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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 4 Ss 466/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 81a
Auch wenn eine Blutentnahme ohne das Vorliegen von "Gefahr im Verzug" nicht von einem Richter angeordnet worden ist, entsteht kein Beweisverwertungsverbot.
Beschluss

Strafsache in pp.

wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter vom 11. August 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 12. 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafrichterabteilung des Amtsgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil ist der Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 40Tagessätzen zu je 30,00 Euroverurteilt worden. Außerdem ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen worden. Die Straßenverkehrsbehörde ist angewiesen worden, ihm vor Ablauf von noch fünf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 3. Januar 2008 gegen 16.50 Uhr mit einem Pkw Ford, amtliches Kennzeichen MS - BL 1104 unter anderem in Münster die Friedrich-Wilhelm-Weber-Straße. Bei dem Versuch, nach links in die Ferdinand-Freilingrath-Straße einzubiegen, geriet er zunächst auf den aus seiner Fahrtrichtung gesehen rechten Gehweg, lenkte sodann nach links und "fuhr auf das auf der Fahrbahn stehende Taxi des Zeugen A., das dadurch vorne links beschädigt wurde. Der Zeuge A. und der Fahrgast wurden gefährdet. Sodann fuhr der Angeklagte ein Stück weiter und gegen den mit zwei Rädern auf dem Gehweg geparkten PKW Clio der Zeugin S. Es entstand ein Schaden an der hinteren Stoßstange. Insgesamt entstand an beiden Fahrzeugen ein Fremdschaden in Höhe von insgesamt 2.280 Euro. Ein durch die herbeigerufene Polizei durchgeführter Alco-Test ergab eine BAK von 3,26 Promille, die vom Zeugen PK P. darauf hin gegen 17.25 Uhr angeordnete Blutprobe ergab für 17.32 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 3,55 Promille.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Sprungrevision. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Insbesondere meint er unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - 2 BvR 273/06 -, hinsichtlich der Blutprobe bestehe ein Beweisverwertungsverbot, weil es entgegen des Richtervorbehaltes des § 81 a StPO durch den Zeugen PK P. angeordnet worden sei.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Es kann dahinstehen, ob die Verfahrensrüge ordnungsgemäß im Sinne von § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erhoben worden ist. Jedenfalls ist sie unbegründet.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. Juli 2008 - 2 BvR 784/08 (www.bundesverfassungsgeritht.de/entscheidungen) folgendes ausgeführt:

"- Absatz 9 -

b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zu beachten, dass Amtsgericht und Oberlandesgericht die Rechtmäßigkeit der Blutentnahme nicht umfassend nachzuprüfen hatten, sondern nur insofern, als dies für die Entscheidung über das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes von Bedeutung war. Insofern war der gerichtliche Prüfungsmaßstab ein anderer als im Falle einer - auch nachträglich erhobenen - Beschwerde gegen den Eingriff der Blutentnahme als solchen, der auch den Hintergrund der Kammerentscheidungen vom 12.Februar 2007 - 2 BvR 273/06 - und 31. Oktober 2007 - 2 BvR 1346/07 - darstellte. Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt-, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten (vgl. dazu BVerfGK 4, 283 (285); BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01u.a: -, NJW 2007, S. 499 (503 f.)). Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier und vom Beschwerdeführer auch als solcher nicht angegriffener Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können, danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. näher BGHSt 44, 243 (249); BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/07 -, NStZ 2007, S. 601 (602 f.); BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 455/03 -, NStZ 2004, S. 449 (450); speziell zum Fall des Verwertungsverbots infolge Verstoßes gegen § 81 a StPO Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 4. Februar 2008 - 2 - 1/07 (REV) - 1 Ss 226/07 -, Rn. 26 ff. (Juris); OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Mai 2004 - 2 Ws 77/04 -, Rn. 4 ff. (Juris); OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.' November 2007 - 1 Ss 532/07 -, NStZ 2008, s. 238 f.).

