dass der Klägerin eine derartige Täuschung des Ehemannes bekannt gewesen wäre und sie diese gebilligt hätte.

3.

Die Mitverpflichtung der Beklagten ist auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten unter dem Gesichtspunkt nichtig, dass die Beklagte aus dem Vertrag krass finanziell überfordert würde. Denn die Beklagte ist als echte Mitdarlehensnehmerin anzusehen, so dass es auf ihre persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ankommt.

Die Frage, ob eine Mitdarlehensnehmerstellung oder lediglich eine einseitige Mithaftung eines Ehegatten vorliegt, bestimmt sich ausschließlich nach den für die Bank erkennbaren Verhältnissen (BGH NJW 2002, 2705).

Zutreffend ist das Landgericht insoweit davon ausgegangen, die Klägerin habe aus den Umständen der Darlehensaufnahme darauf schließen dürfen, dass das Darlehen dem Zweck der wirtschaftlichen Erhaltung von Ehe und Familie zu dienen bestimmt war und somit die Beklagte ein eigenes persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hatte. Denn von der in diesem Punkt darlegungspflichtigen Beklagten ist nicht dargetan, dass mit den Darlehensvaluta überwiegend ein Vorkredit des Ehemannes abgelöst worden ist. Dazu trägt die Beklagte noch nicht einmal vor, wie sich die Schuld durch alleinige Verfügungen des Ehemannes entwickelt hat, in welcher Höhe dieser angebliche Kredit bzw. die angeblichen Verbindlichkeiten bestanden haben sowie bei welcher Bank und unter welcher Konto-Nummer sie geführt wurden. Ein etwaiger Zahlungsweg ist ebenfalls nicht nachgewiesen; auch im Darlehensvertrag selbst ist ein entsprechender Verwendungszweck nicht aufgeführt. Zu einer Kenntnis der Klägerin von einer Umschuldung wird ebenfalls nichts vorgetragen. Dass eine Altverbindlichkeit allein des Ehemannes abgelöst wurde, ist auch nicht unstreitig, wie die Beklagte meint. Denn die Klägerin trägt dazu vor, dass sie davon ausgegangen sei, der Kredit habe dem Erhalt der Familie dienen sollen. Dezidierter kann sie das Vorbringen der Beklagten mangels dessen hinreichender Substanziierung nicht bestreiten. Selbst wenn die Klägerin von der Ablösung von Altschulden gewusst hätte, musste sie immer noch nicht davon ausgehen, dass es sich dabei ausschließlich um alleinige Verbindlichkeiten des Ehemannes handelte. Dass dies der Klägerin mitgeteilt worden wäre, ist jedenfalls auch nicht vorgetragen. In Anbetracht des Nettokreditbetrages durfte die Klägerin vielmehr annehmen, dass es sich um von der Familie für den Lebensunterhalt begründete Verbindlichkeiten handelte, an deren Ablösung folglich auch die Beklagte ein eigenes Interesse hatte.

II.

Der Darlehensvertrag vom 15.02.2002 ist auch sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber deren geschiedenem Ehemann wirksam gekündigt worden.

Diese tatsächliche und rechtliche Frage war indes in Anbetracht der dazu ergangenen ober- und höchstrichterlichen Entscheidungen nicht einfach zu beantworten. Aus diesem Grunde war der Beklagten Prozesskostenhilfe zu bewilligen, um ihr eine Klärung dieser Frage im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen (BVerfG NJW 1991, 413; 2005, 1567; BGH NJW 1982, 1104).

1.

So hat der BGH in seinem Urteil vom 09.07.2002 -XI ZR 323/01- (NJW 2002, 2866) dazu folgenden Grundsatz aufgestellt:

"Ein Darlehen als Dauerschuldverhältnis kann grundsätzlich nur einheitlich gegenüber allen Darlehensnehmern als Gesamtschuldnern gekündigt werden."

Dem lag eine Fallkonstellation zugrunde, in der nur gegenüber einem von zwei Gesamtschuldnern eine Kündigung ausgesprochen worden war.

2.

