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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 35 W 15/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, AGB


Vorschriften:

BGB § 121
BGB § 307 n.F.
BGB § 307 I n.F.
BGB § 307 II Nr. 1 n. F.
ZPO § 114
ZPO § 127 II
AGB § 9 a.F.
Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe ist verschuldensabhängig, wenn sie davon abhängig gemacht wird, dass eine vertraglich geschuldete Leistung nicht "unverzüglich" erfolgt, da hiermit auf die für das gesamte Privatrecht geltende Legaldefinition des § 121 BGB Bezug genommen wird, nach der "unverzüglich" ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern erfordert.
Oberlandesgericht Hamm Beschluss

35 W 15/03 OLG Hamm

In dem Rechtsstreit

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten vom 01.07.2003 gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 04.06.2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin befasst sich mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen. Der Beklagte war für sie in der Zeit vom 01.01. - 25.04.2002 als selbständiger Versicherungsvertreter tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit stellt die Klägerin dem Beklagten auf der Grundlage eines sog. "Notebook-Nutzungsvertrages" vom 30.01.2002 für die Dauer seiner vertraglichen Tätigkeit (Ziffer 3 a des Vertrages) ein von ihr geleastes Notebook mit spezieller Softeware zur Verfügung. Nach Ziffer 7 des Vertrages war der Beklagte verpflichtet, das Notebook nach Ablauf seiner Nutzungsberechtigung unverzüglich zurückzugeben, ein Zurückbehaltungsrecht wurde ausgeschlossen. Ziffer 10 des Vertrages sieht daneben für den Fall der unterbleibenden oder trotz Nachfristsetzung verspäteten Rückgabe des Notebooks die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe vor.

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.112,00 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahnkosten in Anspruch, nachdem sie ihn vorprozessual u.a. mit Schreiben vom 17.05.2002 vergeblich unter Fristsetzung zur Rückgabe des ihm überlassenen Notebooks aufgefordert hatte.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er hat eingewandt, bei der Vertragsstrafebestimmung der "Notebook-Nutzungsvertrages" vom 30.01.2002 handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die sittenwidrig sei, da der (Zeit-)Wert des ihm überlassenen Notebooks bei allenfalls 1.000,00 Euro gelegen habe, so dass die vereinbarte Vertragsstrafe ihn um ein Mehrfaches übersteige. Jedenfalls sei die Vertragsstrafe auf ein allenfalls angemessenen Betrag von 500,00 Euro herabzusetzen.

Für seine Rechtsverteidigung gegen die Klage hat der Beklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Diesen Antrag hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverteidigung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die nach § 127 II ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverteidigung i.S.d. § 114 ZPO verneint.

Nach der auf das Vertragsverhältnis der Parteien anzuwendenden gesetzlichen Regelung des § 307 BGB n.F. (vgl. hierzu nur Art. 229 § 5 EGBGB) sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dabei nach der insoweit fortgeltenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 9 AGB a.F. vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen (BGH MDR 1998, 825 f m.w.N.; BGH NJW 1997, 3022, 3023 = MDR 1997, 1013). Dies bestimmt sich anhand eines von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelösten, generellen Prüfungsmaßstabs unter Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtungsweise (BGH MDR 1988, 953; BGH NJW1996, 2155, 2156 = MDR 1996, 791).

Die hier in Ziffer 10 a) Absatz 2 getroffene Vertragsstraferegelung hält einer an den vorgenannten Kriterien ausgerichteten Überprüfung stand.

1.

Nach § 307 II Nr.1 BGB n. F. ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Das kommt vorliegend in Betracht, da nach der gesetzlichen Regelung (§ 339 BGB) die Verwirkung einer Vertragsstrafe an ein Verschulden des Verpflichteten geknüpft ist (BGH WM 1973, 388; BGHZ 72, 174, 178 = MDR 1979, 207), die hier zu Ziffer 10 a Absatz 2 des "Notebook-Nutzungsvertrages" vereinbarte Klausel dieses Erfordernis jedoch nicht -jedenfalls nicht ausdrücklich- erwähnt. Indes ergibt eine Auslegung der Klausel, dass das Verschuldenserfordernis erkennbar nicht abbedungen werden sollte. Indem die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe dort an die Voraussetzung geknüpft wird, dass die Rückgabe des überlassenen Notebooks nicht "unverzüglich,, und auch auf Nachfristsetzung hin nicht erfolgt, nimmt die Klausel Bezug auf die für das gesamte Privatrecht geltende (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl. § 121 Rz. 3 m.w.N) Legaldefinition des § 121 BGB, nach der "unverzüglich,, ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern erfordert.

2.

Ein Verstoß gegen § 307 I BGB n.F. ergibt sich weiterhin ungeachtet hiergegen erhobener Einwände des Beklagten auch nicht aus der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafen.

Von einer unangemessen hoch angesetzten Strafe, die die Unwirksamkeit der Vertragsstrafebestimmung zur Folge hat, ist auszugehen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht (BGH MDR 1998, 825, 826; WM 1994, 1121, 1127). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zu berücksichtigen ist insoweit -wie bereits das Landgericht angemerkt hat, dass die Vertragsstrafe nach dem Willen des Gesetzgebers eine doppelte Zielrichtung hat. So soll sie zum einen als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten (BGHZ MDR 1961, 46; MDR 1968, 404; MDR 1975, 223), dem Gläubiger zum anderen aber auch im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis eröffnen (BGH MDR 1998, 825 f; MDR 1979, 220; OLG Düsseldorf, OLGR 1999, 468, 469). Unangemessen ist die Höhe einer vertragsmäßig ausbedungenen Vertragsstrafe daher insbesondere dann, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und zu dessen Folgen für den Vertragspartner steht (8GH Z/P 1997, 1240; MDR 1991, 44 = WM 1990, 1198, 1200; OLG Düsseldorf, aaO.). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Nach insoweit unwidersprochenem und durch den in Kopie zur Akte gereichten Vertrag vom 05.03.2001 (Bl. 53 GA) im übrigen belegtem Vortrag der Klägerin hat sie das dem Beklagten überlassene Notebook ab dem 01.02.2001 bei einer vertraglichen Laufzeit von 41 Monaten zu Gesamtkosten incl. Software von 8.933,36 DM geleast; der Einzelpreis des Gerätes lag seinerzeit bei mehr als 8.000,00 DM (Klageschrift vom 10.12.2002, Bl. 12 GA). Im Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten Rückgaben war dass Notebook danach erst knapp 15 Monate alt und verkörperte ungeachtet der vom Beklagten angesprochenen fortschreitenden technischen Weiterentwicklung einen erheblichen Wert. Hinzu kommt, dass der Klägerin durch die vertragswidrige Vorenthaltung des Gerätes samt zugehöriger Software die Möglichkeit genommen wurde, hierüber zu verfügen und dies entsprechend seiner eigentlichen Zweckbestimmung einem anderen Mitarbeiter zur weiteren Nutzung Verfügung zu stellen, während sie selbst weiterhin zur Zahlung der anfallenden Leasingraten von monatlich 217,98 DM verpflichtet blieb. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Höhe der ausbedungenen Vertragsstrafe auch ohne Nachweis eines der Klägerin -über die fortlaufenden Leasingraten hinaus- konkret entstandenen Schadens als sachgerecht und nicht unangemessen hoch.

Ende der Entscheidung

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