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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 4 U 122/03
Rechtsgebiete: UWG, RBerG, ZPO, WPO


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 13 Abs. 5
RBerG § 1 Abs. 1
RBerG § 1 Abs. 1 S. 1
RBerG § 1 S. 1
RBerG § 3 Nr. 6
RBerG § 5 Nr. 2
RBerG § 5 Nr. 3
ZPO § 748
WPO § 2 Abs. 3 Nr. 2
WPO § 2 Abs. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 14. August 2003 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung ist unbegründet. Den Antragstellern steht der ausgeurteilte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch als Verfügungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu. Das Werbeverhalten der Antragsgegnerin, geschäftsmäßig im Internet auch Testamentsvollstreckung anzubieten, verstößt gegen das Rechtsberatungsgesetz und gegen § 1 UWG. Es besteht auch ein Verfügungsgrund (§ 25 UWG).

1) Die Antragsgegnerin bietet mit der Testamentsvollstreckung die Besorgung erlaubnispflichtiger fremder Rechtsangelegenheiten in Form der Rechtsbesorgung und Rechtsgestaltung an, ohne über eine Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten des zuständigen Landgerichtspräsidenten zu verfügen. Damit verstößt sie gegen Art.1 § 1 Abs.1 S. 1 RBerG.

a) Der Senat bleibt auch nach nochmaliger Prüfung und unter Berücksichtigung der Argumente der Antragsgegnerin dabei, dass es sich bei der Testamentsvollstreckung, also der Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers nach ihrem Kern und Schwerpunkt um eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art.1 § 1 Abs.1 RBerG handelt. Wegen der Einzelheiten und insbesondere der Aufgaben eines Testamentsvollstreckers wird auf die Ausführungen zu diesem Punkt im angefochtenen Urteil (Seiten 6 ff.) Bezug genommen, die sich ihrerseits wieder an die gleichlautende Begründung im Senatsurteil vom 23. Mai 2002, NJW-RR 2002, 1286, 1287 betreffend einen Steuerberater, der Testamentsvollstreckung angeboten hat, anlehnt. Der Testamentsvollstrecker hat zwar den Nachlass zu verwalten. Er kann ihn aber dazu in Besitz nehmen, über Nachlassgegenstände entgeltlich verfügen, Nachlassverbindlichkeiten berichtigen, Rechte für den Nachlass geltend machen und im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung Verbindlichkeiten zu dessen Lasten eingehen, denen der Erbe zustimmen muss. Wichtig ist, dass der Testamentsvollstrecker die alleinige Prozessführungsbefugnis auch für alle streitigen Ansprüche und Rechte hat, die seiner Verwaltung unterliegen. Ein von ihm erstrittenes Urteil erwächst auch gegenüber dem Erben in Rechtskraft. Nachlassverbindlichkeiten können zwar sowohl gegenüber dem Erben als auch gegenüber dem Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden, zur Zwangsvollstreckung benötigen die Nachlassgläubiger aber nach § 748 ZPO einen Titel gegen den Testamentsvollstrecker. Auch wenn Art und Umfang der Tätigkeit sehr unterschiedlich sein können und in Fällen, in denen die Antragsgegnerin als Testamentsvollstreckerin tätig geworden ist, stark von der treuhänderischen Verwaltung mitbestimmt gewesen sein mag, ist und bleibt ihr Schwerpunkt immer die unmittelbare Gestaltung der Rechtsangelegenheiten der Erben und anderweitig Bedachten nach den Wünschen des Erblassers. Der Erblasser sieht bei der Anordnung im Regelfall gerade auch erhebliche Probleme voraus. Die fast übergangslose Fortsetzung der treuhänderischen Verwaltung eines erheblichen Vermögens durch einen Wirtschaftsprüfer auch nach dem Tod des früheren Auftragsgebers mit dem Erfordernis der weiteren Anlage des Vermögens, ohne dass erhebliche rechtliche Probleme anfallen, die der Antragsgegnerin als Beispielsfall vorschwebt und die auch der Entscheidung BGH WM 1987, 239 zu Grunde lag, stellt dabei einen Ausnahmefall dar, der bei der allgemeinen Beurteilung außer Betracht zu bleiben hat. Im Regelfall stehen die rechtlichen Probleme im Vordergrund. Diese beziehen sich teilweise schon darauf, ob eine und welche Testamentsvollstreckung überhaupt sinnvoll erscheint. Diese Probleme können überwiegend besser und im Falle der Erforderlichkeit von komplizierten Auseinandersetzungsverträgen sogar ausschließlich von Rechtskundigen gelöst werden. Die gegenteiligen Einschätzungen von Kleine-Cosack (BB 2000, 2112) und der Wirtschaftsprüferkammer, nach der der Schwerpunkt der Testamentsvollstreckung stets auf wirtschaftlichem Gebiet liegen soll, insbesondere weil es sich in erster Linie um eine treuhänderische Vermögensverwaltung handeln soll, überzeugen den Senat nicht. Weil der Testamentsvollstrecker aber in erster Linie im Interesse der begünstigten Personen handelt, nimmt er insoweit auch fremde Rechtsangelegenheiten wahr (OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 236, 237). Soweit spezialisierte Anwälte ausnahmsweise für den Erblasser dessen Wünsche schon bis ins einzelne formuliert haben sollten, so dass für eine erbrechtliche Gestaltung kaum Raum bleibt, wäre gerade im rechtlichen Vollzug dieses so ausgeprägten Willens des Erblassers auch gegen Widerstände und den Willen einzelner Erben, Vermächtnisnehmer oder Dritter die Verwirklichung fremder Rechtsangelegenheiten zu sehen.