c) Amtsgericht und Oberlandesgericht haben das Verhalten der Ermittlungsbehörden an diesem Maßstab überprüft und sind somit ihrer Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 GG nachgekommen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Art und Weise des Umgangs der Gerichte mit der fehlenden Dokumentation der Gründe, die für die Annahme von Gefahr im Verzug durch die Polizei maßgeblich waren. Zwar beinhaltet das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Fällen der Inanspruchnahme einer Eilkompetenz, wie sie § 81 a StPO der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - der Polizei zugesteht, eine Dokumentations- und Begründungspflicht der anordnenden Stelle, um eine umfassende und eigenständige nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Anordnungsvoraussetzungen zu ermöglichen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweitens Senats vom 12. Februar 2007- 2 BvR 273/06 -, Rn. 13, 17 (Juris) unter Verweis auf BVerfGE 103,142 (160), BVerfGK 2,310 (315 f.) und BVerfGK 5,74 (79)). Entsprechend ist es in Fällen fehlender Evidenz dem zur Überprüfung berufenen Gericht verwehrt, die fehlende Dokumentation durch Verwendung einer ihm erst nachträglich zugänglich gemachten Stellungnahme der Ermittlungsbehörden gleichsam zu ersetzen; dies würde nämlich eine Nachbesserung der von ihm gerade zu kontrollierenden hoheitlichen Akte darstellen, welche die präventive Funktion des Richtervorbehalts leer laufen ließe (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweitens Senats vom 31. Oktober 2007 - 2 BvR 1346/07 -, Rn. 15 (Juris)). Diese Einschränkung der Prüfungskompetenz hat das Bundesverfassungsgericht bislang allerdings nur für die unmittelbare Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Handeins der Ermittlungsbehörden gefordert, die etwa auf nachträglichen Antrag des Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., 2003, § 81 a Rn. 13), gegebenenfalls auch im Beschwerderechtszug, erfolgt. Sie lässt sich nicht auf die durch das erkennende Gericht vorzunehmende Prüfung der Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbotes übertragen. Wenn die strafgerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass fehlende Dokumentation allein nicht zu einem Verwertungsverbot führt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 135/07 -, NStZ-RR 2007, S. 242 (243) unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - 1 StR 531/04 -, NStZ 2005, S. 392 (393)), ist das deswegen nicht zu beanstanden, zumal diese Rechtsprechung die Möglichkeit offen lässt, den Dokumentationsmangel entsprechend seinem Gewicht im Einzelfall als Gesichtspunkt in der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Auch im vorliegenden Fall war die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes daher unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie nicht geboten.

2. Ob der in der Blutentnahme liegende Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers als solcher Art; 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, ist vorliegend nicht zu prüfen, ......

Jedenfalls gebietet auch Art. 2 Abs. 2 Satz 1GG nicht ohne weiteres, im Falle eines - unterstellten - Verstoßes gegen §81 a StPO im Zuge einer richterlich nicht angeordneten Blutentnahme ein Verwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Beweismittel anzunehmen.

3. Schließlich liegt kein Verstoß gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vor. Unter diesem Gesichtspunkt ist lediglich zu prüfen, ob ein rechtsstaatlicher Mindeststandard gewahrt ist (vgl. BVerfGE 57, 250 (275f.) und weiter, ob die maßgeblichen strafrechtlichen Vorschriften unter Beachtung des Fairnessgrundsatzes und in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), ausgelegt und angewandt worden sind (vgl. BVerfGE 18, 85 (92 f.); BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Januar 1987 - 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662 (2663). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairnessgrundsatz ignorierende Handhabung der strafprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote gegeben. Im Übrigen dürfte bereits der in § 81a StPO enthaltene Richtervorbehalt nicht zum rechtsstaatlichen Mindeststandard zu zählen sein; denn das Grundgesetz enthält ausdrückliche Richtervorbehalte zwar für Wohnungsdurchsuchungen (Art. 13 Abs. 2 GG) und Freiheitsentziehungen (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG), nicht aber für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 3 GG). Unabhängig davon ist in Fällen wie dem vorliegenden jedenfalls die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Mindeststandards nicht geboten.".

Die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot ist somit nach gefestigter, vom Bundesverfassungsgericht gebilligter Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die StPO nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrecht einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme Von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Maßgeblich mit beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des in Frage stehenden Verfahrensverstoßes. Dieses wird seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt (vgl. zu allem BVerfG NJW 2006, 2684, 2686 und NStZ 2006,46,47; BGH NJW 2007, 2269, 2271; Hans. OLG Hamburg, Beschluss v. 5.9.2006, Az;,: 1I- 56/06; Hans. OLG Hamburg, StV 2008,454,455; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 5. Aufl., Rdnr. 362 ff. m.w.N.). Indes können einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig beschädigt wird. Dann wäre jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbotes - jenseits des in §136 a Abs. 3 S. 2 StPO normierten - unerträglich. Solches wurde in der Rechtsprechung des BGH angenommen bei der Durchführung von Abhörmaßnahmen unter Verstoß gegen völkerrechtliche Grundsätze (BGHSt 36, 396) oder ohne richterliche Anordnung zwecks Selbstbelastung (BGHSt 31, 304) oder zur gezielten Verleitung des Angeklagten zum unbewussten Schaffen von Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten (BGHSt 34, 39), ferner bei der Einbeziehung eines Raumgesprächs zwischen Eheleuten in die Telefonüberwachung (BGHSt 31, 296) und bei akustischer Wohnraumüberwachung' in einem nicht allgemeinzugänglichen, als Wohnung zu bewertenden Vereinsbüro (BGHSt 42, 372) und in einem Krankenzimmer (BGHSt 50,206; zu allem BGH NJW 2007,2269, 2271). Nicht angenommen worden ist ein Verwertungsverbot bei Unterbleiben der gebotenen Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b) S. 3 des Wiener Konsularrechtsübereinkommens (BVerfG NJW 2007; 499; BGH NJW 2008, 307; dahingestellt gelassen in BGH NJW 2007,3587).

