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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 4 BL 231/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 121 Abs. 1 | |
StPO § 270 |
Beschluß Strafsache
gegen M:M.,
wegen Betruges,
hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht.
Auf die Vorlage der Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.12.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Der Haftbefehl des Amtsgerichts - Schöffengericht - Münster vom 11. Juni 2001 - 12 Ls AK 65/01 - in der Form der Neufassung durch das Landgericht Münster vom 13. Juli 2001 - 12 Qs 28/01 - wird aufgehoben.
Gründe:
Dem Angeklagten, der sich seit dem 15. Juni 2001 in Untersuchungshaft befindet, wird mit dem Haftbefehl des Amtsgerichts - Schöffengericht - Münster vom 11. Juni 2001 in der Form der Neufassung durch das Landgericht Münster vom 13. Juli 2001 - 12 Qs 28/01 - zur Last gelegt, durch fünfzehn selbständige Handlungen in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, daß er durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum erregte. Der Angeklagte soll die ihm zur Last gelegten Betrugstaten in der Zeit vom 6. Oktober 1995 bis zum 5. Januar 2001 begangen haben, wobei die Schäden der Einzeltaten zwischen 530,00 DM und 15.240,17 DM bei unklarer Höhe des Schadens im Falle Nr. 11 der Anklage gelegen haben sollen. Als Haftgrund haben sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Fluchtgefahr bejaht.
Im Zuge der nunmehr erforderlich gewordenen oberlandesgerichtlichen Haftprüfung gemäß §§ 120, 121 StPO war die Haftanordnung aufzuheben.
Zwar besteht im Hinblick auf die zwischenzeitlich zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 1. Juni 2001 nach wie vor der dringende Tatverdacht der dem Angeklagten im Haftbefehl zur Last gelegten Taten. Angesichts der Höhe der zu erwartenden Strafe und des bisherigen Verhaltens des Angeklagten hinsichtlich von Wohnungswechseln und des Umstandes, daß gegen ihn weitere, teils umfangreiche Ermittlungsverfahren wegen Betruges bei verschiedenen Staatsanwaltschaften anhängig sind, ist auch weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gegeben.
Der Haftbefehl ist jedoch aufzuheben, weil das gerichtliche Verfahren nicht mit der in Haftsachen zwingend gebotenen Beschleunigung gefördert worden ist.
Nach § 121 Abs. 1 StPO darf, solange kein auf Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel erkennendes Urteil ergangen ist, der Vollzug der Untersuchungshaft wegen der dem Haftbefehl zugrundeliegenden Taten über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen haben. Das Bundesverfassungsgericht betont dazu in ständiger Rechtsprechung, daß den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv der sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebende Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten bzw. Angeklagten entgegenzuhalten ist und das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse sich mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft vergrößert (vgl. u.a. BVerfGE 53, 152, 158 f. mit weiteren Nachweisen). Dem trägt die Vorschrift des § 121 Abs. 1 StPO Rechnung. Diese Bestimmung läßt also nur in begrenztem Umfange eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus zu. Bei der insoweit erforderlichen Prüfung des Verfahrensgangs sind die Ausnahmetatbestände des § 121 Abs. 1 StPO grundsätzlich auch eng auszulegen (vgl. u.a. BVerfGE 36, 264, 271 mit weiteren Nachweisen; siehe auch BVerfG NJW 1980; 1448; 1992, 1749 f. = StV 1991, 565; vgl. die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 121 StPO Rn. 18 ff.). Die Fortdauer der Untersuchungshaft kommt danach insbesondere dann nicht in Betracht, wenn ihre Dauer dadurch verursacht worden ist und wird, daß die Strafverfolgungsbehörden nicht alle ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens ergriffen haben (vgl. dazu u.a. auch OLG Düsseldorf StV 1990, 503; OLG Frankfurt StV 1995, 423).
Das gerichtliche Verfahren ist vorliegend nicht mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden.
Die Sache ist nach Eingang der Anklage vom 1. Juni 2001 am 7. Juni 2001 und Erlaß des Haftbefehls am 11. Juni 2001 insbesondere durch das Amtsgericht nicht mehr ausreichend gefördert worden. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist ohne erkennbaren zwingenden Grund erst am 3. September 2001 erfolgt. In der Zwischenzeit waren zwar die Haftbeschwerde des Angeklagten vom 19. Juni 2001 zu bearbeiten und Akteneinsicht an den am 5. Juli 2001 beigeordneten Verteidiger zu gewähren. Beides erfolgte jedoch unter Vorlage der Originalakten, weil Doppelakten nicht angefertigt worden sind. Das stellt unter Beschleunigungsgesichtspunkten einen wesentlichen Mangel dar (vgl. BVerfG, NJW 1994, 2081, 2082). Auch ist zu beanstanden, daß die fristgerechte Rückgabe der Akten durch den Verteidiger nicht hinreichend zeitnah überwacht worden ist. Erst am 15. August 2001 wurden die Akten vom Verteidiger zurückgefordert, obwohl ihm die Akten am 2. August 2001 für drei Tage zur Einsicht übersandt worden waren. Diese Umstände haben insgesamt dazu geführt, daß erst am 3. September 2001 über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden worden und die Hauptverhandlung auf den 13. September 2001 bestimmt worden ist.
Auch das weitere Verfahren läßt die erforderliche Beschleunigung vermissen. Nachdem das Schöffengericht in der Hauptverhandlung vom 13. September 2001 die Sache durch einen auf § 270 StPO gestützten Beschluß wegen nicht ausreichender Strafgewalt an das Landgericht Münster verwiesen hatte, sind die Akten erst am 8. Oktober 2001 dem Landgericht vorgelegt worden. Das Landgericht hat erst am 2. November 2001 einen Beschluß dahingehend gefaßt, daß die Sache an das Schöffengericht Münster zurückverwiesen wird. Schließlich ist erst am 5. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden des Schöffengerichts die Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft Münster zur Weiterleitung an das Oberlandesgericht u.a. zur Klärung der Zuständigkeitsfrage angeordnet worden, weil zuvor - erneut aus den Hauptakten heraus - eine weitere Haftfrage entschieden worden ist.
Insgesamt liegen damit erhebliche Verzögerungen im gerichtlichen Verfahren vor, die die Aufhebung der Haftanordnung gebieten.
Diese Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.
Ende der Entscheidung
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