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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 34 U 91/07
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 266
HGB § 266 Abs. 3 A
HGB § 272
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.11.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 62.203,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.06.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht die Auszahlung von Vorfälligkeitsentgelten, die die Beklagte vereinnahmt hat, geltend.

Die Beklagte gewährte der Klägerin aufgrund zweier Darlehensverträge vom 20. 02. 2003 Darlehen in Höhe von 600.000,00 € ( Vertrag Nr. #####/#### ) und 400.000,00 € ( Vertrag Nr. #####/#### ) zur Finanzierung der Errichtung eines Q - Marktes. Die Darlehen waren mit 5,55 % ( Endziffer 435 ) bzw. 5,85 % ( Endziffer 436 ) zu verzinsen. Der Zinssatz war bis zum 30. 01. 2013 festgeschrieben. Nach Ziffer 7 der Darlehensverträge waren "Sondertilgungen aus Eigenkapital ... jederzeit ohne Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes möglich".

Nach Errichtung des Q - Marktes veräußerte die Klägerin die Immobilie und führte mit dem Kauferlös die Darlehen unter dem 23. 06. 2006 zurück. Unter Berufung auf die Darlehensvereinbarungen vereinnahmte die Beklagte über das bei ihr geführte Konto der Klägerin, auf das der Kauferlös geflossen war, Vorfälligkeitsentgelte in Höhe von 34.234,96 € und 27.968,07 €.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagten stehe im Hinblick auf die Vereinbarung in Ziffer 7 der Darlehensverträge wegen der vorzeitigen Tilgung der Darlehen kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung zu. Entscheidend sei allein, dass die Sondertilgung mittels Eigenkapital, d. h. solches Kapital oder Vermögen, das originär ihr, der Klägerin, zuzurechnen sei, erfolgt sei. Durch die Vereinbarung habe verhindert werden sollen, dass in günstigen Zinsphasen kurzfristig über fremd finanziertes Kapital Sondertilgungen vorgenommen würden. Sondertilgungen durch Drittbanken hätten damit verhindert werden sollen.

Der Erlös aus der Veräußerung des Q - Marktes habe zu ihrer freien Verfügung gestanden und sei Bestandteil ihres Vermögens gewesen. Sie habe dieses daher zur Sondertilgung einsetzen dürfen, ohne dass eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung entstünde. Die Beklagte habe daher ohne Rechtsgrund die Vorfälligkeitsentschädigung vereinnahmt und sei verpflichtet, diese zurückzuzahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 62.203,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. 06. 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Vereinbarung in Ziffer 7 der Darlehensverträge greife vorliegend nicht zugunsten der Klägerin ein.

Nach Ziffer 6 der Darlehensverträge hätten die der Bank zustehenden Sicherheiten alle bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung mit der Klägerin als Darlehensnehmerin gesichert, soweit nicht im Einzelfall außerhalb des Vertrages etwas anderes vereinbart gewesen sei. Entsprechend dieser Sicherungsabrede habe die Klägerin ihr zusätzlich mit gesonderten Vereinbarungen zur Absicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung, insbesondere aus laufender Rechnung und aus der Gewährung von Krediten jeder Art, Grundschulden in Höhe von 1.000.420,10 € an dem Gewerbegrundstück bestellt.

Um der Klägerin die lastenfreie Veräußerung des Grundstücks zu ermöglichen, habe sie, die Beklagte, entsprechende Pfandentlassungserklärungen unter der Bedingung abgegeben, dass ihr der Erlös aus der Veräußerung des belasteten Grundstücks auf einem von ihr für sog. gesperrte Erträge eingerichteten Verrechnungskonto zur Verfügung gestellt werde. Dementsprechend sei der Kaufpreis auf das Konto überwiesen und von ihr Teilbeträge zur Tilgung der Darlehenssalden und zum Ausgleich der berechneten Vorfälligkeitsentgelte herangezogen worden. Zum Zeitpunkt der Verrechnung hätten bei ihr Verbindlichkeiten der Beklagten in einer den Kaufpreis für das Grundstück weit ( um ca. 300.000,00 € ) übersteigenden Höhe bestanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die vertragliche Regelung in Ziffer 7 der Darlehensverträge, wonach Sondertilgungen aus Eigenkapital jederzeit ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung möglich seien, greife vorliegend nicht ein. Die Zahlung sei nicht aus "Eigenkapital" i. S. dieser Regelung erfolgt.

