Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.04.2005
Aktenzeichen: 4 Ss 106/05
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 240
StGB § 315 b Abs. 1
StPO § 354 Abs. 1 a
Zum bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Kraftfahrzeuges.
Beschluss

Strafsache

gegen H. H.,

wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge u.a..

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 16. Dezember 2004 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 04. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß §§ 349 Abs. 2, 354 Abs. 1 a StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Schuldspruch wird dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte schuldig ist der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Kokain) in nicht geringer Menge und der Nötigung.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Beckum hat den Angeklagten am 29. Juni 2004 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Kokain) in nicht geringer Menge und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es ihm unter Einziehung des Führerscheins die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Seine dagegen in zulässiger Weise eingelegte Berufung hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Sperrfrist auf noch sechs Monate abgekürzt worden ist. Hinsichtlich der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge hatte es das Landgericht bei der vom Amtsgericht festgesetzten Einsatzstrafe von einem Jahr neun Monaten belassen, jedoch die Einzelstrafe für den (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, die das Amtsgericht aus dem Verbrechenstatbestand des §§ 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. §15 Abs. 3 StGB abgeleitet hatte, auf sechs Monate reduziert. Das Landgericht hat seinem Urteil bei anderen tatsächlichen Feststellungen den Strafrahmen des § 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB zugrunde gelegt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts. Er begehrt die Aufhebung des Urteils insgesamt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer Zuschrift vom 18. März 2005 auf die Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO angetragen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten führt zu einer Berichtigung des Schuldspruchs und im Übrigen zur Verwerfung des Rechtsmittels als unbegründet.

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs hinsichtlich der Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Soweit der Angeklagte die Feststellungen des Landgerichts, wahrscheinlich habe Da. dem Angeklagten eine Belohnung für seine Beihilfehandlungen versprochen oder er habe zumindest eine solche erwartet, rügt, liegt kein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten vor. Hätte das Landgericht einen solchen wirtschaftlichen Vorteil im weitesten Sinne feststellen können, hätte eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge nahe gelegen. dass der Angeklagte dem Da. in Kenntnis aller wesentlichen Umstände Beihilfe bei dessen unerlaubtem Handeltreiben mit Kokain geleistet hat, wird durch die vom Landgericht letztlich offen gelassene Frage der Entlohnung nicht berührt.

2. Keinen Bestand haben kann jedoch die Verurteilung wegen vorsätzlich gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte am 18. Juni 2003 gegen 19.10 Uhr in Beckum auf der Neubeckumer Straße stadtauswärts fahrend aus Verärgerung über die Fahrweise der Zeugin Gn. deren Fahrzeug überholt und seine eigene Geschwindigkeit sodann verringert habe, was zu einer Verringerung des Sicherheitsabstandes der beiden Fahrzeuge zueinander geführt habe. Er habe dann ohne Veranlassung durch die Verkehrslage abrupt und scharf abgebremst, um der Zeugin einen "Denkzettel" zu verpassen. Die Zeugin Gn. sei mit ihrem Fahrzeug auf das vom Angeklagten geführte, im Eigentum des Zeugen Es stehende Fahrzeug aufgefahren. Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass der Angeklagte nicht gehandelt habe, um einen Verkehrsunfall herbeizuführen. Der Angeklagte habe aber bei seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten wissen können und müssen, dass es durch sein Fahrmanöver zu einem Unfall mit einer Gefährdung auch der Insassen des anderen Fahrzeugs habe kommen können.

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht. Der Bundesgerichtshof hat in jüngeren Entscheidungen wiederholt entschieden, dass ein Verkehrsvorgang im fließenden Straßenverkehr nur dann zu einem Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB pervertiert wird, wenn zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeuges in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz - etwa als Waffe oder Schädigungswerkzeug - missbraucht wird (vgl. BGH, NJW 2003, 1613 (1614) = BGHSt 48, 233 = NStZ 2003, 486 = StV 2003, 338 = DAR 2003, 228 = VM 2003, 57; StV 2004, 136 (137) = DAR 2004, 230). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint.

Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte jedoch insoweit der Nötigung gemäß § 240 StGB schuldig gemacht. Der Senat kann den Schuldspruch auch ohne vorangegangenen rechtlichen Hinweis entsprechend ändern, weil auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte auch bei einem solchen Hinweis anders als geschehen hätte verteidigen können.

