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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: 4 Ss 203/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 145 a
Der Angeklagte kann zur Hauptverhandlung auch über den gewählten Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, geladen werden, jedoch ist eine solche Zustellung nur wirksam, sofern das Empfangsbekenntnis von diesem Verteidiger persönlich unterzeichnet wird. Bei Vertretungen muss die Empfangsberechtigung, die auch bei einer Sozietät nicht ohne weiteres gegeben ist, nachgewiesen werden. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, prüft das Revisionsgericht auf die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge hin im Freibeweis
Beschluss Strafsache gegen O.D. wegen Betruges

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold vom 27. November 2002 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 04. 2003 durch die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 11. September 2002 wegen Betruges in 12 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Hiergegen hat der Angeklagte mit Schreiben vom 12. September 2002, das beim Amtsgericht Detmold am 13. September 2002 eingegangen ist, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 18. September 2002 meldete sich als Verteidiger für den Angeklagten Rechtsanwalt Dr. K. und legte eine vom Angeklagten unterzeichnete Strafprozessvollmacht vom 17. September 2002 vor, in der es unter Ziffer 6 heißt:

"Zustellungen aller Art, namentlich auch von Beschlüssen, Urteilen und Ladungen, in Empfang zu nehmen, einschließlich § 132 Abs. 1 Ziff. 2 StPO".

Nach dem eine Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung zum 27. November 2002 mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurückgekommen war, verfügte der Vorsitzende der kleinen Strafkammer die Ladung des Angeklagten über dessen Verteidiger gem. § 145 a StPO. Das Empfangsbekenntnis ist am 07. November 2002 unterzeichnet. Mit Schriftsatz vom 06. November 2002, welcher am 07. November beim Landgericht Detmold eingegangen ist, hat Rechtsanwalt Dr. K. das Wahlmandat niedergelegt und zugleich beantragt, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Die Beiordnung erfolgte am 18. November 2002. In der Berufungshauptverhandlung vom 27. November 2002 erschien der Angeklagte nicht und durch Urteil vom selben Tage wurde seine Berufung gem. § 329 StPO verworfen mit der Begründung, die Zustellung der Ladung für den Angeklagten an den Verteidiger sei noch wirksam gewesen, da das Wahlmandat noch nicht niedergelegt und er zum Zeitpunkt der Zustellung noch nicht als Pflichtverteidiger beigeordnet gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Revision rügt, der Angeklagte sei zur Berufungshauptverhandlung nicht wirksam geladen worden, weil eine Vollmacht des Verteidigers zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Die Verfahrensrüge ist formgerecht erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Das Berufungsgericht kann das Rechtsmittel des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verwerfen, wenn er dem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt fernbleibt und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden ist. Dies setzt jedoch voraus, dass es dem Angeklagten auch möglich ist, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Er muss deshalb unter Beachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten über Ort, Zeit und Gegenstand der Hauptverhandlung sowie über die Folgen seines Ausbleibens unterrichtet worden sein (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 329 Rn. 9 - 11). Der Angeklagte ist jedoch im vorliegenden Verfahren - wie die Revision im Ergebnis zu Recht rügt - nicht ordnungsgemäß geladen worden. Das Landgericht geht zwar im Ansatz zu Recht davon aus, dass die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung auch über den gewählten Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, geladen werden kann, jedoch ist eine solche Zustellung nur wirksam, sofern das Empfangsbekenntnis von diesem Verteidiger persönlich unterzeichnet wird (vgl. Kaiser, NJW 1982, 1367, 1368). Bei Vertretungen muss die Empfangsberechtigung, die auch bei einer Sozietät nicht ohne weiteres gegeben ist, nachgewiesen werden. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, prüft das Revisionsgericht auf die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge hin im Freibeweis (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 329 Rn. 48 m. w. N. und OLG Düsseldorf StV 82, 127, 128). Ein Vergleich der in der Akte befindlichen Unterschriften des Verteidigers Dr. K. mit der Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis zur Ladung zum Termin am 27. November 2002 ergibt, dass dieses Empfangsbekenntnis nicht von Rechtsanwalt Dr. K. unterzeichnet ist. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass derjenige, der das Empfangsbekenntnis am 07. November 2002 unterzeichnet hat, in Untervollmacht für den gewählten Verteidiger Dr. K. handelte. Mithin ist keine wirksame Ladung des Angeklagten gemäß § 145 a StPO erfolgt.

Das angefochtene Urteil beruht auch auf den Verfahrensfehler, weil nicht auszuschließen ist, dass der Angeklagte bei einer ordnungsgemäßen Ladung zur Berufungshauptverhandlung erschienen wäre (§ 337 Abs. 2 StPO).

Das angefochtene Urteil war dementsprechend nach § 353 StPO aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Dieser Strafkammer war die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen, weil sie davon abhängig ist, ob das Rechtsmittel auch im Endergebnis Erfolg hat.

Ende der Entscheidung

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