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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.10.2004
Aktenzeichen: 4 Ss 388/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 69
StGB § 69 a
Bei der Bemessung der Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis kommt es allein darauf an, wie lange die Ungeeignetheit i.S.d. § 69 Abs. 1 StGB voraussichtlich bestehen wird. Bei charakterlicher Ungeeignetheit hat die Tatschuld nur mittelbar Bedeutung, als sie Rückschlüsse auf den Grad der Ungeeignetheit zulässt.
Beschluss

Strafsache

gegen G.T.

wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 9. Juni 2004 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 10. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Paderborn hat den Angeklagten am 9. Juni 2004 wegen versuchter Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 23,- € verurteilt. Ferner ist die Fahrerlaubnis des Angeklagten entzogen und sein Führerschein eingezogen worden. Vor Ablauf von einem Jahr und sechs Monaten darf dem Angeklagten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Am 20.01.2004 befuhr der Angeklagte gegen 21.23 Uhr in Büren die Bundesautobahn 44 in Fahrtrichtung Dortmund mit dem Pkw Daimler Crysler XXXXXXXX mit einer Geschwindigkeit von ca. 160 Km/h. Auf dem Beifahrersitz befand sich der Zeuge A.A. und auf der Rückbank mittig der Zeuge Hage. Kurz nach dem Autobahnkreuz zur Bundesautobahn 33 näherte sich der Angeklagte dem von der Zeugin B. gefahrenen Pkw Nissan (amtliches Kennzeichen XXXXXXXX). Die Zeugin B. hatte ursprünglich eine Reisegeschwindigkeit von ca. 110 Km/h, die sie jedoch schon vor dem Spurenwechsel zwecks Überholen mehrerer Lkw zumindest auf 120 bis 130 Km/h erhöht und sich vergewissert hatte, dass der Angeklagte bei Durchführung des Spurwechsels ausreichend weit entfernt war und durch sie nicht gefährdet wurde. Dennoch wurde der Angeklagte durch die Zeugin zur Herabsetzung seiner Reisegeschwindigkeit veranlasst, wobei er dicht auf den Pkw der Zeugin auffuhr und mehrmals die Lichthupe betätigte, um die Zeugin zur schnellerer Fahrweise zu bewegen. Die Zeugin setzte ihren Überholvorgang allerdings mit unveränderter Geschwindigkeit fort und ordnete sich anschließend auf die rechte Fahrspur ein.

Nachdem der Angeklagte den Pkw der Zeugin überholt hatte, scherte er zunächst scharf vor dem Pkw der Zeugin auf die rechte Spur ein, wodurch er die Zeugin schon zu einer Bremsung veranlasste. Anschließend bremste der Angeklagte grundlos heftig, wodurch die Zeugin die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor, gegen die Mittelleitplanke und schließlich auf dem Seitenstreifen zum Stillstand kam. Die Zeugin erlitt Rückenschmerzen, Prellungen und einen Schock und musste sich in ärztliche Behandlung begeben. Sie war eine Woche arbeitsunfähig. Der an dem von der Zeugin gefahrenen Pkw entstandene Schaden beträgt ca. 15.000,00 Euro. Beide unfallbeteiligten Fahrzeuge waren Mietwagen, wobei der Wagen der Zeugin dem von ihr üblicher Weise gefahrenen Fahrzeugmodell entspricht. Nachdem der Angeklagte den Unfall der Zeugin bemerkt hatte, hielt er an und fuhr auf dem Standstreifen rückwärts zur Unfallstelle zurück. Mit seinem Fahrverhalten durch die Zeugin konfrontiert äußerte er ihr gegenüber seine Motivation dahingehend, dass er dies aus Spaß gemacht habe, schließlich habe die Zeugin ihn auf der linken Spur ausgebremst."

