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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 4 Ss 286/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 21
StGB § 47
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 64
StGB § 67 Abs. 2
StGB § 67 Abs. 5 S. 1
StGB § 113
StGB § 243
StGB § 249 Abs. 2
Wird ein Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, spricht das grundsätzlich für die Anwendung auch des Strafrahmens des § 243 StGB. Etwas anderes gilt jedoch insbesondere dann, wenn gewichtige Strafmilderungsgründe, insbesondere vertypte Strafmilderungsgründe, vorliegen.
Beschluss

Strafsache gegen V. L.,

wegen räuberischen Diebstahls u.a..

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 27. März 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 08. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht - im Umfang der Verwerfung der Revision auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers - einstimmig beschlossen:

Tenor:

Unter Verwerfung der Revision im Übrigen wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben. Davon ausgenommen sind die Feststellungen zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB, die aufrechterhalten bleiben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:

I. Der Angeklagte ist durch das Amtsgericht Rheine vom 23. August 2007 wegen "schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, wegen Diebstahls sowie räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Auf seine zulässige Berufung hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben. Es hat ihn wegen Diebstahls in zwei Fällen und wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Osnabrück vom 3. August 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sieben Monaten und zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt. Außerdem hat es angeordnet, dass die Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen ist, bis 14 Monate der Freiheitsstrafe vollstreckt sind.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner zulässigen Revision, mit der er ohne nähere Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II. Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts in zulässiger Weise begründete Revision hat hinsichtlich des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zumindest einen vorläufigen Erfolg.

1. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Revision war insoweit auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Damit stehen folgende Straftaten des Angeklagten fest:

"1. Am 04.03.2007 konsumierte er morgens zunächst etwa 1 g Heroin und 2 g Kokain als Cocktail.

Dann schlug er gegen 10.25 Uhr in Ibbenbüren die Seitenscheibe eines PKW ein. Er wollte aus dem Wagen Beute entwenden, um diese zu verkaufen. Aus diesem Auto nahm er ein Navigationsgerät der Marke TomTom im Wert von rund 300,00 Euro. Dieses Navigationsgerät verkaufte er anschließend. Von dem Erlös finanzierte er, wie geplant, seinen Kokainkonsum.

2. Am 02.04.2007 fuhr der Angeklagte nach Osnabrück und kaufte dort etwa 1 g Kokain. Die Hälfte davon konsumierte er zusammen mit etwa 0,2 g Heroin.

Am Abend des 02.04.2007 entwendete er dann in Osnabrück in der Nähe des Bahnhofs Hasetor ein Trekkingrad der Marke Bergamont. Die Kammer geht zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass dieses Fahrrad nicht abgeschlossen war. Der Angeklagte wollte dieses Fahrrad nicht verkaufen, sondern dauerhaft behalten und für sich benutzen. Deswegen fuhr er damit zum Bahnhof und nahm das Fahrrad im Zug mit nach Ibbenbüren.

Das Fahrrad konnte inzwischen an den Eigentümer zurückgegeben werden.

3. Am 04.04.2007 hatte der Angeklagte einen heftigen Streit mit seiner Freundin. Infolgedessen konsumierte er über den Tag hinweg verteilt insgesamt 5 g Kokain und 2 g Heroin als Drogencocktails. Dann waren seine Vorräte aufgebraucht. Er beschloss, einen Einbruch zu begehen, um sich Geld für neue Drogen zu beschaffen.