b) Diese schwerpunktmäßige Rechtsbesorgung will die Antragsgegnerin auch geschäftsmäßig vornehmen. Eine solche Bereitschaft ergibt sich hier schon aus dem werbenden Hinweis der Antragsgegnerin im Internet, die Testamentsvollstreckung im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft immer dann durchführen zu wollen, wenn sie privat eingesetzt wird.

c) Auch der Hinweis auf die Testierfreiheit des Erblassers steht einer Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes nicht entgegen. Jedem Erblasser steht es zwar selbstverständlich frei, auch einen Wirtschaftsprüfer als Person seines Vertrauens mit der Testamentsvollstreckung zu beauftragen. Davon ist aber die Frage zu trennen, ob ein solcher Wirtschaftsprüfer oder jeder andere im Einzelfall zur Testamentsvollstreckung Berufene geschäftsmäßig seine Dienste als Testamentsvollstrecker anbieten darf. Zur Beantwortung dieser Frage kann die Testierfreiheit nicht herangezogen werden, da aus dem Recht des Erblassers, frei zu testieren, kein Anspruch des Wirtschaftsprüfers erwachsen kann, Testamentsvollstreckung auch geschäftsmäßig zu betreiben.

d) Ein Verstoß scheidet auch nicht aus Gründen des Berufsrechts der Wirtschaftsprüfer aus. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 WPO darf der Wirtschaftsprüfer wirtschaftsberatende oder insbesondere treuhänderische Tätigkeiten auszuüben, also auch die ihm angetragene Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers. Es mag auch sein, dass sich ein Wirtschaftsprüfer in manchen Fällen von seinen Kenntnissen besonders gut zum Testamentsvollstrecker eignet. Da der Wirtschaftsprüfer auch praktisch Testamentsvollstreckertätigkeiten ausübt, macht es Sinn, dass er sich gegen dabei entstehende Risiken versichert und die Versicherungswirtschaft dies in ihren Bedingungen berücksichtigt. Aus dieser berufsrechtlichen Befugnis ergibt sich aber nicht, dass der Wirtschaftsprüfer sich auch geschäftsmäßig mit Testamentsvollstreckung beschäftigen und im Internet dafür werben darf. Es sind, dies übersieht die vorgelegte Stellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer, ungeachtet der berufsrechlichen Befugnis die einschlägigen Gesetze zu beachten und somit auch das Rechtsberatungsgesetz. Danach besteht gerade für eine geschäftsmäßige Rechtsbesorgung eine Erlaubnispflicht. Wenn es anders wäre, wäre die Aufzählung bestimmter Berufsgruppen, zu denen auch die Wirtschaftsprüfer gehören, bei der Regelung der Ausnahmetatbestände im Rechtsberatungsgesetz überflüssig (BGH AnwBl. 1994, 254, 255).