Der durch den Verkauf des Grundstücks erzielte Kauferlös könne nicht als freies Kapital der Klägerin gewertet werden, da sie über diesen Erlös gerade nicht frei hätte verfügen können, sondern ihn nur dazu verwenden konnte, die durch die Grundschuld auf dem Kaufgrundstück abgesicherten Verbindlichkeiten abzulösen, da die Klägerin nur so ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Käufer des Grundstücks zur lastenfreien Eigentumsverschaffung habe nachkommen können.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Sie führt aus, das Landgericht habe den Begriff des Eigenkapitals falsch ausgelegt.

Nehme man diesen Begriff wörtlich und beziehe ihn auf das betriebswirtschaftliche Eigenkapital der Klägerin, dann mache die erfolgte Einschränkung im Darlehensvertrag überhaupt keinen Sinn. Unter Eigenkapital verstehe man das Haftkapital, Eigenkapitalrücklagen, eventuelle Gewinnvorträge und den Jahresüberschuss. Bei sachgerechter Auslegung könne der Begriff des Eigenkapitals nicht so gemeint gewesen sein.

Vielmehr sei hier Eigenkapital i.S. von Cashflow gemeint, wozu natürlich auch der Kaufpreis aus der Veräußerung einer Immobilie gehöre.

Das Landgericht habe auch verkannt, dass eine dingliche Sicherheit im Hinblick auf den Kaufpreis hier nicht gegeben sei.

Die Grundschulden führten nicht automatisch zu einer dinglichen Verpfändung des Kaufpreisanspruches. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt dingliche Rechte an dem schuldrechtlichen Zahlungsanspruch besessen.

Die Klägerin habe in jeder Hinsicht frei über den Kaufpreis verfügen können. Es habe auch kein indirekter Zwang der Klägerin bestanden, den Kaufpreis zur Ablösung des Darlehens einzusetzen.

Bei verständiger Würdigung sei die Ziff. 7 allein dahin zu verstehen, dass vermieden werden sollte, dass sie, die Klägerin, sich bei einem Konkurrenzunternehmen ein günstigeres Darlehen besorgt und damit das alte Darlehen ablöst.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 62.203,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.06.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt aus, auf den Begriff des bilanziellen Eigenkapitals i. S. der §§ 266, 272 HGB könne es hier nicht ankommen. Abzustellen sei vielmehr auf eine "freie Liquidität". Da der Kaufpreis über die Grundpfandrechte und die entsprechenden Zweckerklärungen in vollem Umfange als Absicherung der Verbindlichkeiten der Klägerin bei der Beklagten diente, könne es sich nicht mehr um freie Liquidität handeln. Die Klägerin sei gemäß der Treuhandauflage vom 01.06.2006 gehalten gewesen, den Kaufpreis auf das bei der Beklagten geführte Konto zu überweisen. Von einer freien Rechtsinhaberschaft der Klägerin könne keine Rede sein, da die Klägerin ihren Kaufvertrag nicht hätte erfüllen können, wenn der Kaufpreis nicht entsprechend der Treuhandauflage eingezahlt worden wäre. Wolle man dies anders sehen, wäre einer Umgehung der hier lediglich für den Ausnahmefall von Sondertilgungen aus Eigenkapital getroffenen Abrede der Entschädigungsfreiheit Tür und Tor geöffnet.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 62.203,03 Euro gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Beklagte hat nach der vorzeitigen Tilgung der Darlehen durch die Klägerin zu Unrecht Vorfälligkeitsentgelte in Höhe von 34.234,96 Euro und 27.968,07 Euro berechnet und diese einbehalten.

Gemäß Ziff. 7 der Darlehensverträge waren Sondertilgungen aus Eigenkapital jederzeit ohne Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes möglich.

Da die Parteien die in Ziff. 7 getroffenen Regelung, insbesondere den Begriff des Eigenkapitals nicht näher definiert haben, ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien mit dieser Formulierung gewollt haben.

