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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.11.2003
Aktenzeichen: 4 Ss 566/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 261
StPO § 267
Auf die Feststellungen der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Person des Angeklagten kann im Berufungsurteil jedenfalls dann nicht verwiesen werden, wenn in der Berufungsverhandlung neue wesentliche Strafzumessungskriterien hervorgetreten sind.
Beschluss

Strafsache

gegen M.H.

wegen Betruges

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 5. Juni 2003 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Borken hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Auf die in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft Münster hat die kleine Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt worden ist. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung des formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO beantragt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt bereits auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

1. Das Urteil beruht auf einem Rechtsfehler. Die Strafkammer hat bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten "insbesondere" berücksichtigt, "dass er versucht hat, seinen Bewährungshelfer durch Vorlage falscher Dokumente über den Erfolg einer Therapiemaßnahme zu täuschen", ohne darzulegen, aufgrund welcher Beweismittel sie zu dieser Überzeugung gelangt ist. Der Tatrichter hat jedoch den festgestellten Sachverhalt, soweit er bestimmte Schlüsse zugunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten nahelegt, in Verbindung mit den sonst festgestellten Tatsachen erschöpfend zu würdigen. Diese erschöpfende Würdigung hat er in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 267 Rdnr. 12 m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung bereits dann, wenn sie lückenhaft ist (vgl. OLG Hamm - 3 Ss 110/02). Erst recht liegt ein Rechtsfehler vor, wenn das Urteil zu entscheidungsbedeutsamen Feststellungen keinerlei Beweiswürdigung enthält (vgl. KK-Engelhardt, 5. Aufl., StPO, § 267 Rdnr. 13 m.w.N). Dies ist hier der Fall, denn den Urteilsgründen ist lediglich zu entnehmen, die erneute Hauptverhandlung habe ergeben, dass der Angeklagte seinem Bewährungshelfer gefälschte Belege über den erfolgreichen Abschluss der Therapie vorgelegt habe, ohne dass in den Urteilsgründen dargelegt wird, auf welchen Beweismitteln diese Feststellung beruht.

2. Ein weiterer Rechtsfehler ergibt sich daraus, dass die Strafkammer hinsichtlich der Feststellungen zur Person des Angeklagten auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen hat. Zwar kann in einem Berufungsurteil in der Weise auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen werden, dass genau angegeben wird, in welchem Umfang dessen Inhalt übernommen wird (so auch KK-Engelhardt, a.a.O., § 267 Rdnr. 5), doch kann auf die Feststellungen der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Person des Angeklagten jedenfalls dann nicht verwiesen werden, wenn in der Berufungsverhandlung neue wesentliche Strafzumessungskriterien hervorgetreten sind (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 267 Rdnr. 2 a m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist eine solche Bezugnahme nach Auffassung des Senats auch dann, wenn die von der Strafkammer getroffenen ergänzenden Feststellungen im Widerspruch zu den in Bezug genommenen amtsgerichtlichen Feststellungen stehen. Dies ist hier der Fall. Die Strafkammer hat ergänzend festgestellt, der Angeklagte sei in den Monaten Februar und März 2003 arbeitslos gewesen, während sich in den in Bezug genommenen Urteilsgründen des Amtsgerichts die Feststellung findet, "er ist zur Zeit (Anm. des Senats: 25. Februar 2003) als Lagerarbeiter tätig und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 900,- und 1.000,00,- Euro."

3. Da nicht auszuschließen ist (§ 337 StPO), dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht, ist es aufzuheben - ohne dass auf die Verfahrensrügen einzugehen ist - und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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