Derartigen ein Verwertungsverbot begründenden Fallgestaltungen ist der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt nicht ausreichend ähnlich. Die Anordnung der Eilmaßnahme war der Staatsanwaltschaft bzw. ihren Ermittlungspersonen nicht schlechthin, verboten, sondern in Eilfällen grundsätzlich gestattet. Damit hat der Verstoß objektiv geringeres Gewicht als in Fällen, in denen der Polizei die Anordnung von Eingriffen der betreffenden Art schlechthin untersagt ist. Zudem kommt aus objektiver Sicht dem Umstand Bedeutung zu, dass ein richterlicher Anordnungsbeschluss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erlangen gewesen wäre: Damit liegt im Ergebnis nur ein Verfahrensverstoß vor.

In Sonderfällen schwerwiegender Rechtsverletzungen kann sich darüber hinaus ein Beweisverwertungsverbot ergeben, insbesondere bei Vorliegen von objektiver Willkür oder grober Fehlbeurteilung. In der Rechtsprechung des BGH wird bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot für notwendig gehalten (BGHR StPO § 105 Abs.1 Durchsuchung 4; vgl. zu allem BGH NJW 2007,2269,2271 f. und Hans. OLG Hamburg, StV 2008,454 ff.). Ob dies für das Massengeschäft von Blutentnahmen aufgrund des Verdacht von Trunkenheitsfahrten im Straßenverkehr in dieser Stringenz gelten muss, lässt der Senat offen, zumal sich in der Vergangenheit eine dahingehende polizeiliche Übung gebildet hatte, die aus Gründen der Beweissicherung und der möglicherweise beweisvernichtenden Folgen der ansonsten vorzunehmenden Rückrechnung nachvollziehbar erscheint.

Selbst unter Beachtung der o.a. Grundsätze sind folgende Überlegungen in die Abwägung einzustellen: In Abwägung der betroffenen Rechtsgüter stand dem hochrangigen Interesse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nach § 315 c StGB das unter einfachem Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht des Angeklagten auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gegenüber, Wobei es sich bei dem Eingriff in dieses Grundrecht um einen solchen von relativ geringer Intensität und Tragweite handelte. Auch stand - anders als etwa im Fall einer Wohnungsdurchsuchung unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 GG - nur ein einfach gesetzlicher Richtervorbehalt in Rede. Die Eilanordnung der Polizei war nicht schlechthin verboten, ein richterlicher Anordnungsbeschluss wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erlangen gewesen. Von einer bewussten Umgehung des Richtervorbehalts oder willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug ist nicht auszugehen. Insoweit mangelt es schon an einem entsprechenden Tatsachenvortrag. Insgesamt vermag der Senat ein Beweisverwertungsverbot nicht zu erkennen.

2. Das angefochtene Urteil hält jedoch der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

a) Hinsichtlich der Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung ist die Feststellung, der Zeuge A. und sein Fahrgast seien konkret gefährdet worden, nicht nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet. Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, der Angeklagte sei gegen das stehende Taxi des Zeugen gefahren und habe dieses "vorne links beschädigt". Dieser Geschehensablauf lässt die Schlussfolgerung auf eine, konkrete Gefährdung des Zeugen und seines Fahrgastes jedenfalls nicht ohne weiteres zu, da Angaben zur Geschwindigkeit oder zur Wucht des Aufpralls fehlen. Eine konkrete Gefährdung dieser beiden Personen ist daher nicht nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet.

b) Letztlich unklar ist auch, ob der Angeklagte, sofern ihm fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung zur Last gelegt werden könnte, für eine oder zwei selbständige Handlungen zur Verantwortung zuziehen ist und ob es im Falle von zwei selbständigen Handlungen zu einer konkreten Gefahr für Sachen von bedeutendem Wert gekommen ist.

