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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.01.2006
Aktenzeichen: 4 Ss 511/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 46
StGB § 46a
StGB § 49
Zur Anwendung der Milderungsmöglichkeit der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB bei Schadenswiedergutmachung, die über die Höhe des angerichteten Schadens hinausgeht.
Beschluss

Strafsache

gegen P.E.

wegen Betruges

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Paderborn vom 23. September 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 01. 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeklagten und ihres Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird unter Verwerfung der Revision im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch mit den dAzugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Münster verwiesen, welche auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Paderborn hat die Angeklagte wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 70,- € verurteilt. Die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Paderborn verworfen und zugleich das Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft Paderborn hin im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 70,- € verurteilt worden ist. Dieses Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 28. Juni 2005 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen.

Das Landgericht Paderborn hat daraufhin durch Urteil vom 23. September 2005 die Berufung der Angeklagten verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft die Angeklagte wegen Betruges in zwei Fällen und wegen versuchten Betruges in einem Fall zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 70,- € verurteilt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und mit der Sachrüge zulässigerweise begründete Revision der Angeklagten.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision wird - soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet - als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.

Der Revision ist jedoch ein Teilerfolg beschieden, da der Rechtsfolgenausspruch einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand hält.

Die Strafkammer hat den Rechtsfolgenausspruch wie folgt begründet:

"Die Frage, wie die Angeklagte für ihre Straftaten zur Verantwortung zu ziehen ist, beantwortet sich im Ausgangspunkt an Hand des Strafrahmens des Straftatbestandes, der hier zur Debatte steht. Fälle von Betrug sind in der Vorschrift des § 263 Abs. 1 StGB bedroht mit der Verhängung von Geldstrafe und von Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. Für die weitere, individuelle Strafzumessung war zu berücksichtigen, dass es im Fall III. Ziffer 7.) lediglich um einen, zudem untauglichen Versuch geht. U.a. gelangt daher hier die gesetzliche Milderungsmöglichkeit der §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB zur Anwendung. Des Weiteren spricht für die Angeklagte, dass sie nicht vorbestraft ist, die Betrügereien uneingeschränkt eingestanden hat und die erschlichenen Gelder erstattet hat. Letzteres rechtfertigt allerdings nicht eine weitere Reduzierung des Strafrahmens gemäß den §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB. Die Schadenswiedergutmachung der recht gut verdienenden Angeklagten hat nämlich im Wesentlichen - Ausnahme Fall III. Ziffer 7.) - in der Erfüllung berechtigter Schadensersatzansprüche des Studentenwerks bestanden.

Zu Gunsten der Angeklagten war dann noch zu berücksichtigen, dass die Taten längere Zeit zurückliegen und dass die Fördergelder teilweise nur als Darlehen bewilligt worden sind.

Bei alledem dürfen die Straftaten der Angeklagten allerdings auch nicht bagatellisiert werden. Dem steht entgegen, dass die Angeklagte Sozialleistungen erschlichen hat, und zwar über einen langen Zeitraum. Um zu Unrecht Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu erlangen, musste die Angeklagte zwar keinen besonderen Ideenreichtum entwickeln. Es erscheint allerdings doch als recht dreist, dass die Angeklagte jahrelang darauf aus gewesen ist, trotz ihres beträchtlichen Kapitalvermögens und der gezahlten Waisenrente eine Bafög-Förderung zu erhalten, um sich ein - gemessen am Durchschnittsstudenten - Luxusleben zu ermöglichen.

Nach alledem hat die Kammer folgende Einzelstrafen als schuldangemessen und ausreichend erachtet:

Fall III. Ziffer 5.): 60 Tagessätze

Fall III. Ziffer 6.): 90 Tagessätze

Fall III. Ziffer 7.): 30 Tagessätze.

Entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen die Angeklagte lebt, ist der Tagessatz auf 70,00 € festgesetzt worden.