Der Rechtsfolgenausspruch ist wie folgt begründet worden:

"Im Rahmen der Strafzumessung konnte allein zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er zumindest im Rahmen des letzten Wortes den Unfallhergang bedauerte. Auch ist insoweit zu beachten, dass er immerhin seiner Pflicht als Unfallbeteiligter nachgekommen ist, indem er zum Unfallort zurückgekehrt ist. Zu seinen Lasten war jedoch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte - wenn auch nicht einschlägig - erheblich vorbestraft ist und auch im Verkehrszentralregister mehrfach vermerkt ist, wobei innerhalb der letzten 3 Jahre zweimal die Fahrerlaubnis entzogen worden ist. Auch hierin spiegelt sich seine rücksichtslose Gesinnung im Straßenverkehr wieder. Ferner war der erhebliche Sachschaden sowie die Verletzungen der Zeugin B. zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen. Nach alledem hält das Gericht für die versuchte Nötigung eine Einzelstrafe von 40 Tagessätzen zu 23,00 Euro sowie für die weitere Tat eine Einzelstrafe von 90 Tagessätzen zu je 23,00 Euro für tat- und schuldangemessen. Unter nochmaliger Abwägung aller Umstände war hieraus eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 23.00 Euro zu bilden. Ferner war dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen und sein Führerschein einzuziehen. Die Verhängung einer Sperrfrist sowie die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erschien mit einem Jahr und 6 Monaten tat- und schuldangemessen."

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision, die ausweislich der gestellten Revisionsanträge in zulässiger Weise auf die Überprüfung der Dauer der Sperrfrist und der Höhe der Geldstrafe beschränkt ist.

II.

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Zwar weist der Rechtsfolgenausspruch Begründungsmängel auf.

Die Ausführungen des Amtsgerichts, wonach "die Verhängung einer Sperrfrist sowie die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ... mit 1 Jahr und 6 Monaten tat- und schuldangemessen" erschien, lässt besorgen, dass das Amtsgericht den Charakter der Maßnahme als Maßregel verkannt hat. Zweck einer Maßregel ist es, unabhängig von der Schuld gefährliche Täter zu bessern oder die Allgemeinheit vor ihnen zu schützen. Bei der Bemessung der Sperrfrist im Einzelfall kommt es allein darauf an, wie lange die Ungeeignetheit i.S.d. § 69 Abs. 1 StGB voraussichtlich bestehen wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 69 a Rdnr. 15 m.w.N.). Bei charakterlicher Ungeeignetheit, wie im vorliegenden Fall, hat die Tatschuld nur mittelbar Bedeutung, als sie Rückschlüsse auf den Grad der Ungeeignetheit zulässt (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., Rdnr. 17). Entscheidend ist das Maß einer bei der Anlasstat verursachten Verkehrsgefährdung im Zusammenhang mit einer prognostischen Würdigung der Persönlichkeit des Täters (vgl. BGHSt 7, 303; VRS 37, 423).

Soweit das Amtsgericht die Dauer der Sperrfrist von einem Jahr und sechs Monaten als schuldangemessen bezeichnet, ist diese Erwägung im Hinblick auf den verschuldensunabhängigen Charakter der Maßregel zwar rechtsfehlerhaft, darauf beruht das Urteil indes nicht. Angesichts der vom Amtsgericht festgestellten zahlreichen verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten, der bereits in zwei Fällen erfolgten Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungswege, die den Angeklagten offensichtlich nicht hinreichend beeindruckt hat, und der in der abgeurteilten Tat zutage getretenen groben Verkehrsgefährdung durch den Angeklagten, die zu einem schweren Verkehrsunfall geführt hat, schließt der Senat aus, dass das Amtsgericht bei Beachtung des verschuldensunabhängigen Charakters der Maßregel auf eine kürzere Sperrfrist erkannt hätte.

Abgesehen davon hätte der Senat auch gemäß § 354 Abs. 1 a StPO von der Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch abgesehen.

Der Rechtsfolgenausspruch im Übrigen lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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