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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 585/07
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 74 Abs. 2
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
Zum Begriff der genügenden Entschuldigung i.S. von § 74 OWiG.
Beschluss

Bußgeldsache gegen S. K.,

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bocholt vom 19. April 2007 hat der 4 . Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. September 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Schwens als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG n.F. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. dessen Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Gründe:

I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Bocholt vom 22.6.2006 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, durch welchen gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h eine Geldbuße von 150,- Euro und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt worden war.

Das Amtsgericht hatte zunächst Termin zur Hauptverhandlung auf den 28.11.2006 bestimmt. Mit Fax seines Verteidigers vom 24.11.2006 hat dieser Terminsaufhebung und Terminsverschiebung unter Beifügung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beantragt.

Das Amtsgericht hat den Einspruch durch Urteil vom 28.11.2006 verworfen. Auf den Wiedereinsetzungsantrag des Verteidigers unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung des Allgemeinmediziners L. Eh., nach der der Betroffene wegen einer Lumbalgie arbeitsunfähig und deshalb auch verhandlungsunfähig gewesen sei, gewährte das Amtsgericht durch Beschluss vom 2.1.2007 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und beraumte Hauptverhandlung auf den 8.2.2007 an. Aufgrund einer Verhinderung des Verteidigers wurde der Termin aufgehoben und verlegt auf den 22.2.2007. Mit Schreiben vom 20.2.2007 beantragte der Verteidiger erneut unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes Eh., aus der hervorgeht, dass der Betroffene erneut wegen einer Lumbalgie in der Zeit vom 19.-23.2.2007 arbeitsunfähig und verhandlungsunfähig sei, die Aufhebung des Termins. Neuer Termin wurde daraufhin auf den 19.4.2007 anberaumt.

Mit Datum vom 16. April 2007 beantragte der Verteidiger des Betroffenen - per Fax vorab- erneut die Terminsverschiebung unter Beifügung eines Attestes des Arztes Eh. mit der Begründung, der Betroffene sei am 12.4.2007 in der Praxis vorstellig geworden und sei aufgrund einer Lumbalgie bis zum 30.4.2007 arbeitsunfähig und verhandlungsunfähig. Zum Hauptverhandlungstermin am 19.4.2007 erschien lediglich der Verteidiger des Betroffenen. Das Amtsgericht verwarf den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Kreises Bocholt durch das angefochtene Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG mit der Begründung, der Betroffene sei im Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet worden sei. Die vom Betroffenen vorgelegte ärztlichen Bescheinigung reiche nicht aus, um eine für den 19.4.2007 vorgetragene Verhandlungsunfähigkeit beim AG Bocholt ausreichend darzulegen und zu beweisen (wird weiter ausgeführt).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 19.4.2007, Bl. 90 - 91d. GA Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 5.6.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht Münster mit Beschluss vom 17.7.2007 verworfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat keinen Erfolg.

1) Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, in der Sache selbst aber nicht begründet.

Wird mit der Rechtsbeschwerde gegen eine gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, dass der Betroffene nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Amtsgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG genügenden Verfahrensrüge voraus (Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 74 Rn. 48 b).

Die Begründung in der Rechtsbeschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen. Insoweit ist bereits mit dem Vortrag, das Amtsgericht habe das Ausbleiben des Betroffenen im Termin nicht als unentschuldigt ansehen dürfen, eine zulässige Verfahrensrüge erhoben (Göhler OWiG § 74 Rn. 48 b mwN). Denn aus dem Verwerfungsurteil selbst ergibt sich in Ergänzung dazu, dass der Betroffene unter Vorlage eines Attestes dem Gericht Entschuldigungsgründe vorgetragen hat (vgl. OLG Köln, NZV 1999, 261 (262)). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils brauchen dagegen nicht wiederholt zu werden. Das wäre reiner Formalismus (OLG Düsseldorf NStZ 1994, 331 = StV 1994, 148).