e) Die geschäftsmäßige Rechtsbesorgung ist für die Antragsgegnerin auch nicht ausnahmsweise erlaubnisfrei. Zwar könnten die Ausnahmevorschriften des Art.1 § 3 Nr.6 und § 5 Nrn.2 und 3 RBerG unmittelbar oder in analoger Anwendung in Betracht kommen. Deren Voraussetzungen liegen aber sämtlich nicht vor.

aa) Nach Art.1 § 3 Nr.6 RBerG wird die Tätigkeit als Zwangsverwalter, Insolvenzverwalter oder Nachlasspfleger sowie die Tätigkeit sonstiger für ähnliche Aufgaben behördlich eingesetzter Personen vom Rechtsberatungsgesetz nicht berührt. Die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers ist dabei ausdrücklich nicht erwähnt. Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet aus, weil der Testamentsvollstrecker nicht behördlich eingesetzt wird, sondern vom Erblasser oder einem von diesem benannten Dritten ernannt wird. Die behördliche Einsetzung wird auch nicht dadurch ersetzt, dass der Testamentsvollstrecker die Annahme des Amtes gegenüber dem Nachlassgericht erklären muss. Es fehlt eben an der sonst typischen gerichtlichen Aufsicht über die Amtsführung des Testamentsvollstreckers. Es kann auch kein von Anfang an ungeeignet erscheinender Amtsinhaber verhindert werden. Stellt sich eine mangelnde Eignung später heraus, kann das Nachlassgericht nicht von sich aus die Entlassung betreiben. Die fehlende Kontrolle des Testamentsvollstreckers wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass der Ausübende als Wirtschaftsprüfer ohnehin Qualitätskontrollen zur Überwachung der Einhaltung seiner Berufspflichten ausgesetzt ist. Eine solche berufsspezifische Tätigkeitskontrolle ist hier nicht gemeint und nicht ausreichend.

bb) Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht auf die Ausnahmevorschrift des Art.1 § 5 Nr.2 RBerG berufen. Zwar darf der Wirtschaftsprüfer in beruflichen Angelegenheiten auch die rechtliche Beratung übernehmen, wenn diese als Hilfsgeschäft in unmittelbarem Zusammenhang mit einem anderen Geschäft im Rahmen seiner Aufgaben steht, also insbesondere auch in Zusammenhang mit einer treuhänderischen Verwaltung. Um ein solches Annexgeschäft geht es aber nicht, wenn die Antragsgegnerin im Internet selbständig auch Testamentsvollstreckung anbietet. Ein solches Angebot ist umfassend und an alle Internetnutzer gerichtet und nicht etwa ausschließlich an Personen mit einem erheblichen Vermögen, die schon juristisch beraten worden sind. Der Internetnutzer, der sich als zukünftiger Erblasser aus den unterschiedlichsten Gründen für eine Testamentsvollstreckung interessiert, muss nur das entsprechende Suchwort eingeben und wird dann auch zur Antragsgegnerin geleitet.

cc) Auch Art.1 § 5 Nr.3 RBerG ist auf die Antragsgegnerin nicht anwendbar. Danach steht das Rechtsberatungsgesetz nicht entgegen, wenn Vermögensverwalter, Hausverwalter und ähnliche Personen die mit einer solchen Verwaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rechtsangelegenheiten erledigen. Zu den ähnlichen Personen gehört der Testamentsvollstrecker aber auch dann nicht, wenn es sich um einen Wirtschaftsprüfer handelt. Anders als bei den Tätigkeiten der genannten Personen steht bei der Testamentsvollstreckung nicht die auf eine abgrenzbare Wirtschaftseinheit bezogene und auf eine gewisse Dauer angelegte und von einer gewissen Selbständigkeit geprägte Vermögensverwaltung als solche im Vordergrund. Es geht vielmehr um den gesamten Nachlass und die Gestaltung der mit seiner Verteilung nach dem Willen des Erblassers verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme.

