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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.03.2001
Aktenzeichen: 4 Ss 202/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 315 c | |
StGB § 46 | |
StPO § 318 |
Beschluss
Strafsache
gegen A.A.,
wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 7. September 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht im Umfang der Verwerfung auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers - gemäß § 349 Abs.2 und Abs.4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Unter 'Verwerfung der Revision im übrigen wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ibbenbüren zurückverwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht Ibbenbüren hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs.1 Nr. 1 a, Abs.3 Nr.1 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von einem Jahr keine Fahrerlaubnis zu erteilen.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte sich nach der Rückkehr von einem Diskothekenbesuch am 6. Mai 2000 trotz deutlicher und von ihm erkannter Alkoholisierung entschlossen, seinen Begleiter mit dem Pkw nach Hause zu fahren. Die Wegstrecke zur Diskothek und zurück hatte er mit dem Fahrrad zurückgelegt, da er schon zuvor Alkohol zu sich genommen hatte. In der Diskothek hatte er bis etwa 1.30 Uhr alkoholische Getränke konsumiert. Bei der anschließenden Autofahrt verursachte der Angeklagte gegen 2.15 Uhr alkoholbedingt unter Missachtung der geltenden Vorfahrtsregelung (Zeichen 205) im Kreuzungsbereich Osnabrücker Straße/Wilhelmstraße in Ibbenbüren einen Verkehrsunfall, bei dem er mit einem auf der bevorrechtigten Straße fahrenden Pkw kollidierte. Es entstand Fremdschaden in Höhe von mindestens 13.000,00 DM. Seine Blutalkoholkonzentration zur Entnahmezeit um 3.19 Uhr betrug 0,88 Promille.
Gegen das amtsgerichtliche Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte (Sprung-) Revision des Angeklagten, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils erstrebt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere - mit näheren Ausführungen - die Verletzung von § 46 Abs.3 StPO.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Das Rechtsmittel hat einen (zumindest vorläufigen) Teilerfolg.
Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richtet, war das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs.2 StPO auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Hingegen führt die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs zu einem zumindest vorläufigen Erfolg der Revision, weil die Ausführungen des Amtsgerichts zur Strafzumessung der auf die Sachrüge hin vorzunehmenden rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten.
Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Der Eingriff des Revisionsgerichts ist aber dann möglich und erforderlich, wenn die Strafzumessungserwägungen fehlerhaft sind (vgl. BGHST 29, 319,320). Das ist hier der Fall, weil das Amtsgericht - worauf der Verteidiger in seiner Gegenerklärung (§ 349 Abs.3 StPO) zu den antragsbegleitenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist unter Verstoß gegen § 46 Abs.3 StGB einen Umstand, der bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes und damit Grund der Strafbarkeit ist, im Rahmen der Strafzumessung (nochmals) berücksichtigt hat.
Straferschwerend hat das Amtsgericht gewertet, "dass der Angeklagte die Trunkenheitsfahrt vorsätzlich beging, "indem er volles Risiko ging" ". Das war unzulässig. Ein vorsätzliche Führen eines Kraftfahrzeuges im Zustand der Fahruntüchtigkeit ist Grund der Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung auch in der Tatbestandsalternative des § 315c Abs.1 Nr. 1 a, Abs.3 Nr.1 StGB. Umstände, die das diesbezügliche Wissen und Wollen des Angeklagten betreffen, durfte das Amtsgericht ihm Rahmen seiner Strafzumessungserwägungen mithin nicht (mehr) berücksichtigen. Die Formulierung "indem er 'volles Risiko ging" bietet auch keinen Hinweis darauf, dass das Amtsgericht eine jenseits der durch das "Regeltatbild" gezogenen Grenze liegende besondere Gesinnung des Angeklagten als strafschärfenden Aspekt gewertet hat, was ihm - wie sich aus § 46 Abs.2 StGB ergibt grundsätzlich nicht verwehrt ist. Die Bedeutung der durch Anführungszeichen vom Amtsgericht als Zitat gekennzeichneten Worte "volles Risiko ging" erhellt sich bei der im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgten Darstellung der Angaben des Angeklagten zur Sache. Dazu ist in dem Urteil u.a. ausgeführt:
"Er hat außerdem letztlich zugestanden, dass ihm bei Fahrtantritt bewusst gewesen sei, dass er deutlich alkoholisiert gewesen sei und deshalb sein Kraftfahrzeug nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr habe führen dürfen. Dazu hat er angegeben, er sei bewusst "volles Risiko gegangen", womit er zum Ausdruck bringen wollte, ihm sei seine Alkoholisierung bewusst gewesen, er habe gewusst, dass er nicht mehr habe fahren dürfen, habe diese Trunkenheitsfahrt jedoch bewusst und gewollt durchgeführt, in der Hoffnung, hierbei nicht weiter aufzufallen."(III. 2. Absatz, Seite 5 UA) In diesem Kontext ist das vorgenannte Zitat jedoch nur als Umschreibung einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt im Sinne eines direkten Vorsatzes (dolus directus 2. Grades) zu verstehen. Damit in Einklang stehen die von dem Amtsgericht zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen. Hierzu heißt es in dem angefochtenen Urteil:
"Dem Angeklagten war in diesem Augenblick bewusst, dass er aufgrund seiner für ihn deutlich spürbaren Alkoholisierung sein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr fahren durfte. Dennoch entschloss er sich bewusst und gewollt, unter Alkoholeinfluss sein Kraftfahrzeug nach Recke und zurück zu führen. obgleich er naturgemäß den genauen Grad seiner Alkoholisierung nicht kannte, war ihm in diesem Augenblick bewusst, dass er große Schwierigkeiten bekommen würde, falls er bei der anschließenden Trunkenheitsfahrt in eine polizeiliche Kontrolle geraten würde. Der Angeklagte entschloss sich aber, "volles Risiko zu gehen", er wollte trotz seiner deutlich spürbaren Alkoholisierung die Fahrt mit seinem Kraftfahrzeug durchfuhren, obgleich er wusste, dass ihm dies wegen seiner Alkoholisierung nicht mehr erlaubt war."(II. 1. Absatz, Seite 3 UA).
Ein abweichendes Verständnis der Äußerungen des Angeklagten hat danach auch das Amtsgericht bei den von ihm getroffenen Feststellungen zum Tatgeschehen nicht zugrundegelegt. Unter diesen Umständen sieht der Senat die mit dem "volles Risiko gehen" umschriebene subjektive Einstellung des Angeklagten nicht als Hinweis auf die strafschärfende Bedeutung der Gesinnung des Täters.
Die danach unzulässige Bewertung eines Tatbestandsmerkmales im Rahmen der Strafzumessung zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrundeliegenden Feststellungen, § 353 StPO. Im Umfang der Aufhebung war die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ibbenbüren zurückzuverweisen, § 354 StPO. Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da deren Erfolg im Sinne von § 473 Abs.1 StPO noch nicht feststeht.
Ende der Entscheidung
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