Ein Fall, in dem -wie hier- gegenüber beiden Gesamtschuldnern das Darlehensverhältnis gekündigt werden sollte, lag allerdings der bereits zuvor ergangenen Entscheidung des 31. Zivilsenats des OLG Hamm vom 22.09.1999 31 U 57/99- (NJW-RR 2000, 714) zugrunde. Dort ist ausgeführt:

"Nach der im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, NJW 1989, 2136; OLG München, NJW-RR 1996, 370; Nobbe, BankR, Rdnr. 545; Heimann/Emmerich, VerbrKrG, § 12 Rdnr. 54) stehenden Ansicht des Senats (vgl. 31 U 177/98) kann der von mehreren Gesamtschuldnern aufgenommene Kredit nur allen Gesamtschuldnern gegenüber wirksam gekündigt werden. (.....) Die Kreditkündigung ist jedenfalls bei Ratenkreditverträgen nur einheitlich, d. h. zeitgleich gegenüber den Gesamtschuldnern möglich. (.....) Die zeitgleiche Kündigung gegenüber beiden Gesamtschuldnern ist unabdingbar, weil sich die einheitliche Forderung der Kreditgeberin gegen beide Gesamtschuldner diesen gegenüber verschieden entwickeln würde."

In diesem Fall war der Kredit gegenüber dem einen Gesamtschuldner mit Schreiben vom 18.05.1998, gegenüber dem zweiten Gesamtschuldner jedoch erst mit Schreiben vom 12.03.1999 gekündigt worden. Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklung, die das Verbraucherdarlehen in der Zwischenzeit gegenüber den beiden Gesamtschuldnern genommen hatte, hat der 31. Zivilsenat eine gegenüber beiden Gesamtschuldnern einheitlich vorgenommene und damit wirksame Kündigung nicht mehr angenommen. Infolge eines Weiterlaufens des Kreditvertrages in Bezug auf den nicht bzw. später gekündigten Darlehensnehmer würden Forderungsteile entstehen, für die eine gesamtschuldnerische Haftung nicht mehr gegeben sei. Würde der nicht gekündigte Kreditnehmer dann nach der Kündigung des anderen Kreditnehmers wieder Zahlungen aufnehmen, würden diese Zahlungen infolge der Anrechnungsvorgaben des § 11 Abs. 3 VerbrKrG nicht mehr die Folgen des unabdingbaren § 422 BGB nach sich ziehen, was nicht hingenommen werden könne.

3.

Die in diesen Entscheidungen in Bezug auf eine Darlehenskündigung gegenüber Gesamtschuldnern entwickelten Kriterien der "Einheitlichkeit" und "Zeitgleichheit" sind anhand des hier zu subsumierenden Sachverhaltes auszuschärfen und sinngebend anzuwenden. Das führt hier zu dem Ergebnis, dass die gegenüber der Beklagten und ihrem geschiedenen Ehemann ausgesprochenen Kündigungen als einheitlich und zeitgleich im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung anzusehen sind. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe folgender Ergänzungen an.

a)

Die Klägerin hat hier Mahnschreiben unter dem 30.01.2007 (Bl. 38) und Kündigungen unter dem 01.03.2007 (Bl. 34) jeweils zeitgleich an die Beklagte und an deren Ehemann abgesandt. Die Kündigung war dabei an die Adresse gerichtet, an der die Beklagte auch jetzt noch wohnhaft ist. Ebenfalls zeitgleich hat die Klägerin am 15.05.2007 den Antrag auf Erlass von Mahnbescheiden gegen beide Gesamtschuldner gestellt und noch am selben Tage auch Mahnbescheide gegen beide erwirkt. Während ihr geschiedener Ehemann die Forderung der Klägerin gegen sich hat titulieren lassen, hat die Beklagte Widerspruch gegen den ihr am 18.05.2007 zugestellten Mahnbescheid erhoben. Zur Begründung hat sie angeführt, sie habe weder Mahnung noch Kündigung erhalten; von der gegen sie erhobenen Forderung habe sie erstmals durch Schreiben der J GmbH vom 18.04.2007 erfahren. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 12.06.2007, der Beklagten zugestellt am 27.07.2007, ihren Anspruch begründet.

Ihre Forderung hat die Klägerin dabei in den Kündigungsschreiben vom 01.03.2007, den Mahnbescheidsanträgen vom 15.05.2007 sowie in der Anspruchsbegründung gegenüber der Beklagten vom 12.06.2007 durchgängig auf 17.566,01 € nebst Zinsen beziffert.

