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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 173/09
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 74 Abs. 2
OWiG § 73 Abs. 2
OWiG § 80 Abs. 1
Hat der Betroffene seine Fahrereigenschaft nicht eingeräumt, sondern lediglich nicht bestritten, das Fahrzeug bei dem ihm zur Last gelegten Verkehrsverstoß geführt zu haben, reicht das nicht aus, um ihn von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden.
Beschluss

Bußgeldsache gegen A. K.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 16. Januar 2009 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 16.01.2009 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12.03.2009 durch den Richter am Oberlandesgericht Eichel als Einzelrichter gem. § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben, § 80 Abs. 1, 2, 4 Satz 3 OWiG).

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene, §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Gründe:

Zusatz: Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat v. 4. März 2009 wie folgt Stellung genommen:

"Der nach §§ 80 Abs. 1 und 3, 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341 ff. StPO rechtzeitig gestellte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist form- sowie fristgerecht begründet worden.

Da die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 100,00 Euro beträgt, richten sich die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den sogenannten weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 OWiG) oder wenn das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Dagegen kann die Rechtsbeschwerde nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden.

Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Verletzung des § 73 Abs. 2 OWiG und die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (OLG Düsseldorf, NZV 2007, 251 ff.).

Vorliegend ermöglicht die Begründungsschrift des Betroffenen eine Überprüfung seitens des Rechtsbeschwerdegerichts, ob nach diesen Grundsätzen eine Versagung rechtlichen Gehörs vorliegt. In der Begründungsschrift wird der Wortlaut des Schriftsatzes des Verteidigers, Rechtsanwalt Pe., des Betroffenen vom 08.12.2008, mit dem die Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen beantragt worden war, vollständig wiedergegeben. Aus der Begründungsschrift ergibt sich auch der dem Betroffenen zur Last gelegte Verkehrsverstoß. Der Begründungsschrift ist ferner zu entnehmen, dass und mit welcher Begründung der Betroffene einen Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt hat. Ferner wird dargelegt, dass dieser Antrag vom Gericht nicht im Sinne des Betroffenen beschieden worden ist. Schließlich ist der Begründungsschrift zu entnehmen, dass der Betroffene eine Einlassung zur Sache abgegeben und außerdem erklärt hat, dass von ihm in der Hauptverhandlung keine weitere Aufklärung der Sache zu erwarten sei. Der Betroffene hat auch dargelegt, dass sein Verteidiger eine besondere, über die Verteidigervollmacht hinausgehende Vertretungsvollmacht besaß und diese auch dem Gericht vorlag.

In der Sache kann die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs jedoch keinen Erfolg haben. Das Amtsgericht hat es rechtsfehlerfrei abgelehnt, dem Betroffenen gem. § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Gem. § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf dessen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Dem Tatrichter ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich ist, ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat sich auf einer rechtlichen Kontrolle der tatrichterlichen Entscheidung zu beschränken. Nur schwerwiegende Mängel der tatrichterlichen Entscheidung bei der Ablehnung eines Entbindungsantrags können dazu führen, dass die Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG als rechtsfehlerhaft zu bewerten ist.

Es muss sich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände aufdrängen, dass die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich war (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).

Wie das Amtsgericht Münster zutreffend ausgeführt hat Auf eine derart unklare Einlassung lässt sich nicht die Feststellung stützen, dass der Betroffene das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt tatsächlich geführt hat. Der Tatrichter hat keinesfalls ermessensfehlerhaft gehandelt, wenn er es bei dieser Sachlage für seine Überzeugungsbildung für erforderlich gehalten hat, sich in der Hauptverhandlung durch Inaugenscheinnahme des Betroffenen und des bei dem Rotlichtverstoß aufgenommenen Lichtbildes selbst Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Betroffene der Fahrer war. Die Notwendigkeit, den Betroffenen als Fahrer zur Tatzeit zu identifizieren, war durch das bloße Nichtbestreiten der Fahrereigenschaft nicht entfallen (zu vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Darüber hinaus hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass angesichts der Vorbelastungen des Betroffenen eine deutliche Erhöhung der Regelgeldbuße in Betracht zu ziehen war. In diesen Fällen ist das Amtsgericht grundsätzlich verpflichtet, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen aufzuklären, da diese in einem solchen Fall zu den wesentlichen Gesichtspunkten des Sachverhalts i.S. von § 73 Abs. 2 OWiG gehören (zu vgl. BayObLG, NJW 1999, 2292 m.w.N.).

Der Betroffene hat in dem Entbindungsantrag vom 08.12.2008 nicht ausdrücklich mitgeteilt, er werde zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ebenfalls schweigen. Vielmehr enthält der Entbindungsantrag lediglich den ausdrücklichen Hinweis, er werde zur Sache keine weiteren Angaben machen. Das Amtsgericht konnte aufgrund des Entbindungsantrages demnach nicht davon ausgehen, dass der Betroffene auch zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen schweigen werde.

Nach alledem drängte es sich nicht auf, dass die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich war. Da der Betroffene in der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hatte das Amtsgericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen (§ 74 Abs. 2 OWiG).

Die erhobene Sachrüge begründet den Zulassungsantrag ebenfalls nicht. Da ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG ausschließlich aufgrund verfahrensrechtlicher Vorschriften ergeht und keinen materiell-rechtlichen Inhalt hat, somit der Schuldspruch nicht gerügt werden kann (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.10.2008 - 3 Ss OWi 789/08 -) und Rechtsfehler bei der Überprüfung der allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen oder etwaiger Verfahrenshindernisse nicht vorliegen, sind weitere Zulassungsgründe nicht erkennbar."

Dem schließt sich der Senat an

Ende der Entscheidung

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