Daher schlug er am 05.04.2007 gegen 1.00 Uhr morgens eine Schaufensterscheibe einer Telekom-Filiale in Ibbenbüren ein. Durch das so entstandene Loch drang er in die Geschäftsräume ein. Er verletzte sich dabei und verlor Blut. Im Geschäftsraum packte er etwa 20 Handys, 4 Handy-Dummies und einen Laptop der Firma Fujitsu/Siemens mit WLAN-Steckkarte in eine mitgebrachte Umhängetasche. Bei der Tat trug er eine Gesichtsmaske und Gummihandschuhe. Über seine Schuhe hatte er Strümpfe gezogen. Da er einen Alarm ausgelöst hatte, wurde das Gebäude von der Polizei umstellt. Die Polizeibeamten forderten ihn auf, das Gebäude zu verlassen. Der Angeklagte verließ das Geschäft durch das Loch in der Schaufensterscheibe. Die Beute trug er bei sich. Draußen standen etwa drei bis vier Polizisten. Der Angeklagte wollte fliehen. Die Polizeibeamten hielten ihn jedoch fest. Der Angeklagte trat und schlug wild um sich, um zu fliehen und um die Beute zu behalten. Das gelang ihm nicht. Drei Polizeibeamte schafften es schließlich, ihn zu Boden zu bringen und zu fixieren. Da der Angeklagte sich vorher beim Einbruch an der Scheibe verletzt hatte, blutete er. Bei dieser Rangelei wurden Polizisten mit seinem Blut bespritzt. Der Angeklagte ist mit Hepatitis C infiziert. Diese Infektion wurde allerdings auf keinen Polizisten übertragen.

Seit dem 05.04.2007 befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft. Dort erhielt er zunächst Methadon. Es gelang ihm, seinen Bruder zu zwingen, fünfmal Heroin für ihn in das Gefängnis hereinzuschmuggeln.

Es ist möglich, dass der Angeklagte bei den Taten vom 04.03. und 05.04.2007 im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte."

2. Keinen Bestand haben können dagegen der Rechtsfolgenausspruch und die insoweit zugrundeliegenden Feststellungen des Landgerichts. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt mehrere schwerwiegende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

a) Das Landgericht hat insoweit ausgeführt:

"V.

Der Angeklagte hat daher am 04.02.2007 einen Diebstahl im besonders schweren Fall (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB) begangen. Zur Ausführung der Tat ist er in das Kraftfahrzeug eingebrochen.

Am 02.04.2007 hat der Angeklagte sich wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB strafbar gemacht.

Außerdem hat der Angeklagte sich am 05.04.2007 wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß §§ 242, 252, 249, 113 Abs. 1, 52 StGB strafbar gemacht.

Bei der Strafzumessung hat die Kammer nach § 46 StGB zu Gunsten des Angeklagten für alle Taten berücksichtigt, dass er sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor der Kammer geständig war, abgesehen von seinen Ausführungen zu der Frage, ob er am 05.04.2007 die Gewalt auch angewandt hat, um sich im Besitz der Beute zu halten.

Außerdem hat das Amtsgericht Ibbenbüren wegen dieser Taten die Aussetzung des Strafrestes aus seinem Urteil vom 29.11.2004 schon widerrufen.

Bei den Taten vom 02. und 05.04.2007 hat die Kammer darüber hinaus berücksichtigt, dass die Beute an die Eigentümer zurückgelangt ist. Dadurch ist im Ergebnis kein besonderer wirtschaftlicher Schaden entstanden.

Außerdem geht die Kammer zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass seine Schuldfähigkeit bei den Taten vom 04.03. und 05.04.2007 aus den oben genannten Gründen vermindert war (§ 21 StGB).

Zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer nach § 46 StGB berücksichtigt:

Der Angeklagte war bereits am 28.11.2003 vom Amtsgericht Ibbenbüren unter anderem wegen Diebstahls verurteilt worden, allerdings noch nach dem Jugendgerichtsgesetz. Außerdem war er am 29.11.2004 vom Amtsgericht Ibbenbüren unter anderem wegen Betruges in 62 Fällen und Diebstahls in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, allerdings auch nach dem Jugendgerichtsgesetz. Die Strafe ist teilweise vollstreckt worden. Auch das hat den Angeklagten aber nicht davon abgehalten, erneut Straftaten zu begehen.