Das Amtsgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte gegen das Fahrzeug des Zeugen A. gefahren sei, sodann weitergefahren' sei gegen den Pkw der Zeugin S. Diese den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt nur unvollständig beschreibenden Feststellungen lassen schon die Prüfung nicht zu, ob eine oder zwei selbständige Handlungen anzunehmen sind. Grundsätzlich führt ein Unfall dazu, dass die Entscheidung zur Weiterfahrt auf einem neuen Tatentschluss beruht (Fischer, StGB, 55. Auflage, § 316 Rdnr. 56). Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich bei Gesamtwürdigung des Geschehensablaufes ein solcher Tatentschluss nicht feststellen ließe, etwa, weil der Fahrer den ersten Unfall nicht bemerkt hat oder sich die beiden Unfälle bei natürlicher Betrachtung als einheitliches Geschehen darstellen, das durch den ersten Unfall nicht unterbrochen worden ist. Insoweit wären Feststellungen dazu zu treffen gewesen, ob zwischen dem ersten Unfall und der Weiterfahrt eine gewisse Zeitspanne, gelegen hat oder ob es, was naheliegend ist, beispielsweise zu einer Kontaktaufnahme des Zeugen A. mit dem Angeklagten gekommen ist. Mit der Frage von einer oder zwei selbständigen Handlungen hängt auch zusammen, ob das Amtsgericht zu Recht eine konkrete Gefährdung für fremde Sachen von bedeutendem Wert (Mindestgrenze: 1.300,00 Euro, vgl. Fischer, StGB, 55. Auflage, § 315 Rdnr. 16 a) angenommen hat. Es hat zwar den Gesamtschaden an beiden Fahrzeugen mit insgesamt 2.280,00 Euro festgestellt, was die Annahme einer Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert jedenfalls nahe legt. Falls aber zwei selbständige Handlungen anzunehmen wären, versteht sich das mangels näherer Feststellungen zu den beiden Unfällen nicht von selbst.

c) Ein weiterer durchgreifender sachlich-rechtlicher Fehler liegt darin, dass sich das Amtsgericht nicht mit der Frage einer alkoholbedingt aufgehobenen Steuerungsfähigkeit (§ 20 StGB) auseinander gesetzt hat. Geht man von der für 17.32 Uhr ermittelten Blutalkoholkonzentration aus, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ee Blutalkoholkonzentration von 3,90 Promille (3,55 Promille + 0,2 Promille Sicherheitszuschlag + 0,15 Promille für zwischenzeitlichen Alkoholabbau) nicht auszuschließen. Damit drängen sich in jedem Falle Ausführungen zur Aufhebung der Steuerungsfähigkeit auf. Da das Amtsgericht jedoch keinerlei Feststellungen zu dem Verhalten des Angeklagten getroffen hat, wie sie insbesondere üblicherweise im ärztlichen Bericht zum Protokoll über die Blutentnahme aufgeführt werden, vermag der Senat auf der Grundlage der bisherigen unvollständigen Feststellungen nicht mit letzter Sicherheit festzustellen oder auszuschließen, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben war, wofür allerdings das Unfallgeschehen sprechen könnte. Für den Fall, dass der neue Tatrichter von der naheliegenden Aufhebung der Steuerungsfähigkeit ausgehen sollte, käme dann eine Verurteilung wegen fahrlässigen oder vorsätzlichen Vollrausches nach § 323 a StGB in Betracht. Unabhängig davon wird sich das Amtsgericht bemühen müssen, die näheren Umstände des Trinkens aufzuklären.

d) Letztlich enthalten auch die Ausführungen zur Dauer der Sperrfrist sachlichrechtliche Mängel. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht hinreichend entnehmen, wann der Führerschein des Angeklagten sichergestellt worden ist. Es liegt zwar nicht fern, dass dieses am Tattag erfolgt ist, hinreichend sicher feststellbar ist das jedoch nicht. Auch insoweit sind also ergänzende Feststellungen erforderlich.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Sache nunmehr beschleunigter Terminierung und Verhandlung bedarf. Das Verschlechterungsverbot verbietet jedenfalls in diesem Fall angesichts des ungewöhnlich hohen Blutalkoholspiegels mit der daraus abzuleitenden hohen abstrakten Gefährlichkeit und der Gefährdung und Schädigung von jedenfalls zwei verschiedenen Pkw nicht, weiterhin auf eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu erkennen. Ob diese in Hinblick auf den Zeitablauf zwischen Sicherstellung des Führerscheins und neuer Entscheidung auf das gesetzliche Mindestmaß von drei Monaten zu reduzieren sein könnte, ist dem neuen Tatrichter vorbehalten.

Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung durch eine andere Strafrichterabteilung des Amtsgerichts Münster. Diese wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.

Ende der Entscheidung

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