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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.12.2007
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 479/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 45
Zur Frage, wann die Vorlage eines Fax-Sendeberichtes kann als alleiniges Mittel der Glaubhaftmachung für ein Wiedereinsetzungsgesuch ausreichend sein kann.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen H.W.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit, (hier: Wiedereinsetzungsgesuch der Betroffenen und Antrag auf Einstellung der Vollstreckung).

Auf den Antrag der Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde und auf den Antrag auf Einstellung der Vollstreckung hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 12. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

Das Wiedereinsetzungsgesuch wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Einstellung der Vollstreckung wird verworfen.

Gründe:

I.

Durch Urteil vom 20. April 2007 ist die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt worden; zugleich ist der Betroffenen für die Dauer von einem Monat unter Anwendung von § 25 Abs. 2 a StVG verboten worden, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Gegen dieses in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil hat die Betroffene mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 26. April 2007, der am 28. April 2007 beim Amtsgericht Ibbenbüren eingegangen ist, Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 15. Mai 2007 und der bis zum 22. Mai 2007 erfolgten Akteneinsicht ist das Rechtsmittel mit Schriftsatz des Verteidigers vom 15. Juni 2007, welcher als Telefax am selben Tage beim Amtsgericht Ibbenbüren eingegangen ist, die Rechtsbeschwerde begründet worden. Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Juli 2007 die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, da diese verspätet eingelegt worden ist. Mit Schreiben ihres Verteidigers vom 16. August 2007 hat die Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beantragt. Sie ersucht ferner um die Einstellung der Vollstreckung.

II.

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig, da es sowohl an einem vollständigen Tatsachenvortrag als auch an einer hinreichenden Glaubhaftmachung fehlt (§§ 44,45 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Der Antrag muss dabei Angaben nicht nur über die versäumte Frist und den Hinderungsgrund, sondern auch über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthalten, und zwar auch dann, wenn der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 45 Rdnr. 5 m.w.N.). Diese Angaben sind Zulässigkeitsvoraussetzungen und müssen innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO gemacht werden. Die Antragsbegründungsschrift der Betroffenen enthält keinerlei Angaben dazu, wann das Hindernis weggefallen ist. Der Wegfall des Hindernisses ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt. Der Akte ist zwar zu entnehmen, dass der Beschluss des Senats vom 31. Juli 2007 am 13. August 2007 zur Post gegeben und das Wiedereinsetzungsgesuch am 16. August 2007 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Doch kann hieraus nicht geschlossen werden, dass der Wegfall des Hindernisses der Betroffenen nicht eher bekannt geworden war. Ausweislich Blatt 75 der Akte war dem Verteidiger der Betroffenen nämlich Akteneinsicht gewährt worden und die Akte ist am 22. Mai 2007 wieder beim Amtsgericht Ibbenbüren - vom Verteidiger kommend - eingegangen. Mithin kann der Betroffenen bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt geworden sein, dass die Einlegung der Rechtsbeschwerde verspätet war. Aus Blatt 71 der Akte ergibt sich nämlich, dass die Rechtsbeschwerde erst am 28. April 2007 und damit verspätet beim Amtsgericht Ibbenbüren eingegangen ist. Das Telefaxschreiben, welches fristgemäß beim Amtsgericht Ibbenbüren eingegangen sein soll, befindet sich nicht bei der Akte.

Darüber hinaus hat die Betroffene auch nicht glaubhaft gemacht (§ 45 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG), dass die Rechtsbeschwerde per Telefax rechtzeitig beim Amtsgericht Ibbenbüren eingegangen ist. Die Glaubhaftmachung ist Zulässigkeitsvoraussetzung für den Wiedereinsetzungsantrag (BGH NStZ 1991, 294). Glaubhaftmachung bedeutet, dass die behaupteten Tatsachen so weit bewiesen werden müssen, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält und es in die Lage versetzt wird, ohne verzögernde weitere Ermittlungen zu entscheiden (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 45 Rdnr. 10 und § 46 Rdnr. 7 m.w.N.). Dabei unterliegt die Glaubhaftmachung nicht den Regeln des Strengbeweises, es kommen vielmehr alle Mittel in Betracht, die geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit des Vorbringens darzutun. Zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens, ihr Verteidiger habe die Rechtsbeschwerdeschrift vom 26. April 2007 vorab per Telefax am 27. April 2007, 09.26 Uhr, übermittelt, legt die Betroffene die Sendebestätigung ihres Verteidigers vom 27. April 2007 vor, wobei der Verteidiger anwaltlich versichert, dass bislang immer beim Empfänger eine Telefaxnachricht eingegangen sei, wenn dies am hiesigen Faxgerät so angezeigt worden sei. Etwaige Störungen am Faxgerät seien nicht dokumentiert. Dies reicht jedoch zur Glaubhaftmachung des Zugangs des Telefaxes beim Amtsgericht Ibbenbüren nicht aus. Die Vorlage des Sendeberichtes kann als alleiniges Mittel der Glaubhaftmachung nur dann ausreichend sein, wenn er fälschungssicher und im Nachhinein erstellt werden könnte. Eine solche Fälschungssicherheit des Sendeberichts ist jedoch nicht gegeben, da ein Telefax-Sendeprotokoll verhältnismäßig einfach zu fälschen oder zu verändern ist. So kann der Sendebericht im Nachhinein erstellt oder ausgedruckt werden. Es ist auch möglich, einen Sendevorgang zu simulieren, ohne dass er tatsächlich stattfindet. Dennoch kann nachfolgend ein Sendeprotokoll ausgedruckt werden, aus dem nicht ersichtlich ist, dass tatsächlich kein Sendevorgang erfolgt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2006 - 4 Ss OWi 583/06 OLG Hamm; Pape/Notthoff, NJW 1996, 417, 425 m.w.N.). Es besteht zudem bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax das Risiko von technisch bedingten Übertragungsfehlern. So ist es möglich, dass durch Erschütterungen die Leitungsverbindungen für Telefax-Datenübermittlung unterbrochen werden und dadurch keine oder eine unvollständige Übermittlung stattfindet, obwohl das Sendeprotokoll eine ordnungsgemäße Übermittlung aufweist (OLG Dresden, NJW 1994, 1485, 1486). Bei dieser Sachlage reicht die Vorlage des Sendeberichts zur Glaubhaftmachung nicht aus. Anwaltlich versichert ist lediglich, dass bislang immer beim Empfänger eine Telefaxnachricht eingegangen ist, wenn dies am Faxgerät so angezeigt worden ist. Dies hilft aber nicht darüber hinweg, dass durch Vorgänge außerhalb des Kanzleibereichs eine Telefax-Datenübermittlung unterbrochen worden sein kann, so dass eine vollständige Glaubhaftmachung nicht erfolgt ist.

III.

Da das Wiedereinsetzungsgesuch unzulässig ist, besteht keinerlei Anlass, die Unterbrechung oder den Aufschub der Vollstreckung anzuordnen gemäß § 47 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

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