Bei der Tat vom 05.04.2007 hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten ferner berücksichtigt, dass er die Tat mit einer gewissen Planung vorbereitet hatte. Der Angeklagte hatte eine Gesichtsmaske, Gummihandschuhe und Strümpfe über den Schuhen. Außerdem ist er zur Ausführung des Diebstahls in das Ladenlokal eingebrochen, indem er die Scheibe eingeschlagen hat. Tateinheitlich zum räuberischen Diebstahls hat er darüber hinaus eine Straftat nach § 113 StGB verwirklicht. Bei dieser Tat bestand im Übrigen die Gefahr, dass die Polizisten mit Hepatitis C infiziert wurden. Der Angeklagte blutete, weil er sich beim Einbruch an der eingeschlagenen Scheibe verletzt hatte. Bei der Rangelei wurden Polizeibeamte mit Blut befleckt. Es war nicht ausgeschlossen, dass das infizierte Blut des Angeklagten in den Blutkreislauf eines Polizeibeamten gelangte.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Kammer für die Tat vom 04.03.2007 eine Einzelstrafe von sechs Monaten gebildet und für die Tat vom 02.04.2007 eine solche von drei Monaten. Für die Tat vom 05.04.2007 hat sie zunächst geprüft, ob ein minder schwerer Fall im Sinne von §§ 252, 249 Abs. 2 StGB vorliegt. Das hat sie bejaht, weil es nicht auszuschließen ist, dass der Angeklagte im Zustand verminderter Schuldfähigkeit handelte (§ 21 StGB). Unter Abwägung der oben genannten Gesichtspunkte der Strafzumessung hat die Kammer dann für die Tat vom 05.04.2007 eine Einzelstrafe von zwei Jahren zwei Monaten gebildet.

Darüber hinaus musste die Kammer die Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Osnabrück vom 03.08.2007 nach § 55 StGB einbeziehen. Dabei hat sie berücksichtigt, dass von den 35 Tagessätzen bereits zwei Tagessätze getilgt sind.

Unter erneuter Abwägung der oben genannten Gesichtspunkte sowie der Umstände, die im Strafbefehl des Amtsgerichts Osnabrück vom 03.08.2007 genannt sind, hat die Kammer daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sieben Monaten gebildet.

VI.

Die Kammer hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Bei dem Angeklagten besteht der Hang, Drogen im Übermaß zu sich zu nehmen. Das hat die Sachverständige ohne zu zögern bejaht. Für die Kammer ist das auch ohne weiteres plausibel. Der Angeklagte konsumierte bereits seit dem 17. Lebensjahr Heroin. Als er mit 18 Jahren nach Deutschland eingereist war und kein Heroin mehr zur Verfügung hatte, litt er bereits unter Entzugssyndromen und musste in einer Klinik behandelt werden. Auch in den folgenden Jahren hat er ständig Heroin konsumiert, etwa ab dem Jahr 2004 dann auch als Cocktail mit Kokain gemischt.

Die Taten vom 04.03. und 05.04.2007 gehen auf diesen Hang zurück. Das ergibt sich aus den oben genannten Ausführungen. Der Angeklagte hat diese Taten begangen, um mit der Beute Drogen zu kaufen. Dadurch wollte er den befürchteten Entzugserscheinungen entgehen.

Es besteht auch die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hanges weitere rechtswidrige Taten begehen wird. Aufgrund des bisherigen Lebenslaufes und der Verurteilungen hat die Sachverständige das ohne zu zögern angenommen. Die Kammer teilt diese Beurteilung nach eigener Überprüfung. Der Angeklagte ist bereits am 29.11.2004 unter anderem wegen Betruges in 62 Fällen und Diebstahls in 3 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hat diese Taten damit begründet, dass er sich Geld beschaffen wollte, um seine Sucht nach Drogen zu finanzieren. Aus diesem Grund hat er auch die Straftaten vom 04.03. und 05.04.2007 begangen. Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass er auch in Zukunft ähnliche Straftaten begehen wird, wenn seine Abhängigkeit fortbesteht. Der Angeklagte hat anscheinend selbst in der Vergangenheit keine andere Möglichkeit gesehen, um seinen oben genannten, relativ hohen Konsum von Heroin und Kokain zu finanzieren. Auch die Kammer geht davon aus, dass ihm ein reguläres Einkommen als Arbeiter, Lagerist oder ähnliches nicht genügen würde, um sich dafür Heroin und Kokain in vergleichbarem Umfang zu beschaffen. Es kommt hinzu, dass der Angeklagte noch Schulden hat, die er für das Jahr 2007 auf rund 80.000,00 Euro beziffert hat.

