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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 155/04
Rechtsgebiete: BKatV
Vorschriften:
BKatV § 4 |
Beschluss
Bußgeldsache
gegen U.R.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 2. Dezember 2003 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Arnsberg zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 180,- € festgesetzt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts überschritt der Betroffene am 31. März 2003 mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX auf der BAB in Arnsberg die dort außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h fahrlässig um 28 km/h.
Zuvor war gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 5. Juni 2002, rechtskräftig seit dem 21. Juni 2002, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft eine Geldbuße von 50,- € festgesetzt worden.
Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:
"Die Voreintragung beträgt 27 km/h auch außerhalb einer geschlossenen Ortschaft und würde für sich auch kein Fahrverbot beinhalten. Die erneute Geschwindigkeitsüberschreitung liegt neun Monate danach und beinhaltet eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h. Dies würde auch kein Fahrverbot nach sich ziehen.
Ein Fahrverbot kommt jedoch gemäß § 2 Bußgeldkatalogverordnung in Betracht. Dies ist jedoch eine Regelvorschrift, von der Ausnahmen möglich sind. Durch das Schreiben der euro-shopdesign Firma Bl. 38 der Akten hat der Betroffene ausreichend dargelegt, dass seine Arbeitsstelle gefährdet ist, wenn er ein einmonatiges Fahrverbot in Kauf nehmen müsste. Danach ergibt sich eindeutig, dass der Betroffene keinerlei Zusicherung bekommt, wieder in seinem Beruf arbeiten zu können.
Da beide Geschwindigkeitsüberschreitungen kein Fahrverbot nach sich ziehen würden, die Zeit zwischen den beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen neun Monate beträgt und beide Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaft stattgefunden haben, ist eine Ausnahme von dem Fahrverbot angemessen.
Die an sich fällige Geldbuße von 50,- € wurde auf 180,- € festgesetzt und damit mehr als verdreifacht. Der erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt kann auch durch die Verhängung eines erhöhten Bußgeldes erreicht werden. So ist es im vorliegenden Fall."
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.
II.
Das Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
1. Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist wirksam, da die getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Verurteilung wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit tragen.
2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches lässt aber Rechtsfehler erkennen, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insoweit führen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, welche dem Amtsgericht Arnsberg bekannt ist (vgl. 4 Ss OWi 164/03 OLG Hamm - Beschluss des Senats vom 4. März 2003), kann zwar von der Verhängung eines gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV indizierten Regelfahrverbots ausnahmsweise - ggf. unter Erhöhung der Regelgeldbuße - abgesehen werden, wenn erhebliche Härten oder eine Vielzahl gewöhnlicher Umstände vorliegen, die es unangemessen erscheinen lassen, den Betroffenen trotz des groben bzw. beharrlichen Pflichtenverstoßes mit einem Fahrverbot zu belegen. Die Tatrichterin muss für diese ihre Überzeugung vom Vorliegen eines Ausnahmefalles jedoch eine auf Tatsachen gestützte Begründung geben, die sich nicht nur in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des oder der Betroffenen erschöpfen darf. Zwar ist es der Tatrichterin nicht schlechthin verwehrt, einer Behauptung zu glauben. Entlastende Angaben der Betroffenen, die sich auf das Vorliegen einer persönlichen Ausnahmesitutation berufen und regelmäßig ein großes Interesse daran haben werden, der Verhängung eines Fahrverbotes zu entgehen, dürfen jedoch nicht ohne weitere Prüfung vorgenommen werden. Ggf. muss darüber Beweis erhoben werden.
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil erneut nicht gerecht.
Die Generalstaatsanwaltschaft weist zu Recht darauf hin, dass die Urteilsgründe hinreichend konkrete und für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbare Feststellungen zu einem drohenden Arbeitsplatzverlust, der ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen könnte, vermissen lassen. Das in den Urteilsgründen genannte Schreiben einer Firma "euro-shopdesign" gibt dazu keinerlei Aufschluss. Es wird weder der Inhalt des Schreibens mitgeteilt, noch ist ersichtlich, in welcher Beziehung der Betroffene zu dieser Firma steht. Zur Aufklärung der arbeitsrechtlichen Folgen eines Fahrverbotes hätte es der Vernehmung der Arbeitgeberin des Betroffenen bedurft. Zugleich wäre diese dazu zu befragen gewesen, ob die Zeit des Fahrverbotes in den Urlaub des Betroffenen gelegt werden könnte. Der Senat weist erneut vorsorglich darauf hin, dass bloße berufliche Nachteile, die zwar spürbar sein mögen, eine Arbeitsplatzgefährdung jedoch nicht nach sich ziehen, ebenso wenig wie wirtschaftliche Nachteile des Arbeitgebers geeignet sind, ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes zu rechtfertigen.
Das Amtsgericht hat ferner verkannt, dass nicht jede der im Rahmen des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV zu berücksichtigenden Geschwindigkeitsüberschreitungen ein Fahrverbot nach einer anderen Vorschrift zur Folge haben muss. Es reicht deren Häufung innerhalb eines Jahres. Daraus folgt weiter, dass die Rückfallgeschwindigkeit - zwischen den beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen liegen neun Monate - nicht zugunsten des Betroffenen berücksichtigt werden kann.
III.
Wegen der aufgezeigten Mängel unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung im tenorierten Umfang. Die Sache war daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Arnsberg zurückzuverweisen.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass das Abbremsen bei einer gestaffelten Geschwindigkeitsbegrenzung jedem Fahrer zumutbar ist. Ferner sind bei der Frage der Verhängung eines Fahrverbots sämtliche nicht tilgungsreifen Vorbelastungen des Betroffenen zu berücksichtigen.
Ende der Entscheidung
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