Für die Auslegung des Begriffs Eigenkapital geben die einschlägigen Bestimmungen des HGB - die §§ 266 Abs. 3 A und 272 - im vorliegenden Falles nichts her, da die dort getroffenen Regelungen zum Eigenkapital allein bilanzrechlichen Bezug haben. Dies gilt auch für die Rule Nr. 49 des IAS (International Accounting Standard) / IFRS (International Financial Reporting Standard) Framework, da sich die dort zu findende Definition des Begriffs Eigenkapital allein auf die Bilanz am internationalen Kapitalmarkt tätiger Unternehmen bezieht (vgl. auch § 315a HGB).

Der Begriff des Eigenkapitals wird außer im Bilanzrecht vor allem im Bereich der Immobilienfinanzierung verwandt. In diesem Bereich versteht man unter Eigenkapital jene Mittel, die bei einer Finanzierung/Baufinanzierung dem Eigentümer selbst zur Verfügung stehen, z. B. Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere oder unbelasteten Grundbesitz.

Bei verständiger Würdigung der hier getroffenen Regelung kann allein dieses Verständnis des Begriffs Eigenkapital bei der Auslegung zugrunde gelegt werden. Danach sollte dann in Ziff. 7 der Darlehensverträge klargestellt werden, dass nur eine Ablösung der Darlehen aus eigenen Mitteln des Darlehensnehmers und nicht aus neuen Bankdarlehen vorfälligkeitsentschädigungsfrei sein sollte. Die Klägerin sollte das Darlehen "aus ihrem Kapital" ablösen.

Diese Auslegung entspricht im Ergebnis auch dem Sinn und Zweck der zwischen den Parteien unter Ziff. 7 getroffenen Vereinbarung. Ziel der Regelung konnte es aus der Sicht eines objektiven Dritten nur sein, die Ablösung der bei der Beklagten aufgenommenen Darlehen aus Fremdmitteln zu verhindern. Es sollte mit der getroffenen Vereinbarung vermieden werden, dass die Darlehen aufgrund günstiger Darlehensangebote anderer Banken abgelöst wurden, ohne dass die Beklagte die ihr zustehenden Zinsen, also das Vorfälligkeitsentgelt, erhielt. Andererseits waren sich die Parteien einig, dass die Klägerin berechtigt sein sollte, die Darlehen aus eigenen Mitteln jederzeit abzulösen. Ein anderer Zweck dieser Vereinbarung ist nicht ersichtlich.

Die Klägerin hatte durch die Veräußerung des Q-Marktes einen Kaufpreisanspruch gegen die in M ansässige Käuferin. Dieser Kaufpreisanspruch sollte zwar erst dann fällig werden, wenn die Löschungsbewilligungen für die dem Vorkaufsrecht im Range vorgehenden Belastungen, also auch für die zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschulden vorlagen. Der Kaufpreisanspruch gehörte jedoch zum Vermögen der Klägerin. Er war auch nicht mit einem Sicherungsrecht der Beklagten belastet, denn die für das Grundstück bestellte Grundschuld führte nicht zu einer Belastung des Kaufpreisanspruches.

Es handelte sich somit um einen der Klägerin zustehenden unbelasteten Vermögenswert.

Die Treuhandauflage, nach der die Pfandentlassungserklärungen nur unter der Bedingung der Zahlung des Erlöses auf ein im Namen der Klägerin eingerichtetes Sperrkonto abgegeben wurden, entspricht dem Sicherungsbedürfnis der Beklagten, die die Absicherung des Darlehens bis zu dessen Tilgung natürlich gewährleistet haben wollte. Diese Auflage führt aber nicht zu einer dinglichen Belastung des Kaufpreisanspruches oder dazu, dass dieser Anspruch der Beklagten zusteht.

Der Kaufpreisanspruch hat sich mit der Auszahlung auf das Treuhandkonto realisiert, so dass die Klägerin aus eigenem Vermögen und damit aus Eigenkapital die Darlehen vorzeitig getilgt hat. Die Voraussetzungen der in Ziff. 7 vereinbarten vorzeitigen Tilgung ohne Vorfälligkeitsentschädigung sind somit gegeben.

Die Klägerin hat die Darlehen mit dem Kaufpreis abgelöst, den sie für die Veräußerung des Q-Marktes erlangt hat und damit Sondertilgungen aus Eigenkapitalmitteln vorgenommen mit der Folge, dass Vorfälligkeitsentgelte zugunsten der Beklagten nicht anfielen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts in dieser Sache nicht erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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