Insoweit können auch die verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten und die erkannte Maßregel der Besserung und Sicherung bestehen bleiben, denn beide beruhen auf dem Rechtsfehler nicht. Die Strafrahmen des vom Landgericht angenommenen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB und der Nötigung gemäß § 240 StGB sind gleich. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts haben in beiden Fällen gleichermaßen Bedeutung und deshalb trotz der Schuldspruchänderung Bestand. In beiden Fällen hat sich der Angeklagte aufgrund der von ihm durchgeführten Tat gleichermaßen als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen. Allein die andere rechtliche Bewertung hat bei unveränderten tatsächlichen Feststellungen nach der Überzeugung des Senats keine Auswirkung auf die Dauer des noch bestehenden Eignungsmangels.

3. Nur im Ergebnis Bestand haben kann dagegen die festgesetzte Einsatzstrafe für die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge. Die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer enthalten zwar Rechtsfehler, der Senat hält die ausgeworfene Strafe von einem Jahr neun Monaten jedoch gleichwohl für angemessen (§ 354 Abs. 1 a S. 1 StPO). Der Senat ist auch trotz der Schuldspruchänderung nicht gehindert, gemäß § 354 Abs. 1 a StPO zu entscheiden (vgl. zum weitergehenden Fall des Wegfalls einer tateinheitlichen Verurteilung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO: BGH, NJW 2005, 913 (913 f.). Hierzu bedurfte es auch nicht eines speziellen Antrages der Generalstaatsanwaltschaft, weil es sich der Sache nach um eine Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO handelt (vgl. BGH, a.a.O.).

Im Rahmen der Erwägungen zur Strafzumessung hat die Strafkammer bei der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falles nicht ausreichend geprüft, ob sich das Tatgeschehen ggfls. unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um eine Beihilfe gehandelt hat, als minder schwerer Fall darstellt, § 50 StGB. Diese Frage hat zwar für die Mindeststrafe keine Bedeutung, weil sich sowohl bei Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG als auch im Falle des über §§ 27, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Grundstrafrahmens eine gesetzliche Mindeststrafe von drei Monaten ergibt. Allerdings beträgt die Höchststrafe bei Annahme eines minder schweren Falles Freiheitsstrafe von fünf Jahren, während im anderen Fall Freiheitsstrafe von bis zu elf Jahren drei Monate verhängt werden kann. Diese Frage durfte daher nicht offen bleiben. Der Senat kann bei dieser Sachlage auch nicht ausschließen, dass die ausgeurteilte Strafe auf diesem Rechtsfehler beruht.

Das Landgericht hat zutreffend und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zunächst ohne Berücksichtigung des Vorliegens des vertypten Strafmilderungsgrundes aus §§ 27, 49 Abs. 1 StGB geprüft, ob ein minder schwerer Fall vorliegt und einen minder schweren Fall rechtsfehlerfrei abgelehnt.

Anschließend hätte das Landgericht jedoch auch prüfen müssen, ob unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes sich die Tat des Angeklagten als minder schwerer Fall darstellt (Tröndle, StGB, 52. Auflage, § 50 Rdnr. 4 m.z.w.N.). Diese Prüfung ist unterblieben.

Insoweit macht der Senat von der ihm eröffneten Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 454 Abs. 1 a StPO zu entscheiden. Unter Berücksichtigung der vom Landgericht aufgezeigten nicht unerheblichen Strafmilderungsgründe und des vertypten Strafmilderungsgrundes der Beihilfe, für die auch das Landgericht die fakultative Strafrahmenverschiebung vorgenommen hatte, hält der Senat die Annahme eines minder schweren Falles für geboten, weil die mildernden Faktoren trotz der beträchtlichen Wirkstoffmenge des Kokains beträchtlich überwiegen.

Innerhalb des danach eröffneten Strafrahmens von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe hält der Senat die erkannte Freiheitsstrafe von einem Jahr neun Monaten angesichts des Gewichts der Tat, das auch in der Strafhöhe deutlich zum Ausdruck kommen muss, und der übrigen Strafzumessungserwägungen des Landgerichts, auf die verwiesen werden kann, für angemessen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine nochmalige Milderung des Strafrahmens gemäß §§ 27, 49 Abs. 1 StGB wegen § 50 StGB untersagt ist. Insoweit ist der Beschluss des Senats auf einer auch nach seiner Auslegung des § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO für erforderlich gehaltenen Einstimmigkeit erfolgt.

Bei dieser Sachlage ist auch gegen die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe nichts zu erinnern.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück