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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 114/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Zur Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes.
Beschluss

Bußgeldsache gegen S. Ö.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 19. Oktober 2006 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 8. März 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 150,- Euro verurteilt und zugleich ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 10. November 2005 gegen 15.59 Uhr mit einem PKW (amtliches Kennzeichen: RE-xxxxx) in Lengerich den linken Fahrstreifen der Bundesautobahn innerhalb einer ausgeschilderten Geschwindigkeitsbegrenzungszone auf 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von mindestens 143 km/h und überschritt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mindestens 43 km/h. Die Beweiswürdigung verhält sich zunächst zur - nach der Überzeugung des Gerichts - ordnungsgemäßen Geschwindigkeitsmessung mittels des Radarmessgerätes Multanova 6 F. Zur Identifizierung des Betroffenen, der sich nicht zur Sache eingelassen hat, ist in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:

"Für die Frage der Identifizierung des Betroffenen als Fahrer ist der Sachverständige Dr. G. von der Gerichtsmedizin in Düsseldorf angehört worden. Der Sachverständige hat ausgeführt, das Foto sei von der üblichen guten Qualität. Verdeckungen des Gesichts durch Gegenstände lägen nicht vor. Der Sachverständige hat dann in der Hauptverhandlung ein Polaroidfoto von dem Betroffenen gemacht, das sich bei der Akte befindet. Dieses Polaroidfoto ist mit dem Foto des Fahrers vom Sachverständigen verglichen worden. Dazu hat der Sachverständige weiterhin ausgeführt, es seien im Vergleich zwischen dem Betroffenen und dem auf dem Lichtbild erkennbaren Fahrer 27 Übereinstimmungsmerkmale festzustellen und keine abweichenden Merkmale. Es sei daher davon auszugehen, dass der Betroffene höchstwahrscheinlich der Fahrer gewesen sei, wenn nicht sehr nahe Angehörige als Fahrer auch in Betracht kämen. Als besonders markant hat der Sachverständige dargestellt, sei die Übereinstimmung zu sehen in der keilförmigen Gesichtsform und in den kräftigen Augenbrauen, die von der Mitte her ansteigend seien und dann flachbogig ausliefen. Insbesondere sei auch eine völlige Übereinstimmung in der Ohrform festzustellen. Das Ohr sei in der Mitte nach außen ausgewölbt. Das Ohrläppchen zeige eine gerundete Kontur sowohl beim Betroffenen als auch beim Fahrer.

Nach diesen Ausführungen des Sachverständigen verzichtete der Verteidiger auf weitere Ausführungen hinsichtlich der anderen vom Sachverständigen angesprochenen Übereinstimmungsmerkmale. Das Gericht hat sich den Betroffenen angesehen und mit dem Lichtbild verglichen. Die Ausführungen des Sachverständigen waren für das Gericht nachvollziehbar. Der Betroffene sah genau so aus, wie der auf dem Lichtbild erkennbare Fahrer. Trotz der Erklärungen des Verteidigers, es handele sich bei der Identifizierung von Fahrern durch Sachverständige um eine unexakte Wissenschaft, war das Gericht nach Inaugenscheinseinnahme der Lichtbilder und des Betroffenen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt hat. Der Betroffene sah genau so aus, wie der auf dem Lichtbild erkennbare Fahrer. Anhaltspunkte dafür, dass ein naher Angehöriger als Fahrer in Betracht kam, waren nicht auszumachen. So war das Gericht davon überzeugt, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt hat."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die formelle und materielle Rüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

II. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die formelle Rüge ist unzulässig, da sie nicht ausreichend im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet worden ist.

2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung aufgrund der erhobenen Sachrüge Stand.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Auch die Urteilsausführungen zur Geschwindigkeitsmessung sind rechtsfehlerfrei. Die Bedenken der Verteidigung und der Generalstaatsanwaltschaft hinsichtlich der Urteilsausführungen zur Identifizierung des Betroffenen greifen nicht durch. Zutreffend geht die Generalstaatsanwaltschaft zunächst davon aus, dass eine wirksame Bezugnahme auf das Messfoto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist. Das Gericht beschreibt in den Urteilsgründen lediglich den Beweiserhebungsvorgang, nimmt jedoch an keiner Stelle der Urteilsgründe auf das Messfoto oder andere Lichtbilder ausdrücklich Bezug. Sieht der Tatrichter jedoch - wie hier - von der die Abfassung der Urteilsgründe wesentlich erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so muss er dem Rechtsmittelgericht durch eine entsprechende ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Das Urteil muss dann mithin Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Senat anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. Dabei kann die Zahl der zu beschreibenden Merkmale umso kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Andererseits hat die Beschreibung umso mehr Merkmale zu umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Ebenfalls zu schildern sind Umstände, die eine Identifizierung erschweren können (BGHSt 41, 376 = NZV 96, 157; Göhler-Seitz, OWiG, 14. Aufl., § 71 Rdnr. 47 a). Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe der angefochtenen Entscheidung gerecht. Der sachverständig beratene Tatrichter hat sowohl aufgrund eigener Überzeugungsbildung die generelle Geeignetheit des Messfotos festgestellt als auch so viele charakteristische Identifizierungsmerkmale des Betroffenen aufgeführt, dass dem Senat anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie im Wege einer Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Messfotos ermöglicht wird. Rechtsfehler sind insofern nicht zu erkennen.

Die Urteilsausführungen zum Rechtsfolgenausspruch sind gleichfalls frei von Rechtsfehlern. Das Gericht hat die Regelgeldbuße von 100,- Euro im Hinblick auf drei Voreintragungen des Betroffenen angemessen auf 150,- Euro erhöht. Auch die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots entsprechend der Bußgeldkatalogverordnung war geboten. Das Gericht hat erkannt, dass von einem solchen Fahrverbot in Ausnahmefällen abgesehen werden kann, jedoch sind Gründe, die gegen eine Verhängung eines Fahrverbotes sprechen könnten, nicht festgestellt.

III. Die Kostenentscheidung trägt der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels Rechnung.

Ende der Entscheidung

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