Die Behandlung in der Entziehungsanstalt erscheint nicht von vornherein aussichtslos. Die Sachverständige hat dem Angeklagten vielmehr bescheinigt, dass er therapiefähig sei. Sie bezeichnet ihn als durchschnittlich intelligent. Außerdem verweist sie darauf, dass er ausgezeichnet Deutsch spricht, bereits eine Therapie erfolgreich abgeschlossen hat und eine Zeit lang abstinent gelebt hat. Trotz des Rückfalls meint sie daher, dass er eine ernsthafte Chance habe, die Entziehungskur erfolgreich zu bestehen. Die Kammer schließt sich auch dieser Beurteilung an. Es ist ohne weiteres verständlich, dass gute Kenntnisse der deutschen Sprache eine Drogentherapie deutlich erleichtern. Darüber hinaus zeigt die zunächst erfolgreich abgeschlossene Therapie, dass der Angeklagte grundsätzlich in der Lage ist, derartige Maßnahmen bis zu ihrem Ende erfolgreich durchzuhalten. Trotz des Rückfalls lassen diese Umstände darauf schließen, dass eine Entziehungskur jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos ist.

Nach § 67 Abs. 2 StGB hat die Kammer angeordnet, dass die Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen ist, bis 14 Monate der Freiheitsstrafe vollstreckt sind.

Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Maßregel nach § 67 Abs. 1 StGB grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe vollzogen wird. Die Kammer ist allerdings davon überzeugt, dass der Zweck der Maßregel im Fall des Angeklagten leichter erreicht wird, wenn zunächst der oben genannte Teil der Freiheitsstrafe vollzogen wird. Die Sachverständige hält es im Fall des Angeklagten aus therapeutischen Gründen für erforderlich, die Therapie nach der Strafe durchzuführen. Aus therapeutischer Sicht hat sie es mit deutlichen Worten als "Unfug" bezeichnete, wenn der Angeklagte nach der Therapie noch eine Freiheitsstrafe absitzen müsste. Für die Therapie sei es demotivierend, wenn der Angeklagte anschließend noch eine Haft absitzen müsse. Dadurch werde der Erfolg der Maßnahme gefährdet. Auch das ist für die Kammer ohne weiteres einleuchtend. Ihr ist auch aus anderen Verfahren bekannt, dass der Erfolg einer Therapie ernsthaft gefährdet wird, wenn der Angeklagte im Anschluss an die Therapie nicht in die Freiheit entlassen wird, sondern noch einen Teil der Freiheitsstrafe im regulären Strafvollzug verbüßen muss. Im Fall des Angeklagten kommt hinzu, dass es ihm sogar in der Haft gelungen ist, sich in fünf Fällen Heroin zu beschaffen.

Bei der Dauer des Vorwegvollzuges hat die Kammer berücksichtigt, dass die Entziehungskur nach den Ausführungen der Sachverständigen etwa sechs Monate dauern wird. Auch hier schließt die Kammer sich den Ausführungen der Sachverständigen an. Diese hat als Leiterin einer Suchtabteilung umfassende Erfahrungen in der Behandlung von Suchterkrankungen. Darüber hinaus hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, aus der Haft entlassen zu werden, wenn die verbüßte Strafhaft einschließlich die Dauer des Maßregelvollzuges 2/3 der insgesamt verhängten Strafe erreichen. Bei einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sieben Monaten und einer voraussichtlichen Therapiedauer von sechs Monaten verbleibt dann ein Vorwegvollzug von 14 Monaten. Vorsorglich weist die Kammer allerdings auch an dieser Stelle darauf hin, dass diese Anordnung des Vorwegvollzuges nach § 67 Abs. 3 StGB nachträglich geändert werden kann, wenn sich herausstellt, dass das aufgrund von Umständen in der Person des Angeklagten angezeigt ist."