Anhand dieser kongruenten Vorgehensweise der Klägerin gegenüber beiden Gesamtschuldnern erweist sich, dass das in der Entscheidung des BGH vom 09.07.2002 (NJW 2002, 2866) aufgestellte Kriterium der Einheitlichkeit der Kündigung gegenüber den Gesamtschuldnern gegeben ist, da die Klägerin das Darlehensverhältnis gegenüber beiden Mitdarlehensnehmern aus identischen Gründen und bei gleichem Forderungsstand parallel beenden wollte.

b)

Aber auch das in der Entscheidung des OLG Hamm vom 22.09.1999 (NJW-RR 2000, 714) aufgestellte Postulat nach einer Zeitgleichheit ist bei dieser Sachverhaltskonstellation erfüllt.

aa)

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich eine Kündigung gegenüber der Beklagten nach § 498 BGB zwar nicht feststellen lasse, dass aber in dem am 18.05.2007 zugestellten Mahnbescheid vom 15.05.2007 eine Kündigung nach § 490 BGB zu erblicken sei.

Dieser Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen des Landgerichts stößt indes auf Bedenken. Zwar ist allgemein anerkannt, dass die Erhebung einer Klage die (konkludente) Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses darstellen kann (Palandt-Weidenkaff, 67. Aufl. 2008, § 488 Rdnr. 32). Dies kann jedoch -insbesondere für den hier in Rede stehenden Bereich des Verbraucherkredites- nicht sinngemäß auf einen Mahnbescheid übertragen werden. Denn der juristisch unkundige Empfänger kann den knappen Angaben eines Mahnbescheides in der Regel nicht entnehmen, dass er nun aufgrund einer sich aus einem gekündigten Darlehensvertrag errechnenden Forderung in Anspruch genommen wird. Hier ist zwar im Mahnbescheid vermerkt gewesen (Bl. 3), dass es sich um eine "Darlehensrückzahlung gem. Kreditkündigung vom 15.03.2007" und einen "Anspruch aus Vertrag vom 15.02.2002, für den das VerbrKrG / die §§ 491 - 504 BGB gelten" handeln soll. Aus welchem Grund der Kredit nun aber gekündigt worden sein soll, lässt sich dem gerade nicht entnehmen.

Selbst wenn man den Mahnbescheid in Kontext zu dem der Beklagten unstreitig zugegangenen Schreiben des J GmbH vom 18.04.2007 setzt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch im letztgenannten Schreiben findet sich kein Hinweis auf die Kündigung des Darlehens geschweige denn auf die Kündigungsgründe.

Auf den Zugang des Mahnbescheides an die Beklagte kann daher nicht als Wirksamkeitszeitpunkt der Kündigung abgestellt werden.

Als konkludente Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB kann daher frühestens die der Beklagten am 27.07.2007 zugestellte Anspruchsbegründung vom 12.06.2007 angesehen werden.

bb)

Das hätte zur Konsequenz, dass das Darlehen gegenüber dem Ehemann zum 15.03.2007 gekündigt und abgerechnet wäre, während rein rechtlich betrachtet der Darlehensvertrag mit der Beklagten noch bis zum 27.07.2007 Bestand gehabt hätte. Zwischen den beiden Vertragsbeendigungen läge damit ein Zeitraum von rund 4 1/2 Monaten.

Indes darf der Begriff der "Zeitgleichheit" -und insoweit schließt sich der Senat ausdrücklich den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts an- nicht streng naturwissenschaftlich verstanden werden. Denn eine taggenaue Kündigung gegenüber mehreren Gesamtschuldnern wird einem Darlehensgeber kaum jemals möglich sein, da sich bei der Übersendung der Kündigungsschreiben stets praktische Schwierigkeiten einstellen können, die den Zugang an einen oder mehrere der Gesamtschuldner verzögern oder verhindern (etwa wegen unterschiedlicher Postlaufzeiten; weil einer der Gesamtschuldner ohne Mitteilung seiner neuen Anschrift verzogen ist oder die Zustellung auf andere Art und Weise vereitelt oder verzögert). Eine starre, allein auf das Zugangsdatum rekurrierende Auslegung und Anwendung des Kriteriums der Zeitgleichheit würde es daher dem Darlehensgeber bei Beteiligung mehrerer Darlehensnehmer nahezu unmöglich machen, das gesamte Kreditverhältnis wirksam zu kündigen.