2) Das Rechtsmittel ist aber unbegründet, da die Urteilsbegründung nicht an einem Rechtsfehler leidet, der zur Aufhebung führt. Nach § 74 Absatz 2 OWiG ist, wenn der Betroffenen trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens in der Hauptverhandlung ausbleibt, die Verwerfung seines Einspruches nur zulässig, wenn das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Dabei ist nach übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung (BayObLG NZV 98, 426; OLG Düsseldorf VRS 92, 259; OLG Köln DAR 99, 44 OLG Hamm VRS 93, 122 sowie in MDR 1997, 686 = NZV 1997, 411 (Ls.) = ZAP EN-Nr. 691/97 = VRS 93, 450, Göhler aaO, § 74 Rn. 31) nicht entscheidend, ob der Betroffene sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist.

Das angefochtene Urteil beruht aber auf keiner Verkennung des Begriffs der genügenden Entschuldigung i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG .

Es begegnet schon keinen Bedenken, dass das Amtsgericht den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung in Verbindung mit den Erkenntnissen, welche der Tatrichter anlässlich der - befugter Weise erfolgten - telefonischen Nachfrage bei dem behandelnden Arzt am 17.4.2007 erlangt hat, nicht als ausreichende Entschuldigung für ein Ausbleiben des Betroffenen angesehen hat. Denn diese ärztliche Bescheinigung enthielt lediglich den Hinweis auf eine Lumbalgie ( = akutes Lendenwirbelsyndrom), welches im Volksmund auch langläufig als "Hexenschuss" bezeichnet wird. Warum bei dieser Erkrankung noch sieben Tage nach der ärztlichen Vorstellung am 12.4.2007 eine Verhandlungsunfähigkeit am 19.4.2007 bestehen sollte (ohne dass der Betroffene erneut vorstellig wurde), erklärt sich ohne ausführliche Darlegung der Art und Schwere der Erkrankung, der vorgenommenen Diagnostik und der eingeleiteten Therapie nebst Darstellung des Behandlungsverlaufes nicht und ermöglichte dem Tatrichter nicht die erforderliche Überprüfung, ob der Arzt die Frage der Verhandlungsfähigkeit des Betroffenen zutreffend beantwortet hatte. Dementsprechend hatte sich der Tatrichter bereits am 17.4.2007 aufgrund der gerichtlichen Aufklärungspflicht telefonisch mit dem behandelnden Arzt in Verbindung gesetzt und die im Urteil niedergelegten Auskünfte erhalten. Auf der Grundlage dieser telefonischen Auskunft des behandelnden Arztes hat das Amtsgericht zu Recht angenommen, dass das Ausbleiben des Betroffenen objektiv nicht genügend entschuldigt ist. Krankheit entschuldigt den der Ladung zum Hauptverhandlungstermin keine Folge leistenden Betroffenen nur dann, wenn sie nach Art und Auswirkungen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar macht (vgl. KG VRS 102, 467; OLG Karlsruhe NJW 1995, 2571; OLG Köln VRS 72, 442). Ein solcher Krankheitszustand lag zum Zeitpunkt des Beginns der Hauptverhandlung aufgrund der erteilten ärztlichen Auskünfte objektiv nicht vor, wovon auch das Amtsgericht zutreffend ausgegangen ist.

b) Der Betroffene kann sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand derart berufen, dass inhaltsgleiche Atteste in der Vergangenheit zur Wiedereinsetzung bzw. zur Vertagung des Hauptverhandlungstermins geführt haben. Einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass ein Gericht sich vom Betroffenen weiter hinters Licht führen lassen muss, existiert nicht. Das persönliche Erscheinen des Betroffenen war angeordnet. Eine Terminsverlegungsnachricht des Gerichts hat der Betroffene nicht erhalten, sodass ihm bewusst war, dass er zum Termin erscheinen musste.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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