f) Die durch die Erlaubnispflicht bedingte Beschränkung der Berufstätigkeit der Antragsgegnerin verstößt auch nicht gegen Art. 12 GG. Im Rahmen der Testamentsvollstreckung geht es schon vom Ansatz her um eine umfassende Beratung auf einem Teilgebiet des Rechts, nämlich des Erbrechts. Art. 1 § 1 Abs.1 S. 1 RBerG enthält gerade für solche Fälle einen gesetzlichen Vorbehalt, der die Rechtsbesorgung auf diesem Teilgebiets des Rechts grundsätzlich Rechtsanwälten zuweist. Dieser Vorbehalt ist durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Sinn und Zweck des nach wie vor zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörenden Rechtsberatungsgesetzes (vgl. BVerfG, AnwBl 2001, 63) ist auch der Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit der Rechtspflege. Das hier vorrangige Interesse der Allgemeinheit an einer fachkundigen und reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs und dem Bestand einer funktionsfähigen Anwaltschaft lässt die nicht besonders schwer wiegende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Antragsgegnerin als interessengerecht und verhältnismäßig erscheinen. Der Antragsgegnerin ist es nicht untersagt, ihr im Einzelfall übertragene Testamentsvollstreckungen durchzuführen oder diese als Annexgeschäft wahrzunehmen.

2) In dem Verstoß gegen Art. 1 § 1 S. 1 RBerG ist auch ein Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG zu sehen. Die Missachtung des Erlaubniszwanges des Rechtsberatungsgesetzes ist bislang nach einhelliger Auffassung auch ohne das Hinzutreten weiterer Umstände als sittenwidrig und damit wettbewerbswidrig angesehen worden. Auch unter Berücksichtigung der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, in der im Fall von Normverstößen die frühere Unterscheidung zwischen werthaltigen Normen und wertneutralen Normen aufgegeben und auf den Wettbewerbsbezug des entsprechenden Normverstoßes abgestellt wird, ist von einer Wettbewerbswidrigkeit auszugehen. Zwar ist ein Wettbewerbsbezug grundsätzlich fraglich, wenn es um Normen geht, die den Marktzutritt regeln. Denn es ist dann in der Regel so, dass der Verstoß dem eigentlichen Wettbewerbsgeschehen vorgelagert ist und deshalb beim gesetzlich nicht vorgesehenen, aber als solchem nicht unlauteren Auftritt auf dem Markt keine Rolle mehr spielt. Etwas anderes gilt aber, wenn der Marktzutritt mit einer unlauteren Wettbewerbshandlung zusammenfällt, etwa weil der Marktzutritt an eine besondere Qualifikation geknüpft ist und weil die verletzte Norm jedenfalls auch die privilegierten Wettbewerber schützen soll. Um einen solchen Fall geht es hier. Das Verbot der Rechtsbesorgung ohne die erforderliche Erlaubnis hat als solches auch einen wettbewerbsregelnden Charakter zugunsten der privilegierten Rechtsberater und damit den erforderlichen Wettbewerbsbezug. Der Verstoß gegen die Zutrittsschranke führt hier per se zu einem wesentlichen Nachteil der privilegierten Mitbewerber und ist deshalb unlauter (vgl. Ullmann, Das Koordinatensystem des Rechts des unlauteren Wettbewerbs im Spannungsfeld von Europa und Deutschland, GRUR 2003, 817, 824).

3) Dem Anspruch steht letztlich auch nicht § 13 Abs.5 UWG entgegen. Zwar kann eine unberechtigte Mehrfachabmahnung von Wettbewerbsverstößen aus sachfremden Erwägungen rechtsmissbräuchlich sein, auch wenn sie von einem unmittelbar Verletzten ausgeht. Ein solcher Sonderfall ist hier aber schon nicht dargelegt. Der Vortrag der Antragsgegnerin reicht nicht aus, um hier von einem Fall in einer Kette von Mehrfachabmahnungen eines Wettbewerbsverstoßes im Internet aus sachfremden Gründen auszugehen zu können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

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