Unter nochmaliger Würdigung der genannten Strafzumessungsaspekte hat die Kammer durch angemessene Erhöhung der höchsten verwirklichten Einzelstrafe von 90 Tagessätzen zu 70,00 €, die damit zur Einsatzstrafe wird, gemäß § 54 StGB eine Gesamtstrafe gebildet und diese auf 120 Tagessätze festgesetzt. Dabei ist, wie auch bei der Bemessung der Einzelstrafen, berücksichtigt worden, dass eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen in ein Führungszeugnis aufzunehmen ist. Soweit die Angeklagte sich dem Verlangen z.B. eines Arbeitgebers nach Vorlage eines derartigen Zeugnisses nicht entziehen kann, wird sich für sie ein Erklärungsbedarf ergeben. Bei einer angemessenen Bestrafung lässt sich dieses Ergebnis allerdings nicht vermeiden."

Die Berufungskammer hat sich zwar mit der naheliegenden Möglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 a StGB im Urteil auseinander gesetzt, jedoch die Anwendung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB mit einer nicht zutreffenden Begründung abgelehnt. Eine Strafmilderung gemäß § 49 Abs. 1 StGB kommt unter den Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB im Falle der Schadenswiedergutmachung durch den Täter dann in Betracht, wenn das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt wird. Die Anwendung dieser Norm ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn das Opfer - wie hier - eine juristische Person ist, doch reicht die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein nicht aus, sondern der Täter muss einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl., § 46 a Randnummern 8 und 11 jeweils m.w.N.). Die Kammer hat in diesem Zusammenhang nicht hinreichend gewürdigt, dass die Angeklagte die Rückzahlungsforderung des Studentenwerks Paderborn über insgesamt 26.533,- € beglichen hat, obwohl die Rückzahlungsbescheide auch die Förderung für das Semester von Oktober 2000 bis Januar 2001 umfassten. Nach den Urteilsfeststellungen hatte die Angeklagte jedoch in diesem Zeitraum einen Anspruch auf Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 4.120,- DM, davon eine Hälfte als Zuschuss und die zweite Hälfte als Darlehen. Mithin hat die Angeklagte an das Studentenwerk mehr zurückgezahlt, als sie dies nach den Urteilsfeststellungen musste, so dass ein über die rein rechnerische Kompensation hinausgehender Beitrag geleistet worden ist. Falls diese Schadenswiedergutmachung - wozu die Kammer keine Ausführungen gemacht hat - Ausdruck der Übernahme von Verantwortung war (vgl. hierzu BGH, NStZ 2000, 592), kommt eine Anwendung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB vorliegend in Betracht.

Soweit die Berufungskammer darauf abstellt, dass die Angeklagte die BaföG-Förderung in betrügerischer Weise erlangt hat, "um sich ein - gemessen am Durchschnittsstudenten - Luxusleben zu ermöglichen", hält auch diese Begründung einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Urteilsgründe enthalten keinerlei Ausführungen dAzu, dass die erhaltene Ausbildungsförderung der Angeklagten ein Luxusleben ermöglicht hat. Zum einen fehlen Feststellungen dAzu, wie der Lebensstandard eines Durchschnittsstudenten ist, zum anderen hat die Kammer keine Feststellungen zu den konkreten Lebensumständen der Angeklagten getroffen. Diese verfügte zwar zunächst über ein Bankguthaben aus einer Erbschaft in Höhe von insgesamt 77.444,03 DM sowie über eine Waisenrente, die teilweise auf den Grundbedarf angerechnet worden ist, doch lassen die Urteilsfeststellungen Ausführungen dAzu vermissen, was die Angeklagte mit ihrem Vermögen und ihren Einkünften gemacht hat, so dass ein Rückschluss auf ein "Luxusleben" nicht gezogen werden kann.

Diese Mängel führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch insgesamt, da der zuletzt genannte Begründungsmangel alle drei Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafenbildung betrifft. Da sich die Gesetzesverletzungen bei der Bemessung der Rechtsfolgen auf die Höhe der Einzelstrafe und der Gesamtstrafe insgesamt nicht unwesentlich auswirken, ist die verhängte Rechtsfolge insgesamt nicht als angemessen anzusehen, so dass der Senat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO keinen Gebrauch gemacht hat. Ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf angemessene Herabsetzung der Rechtsfolgen gemäß § 354 Abs. 1 a S. 2 StPO liegt nicht vor.

Gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO hat der Senat die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster verwiesen, da im Bezirk des Landgerichts Münster eine große Anzahl gleichartiger Strafverfahren bereits durchgeführt worden sind und daher mit einer sachgerechten Behandlung des vorliegenden Verfahrens zu rechnen ist.

Ende der Entscheidung

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