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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.01.2008
Aktenzeichen: 4 Ss OWi 834/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Die Geschwindigkeitsmessung mittels eines elektronischen Gerätes zur Zeit-Weg-Messung beim Nachfahren (hier: ProVida) ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als standardisiertes Verfahren anerkannt. Das Vorliegen geltend gemachter Bedienungsfehler wird in der Regel unter Hinzuziehung eines technischen Sachverständigen abzuklären sein.
Beschluss

Bußgeldsache

gegen S.T.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Warburg vom 11. Oktober 2007 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 01. 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Warburg zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 57 km/h eine Geldbuße von 200,- € sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt und zur Tat folgende Feststellungen getroffen:

"Am 21.11.2006 fuhr der Betroffene mit dem PKW DB, amtliches Kennzeichen XXXXX in der Gemarkung Warburg auf der B 252 in Richtung Brakel. Bei Warburg-Höhenwepel ist durch beidseitig aufgestellte und einmal wiederholte Verkehrszeichen 274 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h angeordnet.

Der Zeuge PK K. fuhr mit dem Motorrad (BMW R1150RT, amtl. Kennzeichen XXXXX) hinter dem Betroffenen her. Das Motorrad ist mit einer Verkehrsüberwachungsanlage der Firma Petards Vision Ltd. Sunbury-on-Thames, U.K. Typ: ProVida 2000 Modular ausgestattet. Die letzte Eichung des Geräts erfolgte am 29.09.2006. Die Eichung ist gültig bis zum 31.12.2007. Das Motorrad ist mit einem geeichten Wegstreckenzähler ausgerüstet. Die Zeit zwischen 2 Videobildern ist ebenfalls geeicht.

Der Zeuge H. startete die Kamera und zeichnete das Fahrverhalten und die Geschwindigkeit des Betroffenen auf. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des vom Betroffenen gesteuerten Fahrzeugs wurde auf Grund einer Messtrecke von 472 Meter ermittelt. Auf dieser Fahrstrecke wurden 341 Einzelbilder gemacht, die bei 0,04 Sekunden pro Einzelbild eine Fahrzeit von 13,64 Sekunden ergab. Aus dieser Fahrzeit ergibt sich nach der Formel Messstrecke x 3,6 / Fahrzeit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 124,6 km/h, gerundet 127 km/h..

Unter Berücksichtigung von 5 %, aufgerundet auf 7 km/h, Toleranz ergibt sich eine Nettogeschwindigkeit von 127 km/h. Der Betroffene hat somit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 57 km/h überschritten."

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner zulässigen Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das angefochtene Urteil unterliegt, wie auch von der Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, bereits aufgrund der Sachrüge der Aufhebung.

Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Berechnung der Geschwindigkeitsüberschreitung um 57 km/h sind gänzlich unverständlich und lassen den nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vorzunehmenden Toleranzabzug nicht erkennen. Im Übrigen ist unklar, um wen es sich bei dem in den Feststellungen genannten Zeugen H. handelt.

Da der aufgezeigte Fehler bereits zur Aufhebung des Urteils führt, bedarf die von der Rechtsbeschwerde zu Recht gerügte unterbliebene bzw. rechtsfehlerhafte Bescheidung von Beweisanträgen keiner weiteren Erörterung.

Das angefochtene Urteil ist mithin, wie von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt, mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Warburg zurückzuverweisen.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Die Geschwindigkeitsmessung mittels eines elektronischen Gerätes zur Zeit-Weg-Messung beim Nachfahren (hier: ProVida) ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung als standardisiertes Verfahren anerkannt (vgl. Nachweise bei Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 62 a). Das Vorliegen geltend gemachter Bedienungsfehler wird in der Regel unter Hinzuziehung eines technischen Sachverständigen abzuklären sein.

Sollte das Amtsgericht erneut eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 57 km/h feststellen können, wird zu prüfen sein, ob der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat. Das Verschlechterungsverbot gilt auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht für den Schuldspruch. Eine Verurteilung wegen vorsätzlichen statt fahrlässigen Handelns ist möglich (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdnr. 37 m.w.N.; OLG Schleswig, SchlHA, 2004, 265).

Ende der Entscheidung

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