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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.08.2001
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 732/01
Rechtsgebiete: HandwO
Vorschriften:
HandwO § 1 Abs. 2 |
Beschluss
Bußgeldsache gegen H.M.,
wegen vorsätzlicher Ausübung eines Handwerks, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 2. Mai 2001 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22. August 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen "Verstoßes gegen die Handwerksordnung" eine Geldbuße von 3.000,00 DM festgesetzt.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, daß der Betroffene nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, sondern lediglich eine gewerbliche Tätigkeit ("Glas- und Teppichreinigung") angemeldet hat. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene in den Jahren 1998 und 1999 in nicht unerheblichem Umfang Glasreinigungsarbeiten mit Hilfe von Hebebühnen und Hubsteigern bei mehrstöckigen Geschäftshäusern ausgeführt. Dabei soll ihm bewußt gewesen sein, daß derartige Arbeiten dem Gebäudereinigerhandwerk zuzuordnen seien.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner rechtzeitig eingelegten und form- und fristgerecht begründeten Rechtsbeschwerde, mit der er unter Erhebung der Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts begehrt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II. Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Das angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung, weil nach den getroffenen Feststellungen nicht dargelegt ist, daß der Betroffene durch die ihm zur Last gelegten Glasreinigungsarbeiten das Gebäudereinigerhandwerk ausgeübt hat. Nach § 1 Abs. 2 HandwO ist ein Gewerbebetrieb dann ein Handwerksbetrieb im Sinne des Gesetzes, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe umfaßt, das in der Anlage A zu diesem Gesetz aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind. Er ist dagegen dann nicht als Handwerksbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 HandwO anzusehen, wenn er die vom Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 13, 97 ff.) zur Rechtfertigung des sog. Großen Befähigungsnachweises herangezogenen Belange nicht berührt, weil er sich auf "einfache", d.h. solche Arbeiten beschränkt, zu deren einwandfreier und gefahrloser Ausführung es der handwerklichen, in der Regel nur durch die sechs- bis neunjährige Lehr- und Gesellenzeit erlangbaren Befähigung nicht bedarf (vgl. BVerwGE 25, 66 (68 f.); BVerwG, GewArchiv 1968, 59 (59); OLG Frankfurt, GewArchiv 1978, 25 (26); VG Ansbach, GewArchiv, 1993, 379 (381)).
Welche besonderen Kenntnisse und Befähigungen insoweit für die Ausübung des Gebäudereinigerhandwerks zu verlangen sind, ergibt sich aus der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Gebäudereiniger-Handwerk - Gebäudereinigermeisterverordnung - (vgl. BGBl I, 1988, S. 151 ff.).
Für das Reinigen von Fensterglas und -rahmen ist insoweit anerkannt, daß es nicht dem Gebäudereinigerhandwerk zuzuordnen ist, wenn es nur mit Wasser, haushaltsüblichen Reinigungsmitteln und landläufigen Arbeitsgeräten erfolgt, denn bei dieser Tätigkeit handelt es sich um nichts anderes, als was unzählige Hausfrauen regelmäßig tun und für die es keiner handwerklichen Befähigung bedarf (vgl. dazu BVerwG, GewArchiv 1968, 59 (59); OLG Frankfurt, GewArchiv 1978, 25 (26); Hess. VGH, GewArchiv 1978, 92 (93); OLG Köln, GewArchiv 1980, 231 (231); OLG Stuttgart, GewArchiv 1982, 269 (270); VG Ansbach, GewArchiv 1993, 379 (381)). Feststellungen dazu, ob und ggfls. welche Reinigungssubstanzen vorliegend Verwendung gefunden haben, hat das Amtsgericht jedoch nicht getroffenen.
Es hat bei der Bewertung der vom Betroffenen vorgenommenen Reinigungstätigkeit als handwerksmäßig betriebene Gebäudereinigung vielmehr allein darauf abgestellt, daß bei der Glasreinigung an mehrstöckigen Geschäftshäusern Hebebühnen und Steiger eingesetzt worden sind. Das stellt nach Ansicht des Senats jedoch kein geeignetes Abgrenzungskriterium für die Einordnung als handwerksmäßig betriebene Gebäudereinigung dar. Insoweit ist nämlich geklärt, daß selbst der Einsatz von 12 m langen Leitern bei der Glasreinigung (Fenster und Fensterrahmen) nicht dazu führt, daß diese Reinigungstätigkeit dem Gebäudereinigerhandwerk zuzuordnen ist. Zwar ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 30 Gebäudereinigermeisterverordnung, daß das Aufstellen, Verspannen, Bewegen, Sichern und Bedienen von Leitern, Arbeitsbühnen und Hubarbeitsbühnen dem Berufsbild des Gebäudereinigers zuzuordnen ist. Leitern unfallsicher aufzustellen und auf ihnen zu arbeiten erfordert jedoch nur Vorsicht, Sorgfalt und besonders Schwindelfreiheit, wobei Gewöhnung und in gewissem Maße auch Erfahrung dabei nützlich sein können, handwerkliche Ausbildung und Befähigung kann aber zumindest hinsichtlich der damit verbundenen Hauptgefahrenquellen keine Rolle spielen (vgl. BVerwG, GewArchiv 1968, 59 (59); BVerwG, GewArchiv 1968, 161 (162); Hess. VGH, GewArchiv 1978, 92 (93); OLG Köln, GewArchiv 1980, 231 (231)).
Etwas anderes kann jedoch auch nicht gelten, wenn statt einer Leiter ein Hubwagen oder ein Steiger zum Einsatz kommt. Die Bedienung eines solchen Hilfsmittels erfordert in tatsächlicher Hinsicht ebenfalls keine besondere Qualifikation oder Ausbildung. Die möglichen Aufgabenstellungen für die praktische Meisterprüfungsarbeit (§ 3 Gebäudereinigermeisterverordnung) und die Vorschriften über die Prüfung der fachtheoretischen Kenntnisse (§ 5 Gebäudereinigermeisterverordnung) zeigen vielmehr deutlich, daß das Berufsbild des Gebäudereinigers gekennzeichnet ist durch spezielle Kenntnisse und Erfahrungen in der Fachtechnologie, der Werkstoffkunde und von Schutzbestimmungen insbesondere im Umgang mit gefährlichen oder gefährdenden Stoffen. Reinigungstätigkeiten, die derartige Kenntnisse voraussetzen, sind deshalb dem Gebäudereinigerhandwerk zuzurechnen.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß auch auf der Grundlage des Tatvorwurfs aus dem Bußgeldbescheid ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die die Zuordnung der vom Betroffenen übernommenen Arbeiten zum Gebäudereinigerhandwerk rechtfertigen könnten. Soweit der Betroffene gegebenenfalls von ihm übernommene Reinigungstätigkeiten irrtümlich nicht dem Gebäudereinigerhandwerk zugeordnet haben sollte, wofür seine Einlassung sprechen könnte, wird das Amtsgericht die Vermeidbarkeit eines denkbaren Verbotsirrtums zu erörtern haben.
Das angefochtene Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Paderborn zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden hat, weil der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht. Für eine Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht dagegen keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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