b) Diese Erwägungen sind in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

aa) Rechtsfehlerhaft ist zunächst, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob der Tat vom 4. März 2007 - Aufbruch eines Pkw und Diebstahl eines Navigationsgerätes - der Strafrahmen des § 243 StGB oder der des § 242 StGB zugrundezulegen ist. Zwar hat der Angeklagte ein Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, was grundsätzlich für die Anwendung auch des Strafrahmens des § 243 StGB spricht. Etwas anderes gilt jedoch insbesondere dann, wenn gewichtige Strafmilderungsgründe, insbesondere vertypte Strafmilderungsgründe, vorliegen (Fischer, StGB, 55. Auflage, § 46 Rdnr. 92 m.w.N.). Vorliegend hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 21 StGB zugunsten des Angeklagten bejaht und gerade diesen Punkt bei der Strafrahmenwahl des §§ 252, 249 StGB zum Anlass genommen, einen minder schweren Fall des räuberischen Diebstahls anzunehmen. Deshalb liegt es mehr als nahe, für die vorliegende Tat bei ansonsten im Wesentlichen identischen Strafzumessungserwägungen das Vorliegen eines besonders schweren Falles zu verneinen. Dadurch, dass das Landgericht diesen Umstand verkannt hat, hat es sich den Blick für die Wahl des zutreffenden Strafrahmens verstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht erkennbar ist, ob das Landgericht hinsichtlich des Strafrahmens des § 243 StGB die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat oder nicht. Das Urteil verhält sich hierzu an keiner Stelle.

bb) Bei der festgesetzten Einzelstrafe von drei Monaten für den einfachen Diebstahl des Fahrrades vom 2. April 2007 fehlen Ausführungen zu § 47 StGB. Insoweit liegt zwar nahe, die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe festzustellen. Angesichts des Umstandes, dass Motiv und Tatschwere sich von den anderen Straftaten unterscheiden, erscheint allerdings die Verneinung der Unerlässlichkeit nicht absolut zwingend. Die Entscheidung bedarf daher einer - über die Wiedergabe des Wortlautes des Gesetzes hinausgehenden - Begründung.

cc) Die Strafzumessungserwägungen zum räuberischen Diebstahl in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vom 5. April 2007 sind insoweit nicht unbedenklich, als im Rahmen der Widerstandshandlung straferschwerend berücksichtigt worden ist, der Angeklagte habe die einschreitenden Polizeibeamten in die Gefahr einer Hepatitis-C-Infektion gebracht. Da weder festgestellt ist, dass dem Angeklagten seine bestehende Hepatitis-C-Infektion bekannt war, noch dass er seine blutende Verletzung bemerkt hat, ist nicht ersichtlich, dass ihn an der eingetretenen, möglicherweise nur abstrakten Gefährdung irgendein Verschulden traf, das Grundlage einer strafschärfenden Erwägung sein könnte. Im Übrigen vermisst der Senat nähere Feststellungen dazu, warum es zu einer wie auch immer gearteten Gefährdung der Polizeibeamten gekommen sein soll, da diese üblicherweise einen derartigen Einsatz nicht ohne jeden Schutz - z.B. durch feste Lederhandschuhe - durchführen.

dd) Völlig verfehlt ist der rechtliche Ansatz bei der Erfolgsaussicht für die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, die Behandlung in der Entziehungsanstalt erscheine nicht "von vornherein aussichtslos", ist für die zugrundeliegende gesetzliche Regelung in § 64 Abs. 2 StGB a.F. bereits durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91, 1 ff.) festgestellt worden, dass diese Vorschrift nur bei verfassungskonformer einschränkender Auslegung verfassungsgemäß ist. Seit dieser Zeit ist geklärt, dass eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für den Behandlungserfolg bestehen muss, soll eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden. Der Gesetzgeber hat dementsprechend § 64 durch Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) neu gefasst und nunmehr in § 64 S. 2 StGB n.F. ausdrücklich bestimmt, dass die Anordnung nur ergehen darf, "wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen."

Die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen der Sachverständigen würden zwar im Wesentlichen diesen Anforderungen gerecht, wobei allerdings die wesentliche Frage nach der Therapiewilligkeit des Angeklagten unklar bleibt. Da das Landgericht zudem nach Wiedergabe der Ausführungen der Sachverständigen angeschlossen hat: "Trotz des Rückfalls lassen diese Umstände darauf schließen, dass eine Entziehungskur jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos ist", vermag der Senat nicht festzustellen, ob sich das Landgericht nur eingeschränkt oder vollständig den Ausführungen der Sachverständigen anzuschließen vermocht hat.

ee) Schließlich sind die Erwägungen der Strafkammer zur Dauer des Vorwegvollzuges rechtsfehlerhaft.

