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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.08.2004
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 300/04
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 73
OWiG § 74
Der Tatrichter hat einem Entbindungsantrag des Betroffenen zu entsprechen, wenn sich der Betroffene zur Sache geäußert hat und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist
Beschluss

Bußgeldsache

gegen W.H.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 31. März 2004 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Bocholt vom 9. März 2004 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 08. 2004 durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird wegen Versagung rechtlichen Gehörs zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bocholt zurückverwiesen.

Gründe:

Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Borken vom 3. Dezember 2003 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts ein Bußgeld in Höhe von 40,- € festgesetzt worden. Der Betroffene soll am 10. November 2003 um 15.30 Uhr als Führer der Sattelzugmaschine Daimler-Chrysler/Schrader, Kennzeichen XXXXXXXXXXXX, in Bocholt auf der B 67 in Fahrtrichtung Dingdener Straße die dort zulässige Geschwindigkeit von 60 km/h nach Abzug einer Toleranz um 19 km/h überschritten haben.

Seinen dagegen gerichteten Einspruch hat das Amtsgericht gemäß § 74 Abs. 2 OWiG (formularmäßig) verworfen, weil der Betroffene in dem Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen Versagung des rechtlichen Gehörs zuzulassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bocholt (§ 79 Abs. 5 u. 6 OWiG).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:

"Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 1 GG vorliegt. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung.

Eine Versagung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn der Tatrichter den Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung abgelehnt hat, ohne dazu nachvollziehbare Gründe angeführt zu haben (zu vgl. Senatsbeschluss vom 19.01.2004 - 4 Ss OWi 3/04 - m.w.N.).

Dies ist vorliegend der Fall.

Mit Schriftsatz vom 08.03.2004, eingegangen beim Amtsgericht Bocholt am selben Tage, hatte der Verteidiger des Betroffenen beantragt, den Betroffenen, der bereits mit Verteidigerschriftsatz vom 20.02.2004 eingeräumt hatte Fahrer des LKW zum Zeitpunkt des fraglichen Vorfalls gewesen zu sein und nur Zweifel an der mittels der Tachographenscheibe festgestellten Geschwindigkeit geltend gemacht hatte, von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung zu entbinden. Gleichzeitig hat er ausgeführt, dass nur die Richtigkeit der auf dem beschlagnahmten Fahrtenschreiberschaublatt festgehaltenen Aufzeichnungen angezweifelt werde und dies eine technische Frage sei, die ausschließlich von einem Sachverständigen überprüft werden könne. Im Übrigen sei dem Betroffenen, der Berufskraftfahrer sei und am Hauptverhandlungstag einen Transportauftrag nach Hamburg mit einer Ankunftszeit um 07.30 Uhr habe, aufgrund der Entfernung zwischen Hamburg und Bocholt ein persönliches Erscheinen nicht möglich.

Diese Ausführungen sprachen dafür, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Der Tatrichter hat nämlich einem Entbindungsantrag des Betroffenen zu entsprechen, wenn sich der Betroffene zur Sache geäußert hat und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist (§ 73 Abs. 2 OWiG). Der Anspruch des Betroffenen auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn der Tatrichter den Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ablehnt, ohne nachvollziehbare Gründe hierfür anzuführen, und sich auch das Urteil nicht mit den für eine Entbindung geltend gemachten Gründen auseinandersetzt (zu vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.2003 - 2 Ss OWi 257/03 -, jeweils m.w.N.).

Vorliegend hat das Gericht den Entbindungsantrag des Betroffenen gar nicht beschieden. Auch das angefochtene Urteil lässt keine auf § 73 Abs. 2 OWiG zurückführbare Begründung erkennen, so dass die Entscheidung nicht verständlich ist und das Gebot rechtlichen Gehörs verletzt."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

Ende der Entscheidung

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