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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.07.2008
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 515/08
Rechtsgebiete: OWiG
Vorschriften:
OWiG § 74 Abs. 2 | |
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 2 |
Beschluss
Bußgeldsache gegen P. U.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf den Antrag des Betroffenen vom 15. April 2008 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Bocholt vom 11. März 2008 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 07. 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gem. § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
I. Durch Bußgeldbescheid des Landrats des Kreises Borken vom 10. Dezember 2007 ist gegen den Betroffenen als Führer eines Lastkraftwagens wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 25 km/h eine Geldbuße von 87,00 EUR festgesetzt worden.
Auf den Einspruch des Betroffenen ist Termin zur Hauptverhandlung auf den 11. März 2008 bestimmt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Februar 2008 hat der Betroffene seine Fahrereigenschaft bestritten. Mit weiterem Schriftsatz vom 06. März 2008, eingegangen beim Amtsgericht am 08. März 2008 (Samstag), hat der Verteidiger mitgeteilt, der Betroffene habe telefonisch mitgeteilt, dass er sich derzeit auf Auslandstransporten in Südfrankreich befinde und nicht vor dem 15. März 2008 wieder in der Bundesrepublik Deutschland sein werde. Aus diesem Grunde werde um Terminsverlegung gebeten. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers werde nachgereicht. Über diesen Antrag hat der Amtsrichter nicht entschieden.
Zum Hauptverhandlungstermin am 11. März 2008, einem Dienstag, sind der Betroffene und sein Verteidiger nicht erschienen. Die zugesagte Bescheinigung des Arbeitgebers ist nicht eingegangen. Das Amtsgericht hat darauf hin gem. § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid verworfen, da dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht zum Hauptverhandlungstermin erschienen sei. Die Mitteilung des Verteidigers vom 06. März 2008 reiche als Entschuldigung nicht aus. Gerichtstermine gingen beruflichen Verpflichtungen grundsätzlich vor. Der Betroffene hätte sich beruflich auf den Hauptverhandlungstermin einstellen können.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. April 2008, mit dem zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt wird. Der Betroffene sei ohne sein Verschulden an der Terminswahrnehmung gehindert gewesen. Mit Schriftsatz vom 06. März 2008 sei auf die beruflich bedingte Abwesenheit des Betroffenen hingewiesen worden. Über den Verlegungsantrag sei nicht entschieden worden. Der Betroffene und sein Verteidiger hätten darauf vertrauen dürfen, eine Nachricht über die Terminsverlegung oder über die Ablehnung des Verlegungsantrags zu erhalten.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist mit Beschluss des Amtsgerichts Bocholt vom 15. April 2008, rechtskräftig seit dem 23. Mai 2008, zurückgewiesen worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II. Die formelle Rüge des Betroffenen, mit der geltend gemacht wird, das Amtsgericht habe den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt, ist in noch zulässiger Form erhoben worden (vgl. OLG München, NStZ-RR 2006, 20; OLG Köln VRS 75, 113).
Sie ist jedoch unbegründet.
Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend eine genügende Entschuldigung verneint.
Für eine Verwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 74 Rdnr. 31 m.w.N.). Hat das Amtsgericht geeignete Hinweise dafür, dass das Ausbleiben des Betroffenen entschuldigt sein kann, ist es aus Gründen der prozessualen Fürsorge grundsätzlich verpflichtet, falls es den Vortrag des Betroffenen für nicht ausreichend hält, im Freibeweisverfahren die Stichhaltigkeit von Entschuldigungsgründen zu klären (vgl. Göhler, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 329 Rdnr. 19 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall beruft sich der Betroffene darauf, aus zwingenden beruflichen Gründen der Hauptverhandlung fern geblieben zu sein. In derartigen Fällen kann das Gericht die genügende Entschuldigung nur prüfen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen vorgetragen werden (vgl. BayObLG NStZ 2003, 98; OLG Karlsruhe VRS 89, 130). Grundsätzlich gilt, dass berufliche Verpflichtungen gegenüber der öffentlich-rechtlichen Pflicht, gerichtlichen Ladungen Folge zu leisten, zurückzutreten haben. Die Wahrnehmung beruflicher Pflichten entschuldigt nur dann, wenn sie unaufschiebbar und derart gewichtig sind, dass dem Betroffenen ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Meyer-Goßner a.a.O., Rdnr. 28 m.w.N.). Die näheren Umstände, die das Ausbleiben entschuldigen sollen, kennt nur der Betroffene. Er hat sein Entschuldigungsvorbringen daher soweit wie möglich zu konkretisieren und zu substantiieren (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 05. September 2005 - 2 Ss OWi 526/05 - bei Burhoff.de; BayObLG a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.). Nur wenn das Amtsgericht das konkretisierte und substantiierte Vorbringen des Betroffenen im Rahmen der Abwägung zwischen der beruflichen Verpflichtung und der öffentlich-rechtlichen Pflicht, Ladungen Folge zu leisten, als grundsätzlich geeignet ansieht, den Betroffenen als entschuldigt anzusehen, stellt sich gegebenenfalls die Frage weiterer Nachforschungen, um die Angaben des Betroffenen auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).
Danach gilt hier folgendes:
Die bloße, nicht näher konkretisierte und substantiierte Mitteilung des Betroffenen über seinen Verteidiger, er befinde sich derzeit auf Auslandstransporten in Südfrankreich und sei nicht vor dem 15. März 2008 zurück in Deutschland, lässt die Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit dieser beruflichen Tätigkeit nicht erkennen. Die Ladung zum Hauptverhandlungstermin am 11. März 2008 ist dem Betroffenen am 14. Februar 2008 zugestellt worden. Er hatte daher ausreichend Zeit, mit seinem Arbeitgeber die Einsätze abzustimmen. Angaben dazu, warum dies gegebenenfalls nicht möglich gewesen ist, fehlen. Aufschluss darüber hätte die angekündigte Bescheinigung des Arbeitgebers bringen können, die - bezeichnender Weise auch im Wiedereinsetzungsverfahren - nicht vorgelegt worden ist. Den Eingang dieser Bescheinigung durfte das Amtsgericht nach der entsprechenden Ankündigung durch den Verteidiger jedoch abwarten und war nicht gehalten, dem "hinterher zu laufen". Der Betroffene seinerseits konnte nicht darauf vertrauen, dass das Amtsgericht ohne die angekündigte Bescheinigung den kurzfristig gestellten, unsubstantiierten Verlegungsantrag stattgeben bzw. sein Nichterscheinen als entschuldigt ansehen würde.
Das tatsächliche Vorbringen im Schriftsatz vom 06. März 2008 war daher nicht geeignet, das Ausbleiben des Betroffenen zu entschuldigen; es bot keinen Anlass für eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob der Betroffene wegen unaufschiebbarer und dringlicher beruflicher Pflichten verhindert gewesen ist.
Nach alledem war der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Ende der Entscheidung
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