Das Landgericht hätte seinen Erwägungen § 67 Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in der Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) zugrunde legen müssen, das in Absatz 2 S. 3 Folgendes bestimmt:

"Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist."

§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB hat folgenden Wortlaut:

"Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist."

Der angewandte Maßstab einer möglichen Zweidrittelentlassung geht somit grundsätzlich fehl. Ob der Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. StV 2008, 307) zu folgen ist, wonach auf den Zeitpunkt einer Zweidrittelentlassung abzustellen ist, wenn eine Halbstrafenentlassung nach den Gesamtumständen völlig ausscheidet, kann dahinstehen, weil sich das angefochtene Urteil hierzu nicht verhält. Im Übrigen dürfte insoweit auch die Rechtsprechung der übrigen Strafsenate einem solchen Verständnis entgegenstehen (vgl. BGH, 3. Strafsenat, StV 2008, 180, 180) = NStZ 2008, 213 ("Denn § 67 Abs. 2 S. 3 StGB n.F. bestimmt zwingend, dass der vor der Unterbringung nach §§ 63, 64 StGB zu vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen ist, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gem. § 67 Abs. 5 S. 1 StGB n.F. möglich ist, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist."); 2. Strafsenat NStZ 2008, 212; 1. Strafsenat StV 2008, 306; wohl auch 4. Strafsenat StV 2007, 634).

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Dauer der Untersuchungshaft auf die vorweg zu vollstreckende Strafe anzurechnen ist (vgl. BGH, NStZ 2003, 257). Es bietet sich an, diesen Umstand jedenfalls klarstellend festzustellen. Da sich der Angeklagte ausweislich der Urteilsfeststellungen "seit dem 5. April 2007" und ausweislich des Rubrums auch aktuell in dieser Sache in Untersuchungshaft befunden hat, könnte sich der Angeklagte im Zeitpunkt des Urteilsspruchs bereits seit knapp einem Jahr in Untersuchungshaft befunden haben, falls die Vollstreckung der Untersuchungshaft nicht zum Zwecke des Vollzugs der Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Ibbenbüren vom 29. November 2004 unterbrochen worden sein sollte.

Im Übrigen begegnet die Berechnung der Länge der vorweg zu vollstreckenden Strafe auch in weiterer Hinsicht Bedenken. Das Landgericht geht der angehörten Sachverständigen folgend davon aus, dass die Dauer der Entwöhnungsbehandlung sechs Monate betragen wird. Die Strafkammer hat bei der Würdigung dieser Ausführungen der Sachverständigen möglicherweise nicht hinreichend bedacht, dass die durchschnittliche Behandlungsdauer von Patienten in allgemeinen Suchtkliniken - eine solche leitet die Sachverständige - zwar diesen Zeitrahmen aufweist, jedoch für die Behandlung forensisch Untergebrachter regelmäßig eine deutlich längere Dauer anzusetzen sein wird. Der Gesetzgeber geht von einer Behandlungsdauer von rund einem Jahr aus, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NStZ 2008, 212) ist in der Regel die Behandlungsdauer mit zwei Jahren anzusetzen. Auch nach den Erfahrungen des Senats ist eine Behandlungsdauer von nur sechs Monaten für nach § 64 StGB Untergebrachte ein absoluter Ausnahmefall. Angesichts dieser Umstände hätte es näherer Darlegung bedurft, warum bei dem Angeklagten nur die relativ kurze Behandlungsdauer von sechs Monaten ausreichend sein soll, zumal eine gleichfalls sechsmonatige Behandlung in der Vergangenheit nur kurzen Erfolg hatte.

Die Sache bedarf daher im tenorierten Umfang der neuen Verhandlung und Entscheidung durch eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster. Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da deren Erfolg noch nicht feststeht

Ende der Entscheidung

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