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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 4 Ss 290/07
Rechtsgebiete: JGG


Vorschriften:

JGG § 105
Zu den Anforderungen an die Begründung der Entscheidung, auf einen Heranwachsenden Erwachsenenstrafrecht anzuwenden.
Beschluss

Strafsache gegen D. K.,

wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - Münster vom 12. Januar 2007 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Leygraf, den Richter am Oberlandesgericht Duhme und den Richter am Oberlandesgericht Kallhoff nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Jugendgericht tätige Abteilung des Amtsgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Jugendgericht - Münster hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil wegen "fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr" zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,00 Euro verurteilt. Zugleich hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von sieben Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ist.

Das Rechtsmittel hat entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft jedenfalls vorläufig Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zutreffend ausgeführt:

"Jedoch hat das Rechtsmittel des Angeklagten zum Rechtsfolgenausspruch bereits mit der Sachrüge Erfolg, denn die Ausführungen zum Strafausspruch begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken sowohl in Bezug auf die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht als auch auf die Festsetzung der Sperrfrist.

Das Amtsgericht hat davon abgesehen, Jugendstrafrecht anzuwenden, ohne dieses näher auszuführen. Es hat allein festgestellt, dass er zur Tatzeit 19 Jahre und 10 Monate alt war und seine Entwicklung ohne Auffälligkeiten und Verzögerungen verlief. Nach Ablegung der Gesellenprüfung zum Maler im Sommer 2006 arbeitet er in einem Call-Center.

Diese Erwägungen tragen nicht die Ablehnung der Anwendung von Jugendstrafrecht. Für die Anwendung von Jugendstrafrecht - diese Entscheidung betrifft allein die Straffrage (vgl. BGHSt 5, 207 = NJW 54, 260) - kommt es darauf an, ob es sich bei dem Heranwachsenden um einen zur Tatzeit noch in der Entwicklung befindlichen prägbaren Menschen handelt, bei dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Dann käme die Anwendung von Jugendstrafrecht in Betracht. Um die Entscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar zu machen, bedarf es einer detaillierten Darlegung der Entscheidungsgründe. Der bloße Hinweis auf den Werdegang des Angeklagten, der zudem grob unvollständig ist - er wurde in der früheren Sowjetunion geboren -, reicht keineswegs aus. Es müssen vielmehr die Tatsachen und rechtlichen Schlussfolgerungen dargelegt werden, auf denen die jeweils konkrete Entscheidung beruht. Das Rechtsmittelgericht muss erkennen können, dass bei den Ermittlungen alle Möglichkeiten der Anwendung von Jugendstrafrecht ausgeschöpft wurden.

Bereits wegen dieses Darstellungsmangels ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Nur ergänzend ist anzumerken, dass zur Bemessung der Sperrfrist ein weiterer Darstellungsmangel festzustellen ist. Weder sind die Anknüpfungstatsachen (vorläufige Entziehung oder keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis) noch die rechtliche Grundlage (§ 69 a Abs. 1 oder § 69 a Abs. 4 StGB) dargestellt."

Das angefochtene Urteil war daher im Umfang der Anfechtung mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben, und die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Jugendgericht tätige Abteilung des Amtsgerichts Münster zurückzuverweisen. Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.

Ende der Entscheidung

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