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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 739/06
Rechtsgebiete: BKatV, StPO


Vorschriften:

BKatV § 4
StPO § 167
Die Entscheidung über das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes ist außerdem eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen. Die ungeprüfte Wiedergabe einer Einlassung des Betroffenen reicht nicht aus.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen F.W.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 2. Juni 2006 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 03. 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 150,- € festgesetzt, von der Verhängung eines Fahrverbotes jedoch abgesehen.

Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene befuhr am 20. November 2005 um 16:13 Uhr in Lippetal-Lippborg unter anderem den Mühlenweg in Fahrtrichtung Beckum mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXX. An der Örtlichkeit ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen auf 50 km/h beschränkt. Gleichwohl wurde das vom Betroffenen geführte Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 79 km/h in einer Entfernung von 196 Metern mit Hilfe des Lasergeschwindigkeitsmessgerätes Riegl durch PK W. gemessen. Das Gerät war ordnungsgemäß geeicht. Besonderheiten bei der Messung sind nicht zu tage getreten.

Unter Berücksichtigung der angemessenen Fehlertoleranz von 3 km/h ergibt dies eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h, die der Betroffene hätte erkennen können und müssen."

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Für diese Ordnungswidrigkeit ist unter Berücksichtigung der Voreintragung im Register des Kraftfahrtbundesamtes in der Bußgeldkatalogverordnung ein Regelfahrverbot von einem Monat vorgesehen. Außerdem ist eine Geldbuße von 50,00 EUR regelmäßig zu verhängen.

Das Gericht hat hier hinsichtlich des Fahrverbots von der Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV aufgrund der besonderen persönlichen Umstände des Betroffenen Gebrauch gemacht.

Der Betroffene führt zusammen mit seinen beiden Söhnen die von ihm gegründete F.W. GmbH. Es handelt sich hierbei um einen Containerdienst, der sich insbesondere auf den Transport von Schrott spezialisiert hat. Der eine der beiden Söhne des Betroffenen erledigt die Büroarbeiten, während der zweite Sohn und der Betroffene selbst die LKW fahren. Der Betroffene ist zu dieser Tätigkeit gezwungen, da er aufgrund seiner früheren Selbständigkeit lediglich eine Rente von 193,00 EUR bezieht. Seine Ehefrau verfügt über keine eigenen Einkünfte.

Die Firma erhält derzeit ausreichend Aufträge, um sowohl die beiden Söhne als auch den Betroffenen auszulasten und zu ernähren. Der Betroffene entnimmt aus der Firma monatlich durchschnittlich 2.000,00 EUR, von denen sowohl er als auch seine Frau leben.

Ein Urlaubsanspruch des Betroffenen besteht zwar, wird jedoch bereits seit Jahren von ihm nicht wahrgenommen. Aufgrund der derzeitigen Auftragslage wäre es für das Unternehmen auch nicht verkraftbar, wenn er nunmehr innerhalb der nächsten Monate seinen Urlaubsanspruch durchsetzen würde.

Unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen, insbesondere auch im Hinblick auf den Umstand, dass die GeschwindigkeitsÜberschreitung von 26 km/h im Hinblick auf die Vorbelastung von 27 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung als moderat anzusehen ist, hat das Gericht hier von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen. Auch unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den das Gericht vom Betroffenen in der Hauptverhandlung gewinnen konnte, ist es hier noch ausreichend, auf den Betroffenen einzuwirken, indem die Geldbuße angemessen auf 150,00 EUR auch unter Berücksichtigung der Vorbelastungen erhöht wird. Der Anordnung des Fahrverbots bedarf es nicht."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, mit der sie eine Verletzung materiellen Rechts rügt und sich insbesondere gegen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes wendet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und ist dieser Rechtsbeschwerde beigetreten.

II.

Die zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde führt zu einer Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Die Entscheidung des Amtsgerichts über das Absehen von der Verhängung des Fahrverbots hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu Folgendes ausgeführt:

"Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (zu vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Diesem ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist. Vielmehr ist der ihm verbleibende Entscheidungsspielraum durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung oder des Absehens davon zu zählen ist (Senatsbeschluss vom 09.03.2004 - 4 Ss OWi 145/04 - m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben stellen die vom Amtsgericht angeführten Umstände weder für sich allein noch in der Gesamtschau Gründe dar, die das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in der Weise abweichend erscheinen lassen, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots angemessen wäre.

Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes hat der Betroffene regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern grundsätzlich nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (Senatsbeschluss vom 09.03.2004 - 4 Ss OWi 145/04 - m.w.N.).

Dass die Verhängung eines Fahrverbotes vorliegend mit derart schwerwiegenden Folgen für den Betroffenen verbunden ist, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Insoweit wird in den Urteilsgründen lediglich ausgeführt, dass es aufgrund der derzeitigen Auftragslage für das Unternehmen des Betroffenen nicht verkraftbar wäre, wenn der Betroffene nunmehr innerhalb der nächsten Monate seinen Urlaubsanspruch durchsetzen würde. Es ist danach aber nicht auszuschließen, dass die Zeit eines Fahrverbotes des Betroffenen durch die Einstellung eines Aushilfsfahrers überbrückt werden kann. Auch hat das Amtsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob der im Büro arbeitende Sohn des Betroffenen nicht auch Fahrten übernehmen kann. Eine existentielle Gefährdung des Betroffenen bzw. der von ihm und seinen Söhnen geführten Firma oder ein drohender Arbeitsplatzverlust durch die Vollstreckung eines hier lediglich in Betracht kommenden einmonatigen Fahrverbotes sind konkret nicht festgestellt.

Die Entscheidung über das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbotes ist außerdem eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen (Senatsbeschluss vom 09.03.2004 - 4 Ss OWi 145/04 - m.w.N.). Die ungeprüfte Wiedergabe einer Einlassung des Betroffenen reicht nicht aus. Der Amtsrichter hat vielmehr die Angaben des Betroffenen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet. Auch hierzu verhält sich das angefochtene Urteil nicht.

Da somit das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes auf einer nicht tragfähigen Begründung beruht, kann das angefochtene Urteil - angesichts der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot - im gesamten Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Es ist insoweit mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und, da weitere Feststellungen zur Frage einer außergewöhnlichen Härte nicht ausgeschlossen erscheinen, im Umfange der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Soest zurückzuverweisen."

Diesen zutreffenden Ausführungen, die auf der ständigen Rechtsprechung des Senats basieren, schließt der Senat sich an.

Ende der Entscheidung

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