Abzustellen ist daher -wie sich das auch aus der Entscheidung des OLG Hamm vom 22.09.1999 (NJW-RR 2000, 714) und dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt ergibt- maßgeblich darauf, ob zum einen bei dem Darlehensgeber der Wille bestand, den Kreditvertrag gegenüber sämtlichen Darlehensnehmern einheitlich und bezogen auf den selben Zeitpunkt zu kündigen und ob er dazu alles in seinen Pflichtenkreis Fallende veranlasst hat. Zum anderen ist zu beachten, ob ein etwaig verzögerter Zugang der Kündigung an einen der Gesamtschuldner zu Abrechnungsschwierigkeiten im Lichte der §§ 11 VerbrKrG, 497, 422 BGB führt, durch die einer oder mehrere Gesamtschuldner benachteiligt werden.

cc)

Ausgehend von dieser sinn- und praxisgebotenen Auslegung des Begriffes der "Zeitgleichheit" ist dieses Kriterium bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ebenfalls erfüllt.

Denn die Klägerin hat die Kündigung hier mit identischen Kündigungsschreiben an beide Eheleute vom 01.03.2007 ausgebracht, den Kredit darin übereinstimmend zum Stichtag 15.03.2007 abgerechnet und ihre Forderung gegenüber beiden Gesamtschuldnern einheitlich mit 17.566,01 € nebst Zinsen beziffert. Diese Kündigungsschreiben hat die Klägerin an die ihr bekannten Anschriften der Eheleute übersandt. Sodann hat sie am 15.05.2007 zeitgleich Anträge auf Erlass von Mahnbescheiden gegen beide Gesamtschuldner gestellt und auch darin ihre Forderung einheitlich mit 17.566,01 € nebst Zinsen angegeben. Damit hat die Klägerin alles von ihr zu Verlangende getan, um eine zeitgleiche Beendigung des Kreditverhältnisses gegenüber beiden Eheleuten herbeizuführen. Wenn dann das an die Beklagte gerichtete Kündigungsschreiben dieser -aus welchen Gründen auch immer- nicht zugegangen sein sollte, kann dies der Klägerin nicht dergestalt zum Nachteil gereichen, dass ihr -nach Titulierung der Forderung gegen den geschiedenen Ehemann der Beklagten- eine einheitliche und zeitgleiche Kündigung nun dauerhaft unmöglich wäre.

Weiterhin hat die Klägerin gegenüber beiden Eheleuten nur den zum 15.03.2007 gegebenen Kündigungssaldo von 17.566,01 € mit einer anschließenden Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (anfangs 7,7 %) verlangt. Durch diese einheitliche Abrechnung des Kredites ist ausgeschlossen, dass Forderungsteile entstehen, die nicht mehr von der Gesamtschuld erfasst werden und bei nachträglichen Zahlungen eines Gesamtschuldners § 422 BGB verletzt wird. Die Diskrepanz, dass hier auch gegenüber der Beklagten der Kredit bereits zum 15.03.2007 abgerechnet wird, obwohl das Darlehensverhältnis mit ihr noch bis zum 27.07.2007 fortbestand (s. o. Ziff. 3. b) aa)), kann hingenommen werden. Denn diese abweichende Abrechnungsweise gereicht der Beklagten nur zum Vorteil, da die Klägerin ab dem 16.03.2007 nur eine Verzinsung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangt. Da der Nominalzins des Darlehensvertrages vom 15.02.2002 sich aber auf 11,5 % belief, hätte die Beklagte bei einer Abrechunung des Kredites erst zum 27.07.2007 den höheren Vertragszins für weitere 4 1/2 Monate zu zahlen und auch die ihr zugute kommende Zinsrückrechnung bzw. -vergütung würde geringer ausfallen.

Die von der Klägerin gegenüber beiden Gesamtschuldnern ausgebrachten Kündigungen sind daher auch als zeitgleich und damit wirksam anzusehen.

Das hat zur Konsequenz, dass die Beklagte gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB als Gesamtschuldnerin neben ihrem geschiedenen Ehemann verpflichtet ist, die Darlehensvaluta von 17.566,01 € nebst Zinsen an die Klägerin zurück zu zahlen.

III.

Da die Entscheidung des Rechtsstreits zum einen von der hier zugrunde zu legenden Tatsachenlage und damit von den Umständen des Einzelfalles abhing und zum anderen nicht von der zu den maßgeblichen Fragen ergangenen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Zulassung der Revision nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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