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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 4 U 153/06
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5 Abs. 1
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2
UWG § 11
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. Juni 2006 verkündete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, für den Fall, dass dies nicht beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, es zu unterlassen,

a) mit der Pluralform "Betriebswirt" oder "Wirtschaftsjurist" zu werben, solange die Kanzlei nicht aus mehr als einem Berufsträger besteht und/oder

b) mit dem Zusatz "& Kollegen" hinter seinem Namen zu werben, solange die Kanzlei nicht aus mehr als zwei Berufsträgern besteht, wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 mit der Klageschrift überreichten Briefbogen des Beklagten mit dem Datum 24.02.2005.

Die Berufung des Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Anschluss an die Unterlassungsverbote heißt: "wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 mit der Klageschrift überreichten Briefbogen des Beklagten mit dem Datum 24.02.2005".

Der Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten der Klägerin an die Rechtsanwälte T und L, L-Straße in #### E über die vom Landgericht ausgeurteilten 515,62 EUR nebst Zinsen hinaus weitere 167,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. April 2006 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, bei dem es sich um einen Fachhochschulabsolventen des Studiengangs Wirtschaftsrecht handelt und der als "Einzelkämpfer" schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Nachlasspflegschaft tätig ist, die Unterlassung bestimmter Werbeangaben, die dieser auf seinen Briefbögen verwendet hat.

In dem Fachhochschulstudiengang Wirtschaftsrecht, den der Beklagte absolviert hatte, werden juristische und wirtschaftswissenschaftliche Ausbildungsinhalte miteinander kombiniert. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiengangs verleiht die Fachhochschule den Titel "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)". Diplom-Wirtschaftsjuristen sind keine Volljuristen und dürfen keine Rechtsberatung erteilen. Der Beklagte erwarb zudem die Qualifikation "Betriebswirt (Wi.-Dipl. VwA)". Er eröffnete in L eine Kanzlei, in der er nunmehr auf dieser Grundlage seine Dienste anbietet. Außer ihm sind dort keine weiteren Wirtschaftsjuristen oder Betriebswirte tätig.

Auf einem Briefbogen, den er im Zusammenhang mit einer Nachlassangelegenheit unter dem 24.02.2005 verwandte und auf den hinsichtlich der genauen weiteren Gestaltung Bezug genommen wird (Bl. 13), heißt es im Briefkopf wie folgt:

"WIRTSCHAFTSJURISTENKANZLEI

L2 & KOLLEGEN

WIRTSCHAFTSJURISTEN BETRIEBSWIRTE

... L2

DIPLOM-WIRTSCHAFTSJURIST (FH)

BETRIEBSWIRT (WI.-DIPL.- VWA)"

Die Klägerin mahnte den Beklagten unter dem 03.02.2006 ab und setzte ihm eine Nachfrist zur Abgabe der verlangten strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 24.02.2006.

"Seit 2006" (was nicht näher konkretisiert ist) verwendet der Beklagte einen teilweise modifizierten Briefbogen, und zwar wie folgt:

"WIRTSCHAFTSJURISTENKANZLEI

L2

WIRTSCHAFTSJURIST BETRIEBSWIRT

... L2

DIPLOM-WIRTSCHAFTSJURIST (FH)

BETRIEBSWIRT (WI.-DIPL.- VWA)"

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Verwendung des Briefkopfes verstoße gegen §§ 3, 5 I, II Nr. 3 UWG, da der Beklagte hiermit im Hinblick auf die Größe seiner Kanzlei und über die Art der angebotenen Dienstleistungen irreführend und damit unlauter werbe. Die Kanzleibezeichnung in Verbindung mit der Pluralangabe könne nur so verstanden werden, dass in der Kanzlei mehrere Berufsträger tätig seien. Zudem würden die Begriffe "Wirtschaftsjuristenkanzlei" und "Wirtschaftsjuristen" den Eindruck erwecken, die Kanzlei biete Rechtsberatung und anwaltliche Dienstleistungen an, obschon der Beklagte hierzu nicht berechtigt sei und eine entsprechende Beratung regelmäßig auch nicht durchführen könne.

Die Klägerin hat unter Einbeziehung der gesetzlichen Ordnungsmittel die Verurteilung des Beklagten beantragt, es zu unterlassen (Ziff. 1),

a) mit der Pluralform von "Betriebswirt" oder "Wirtschaftsjurist" zu werben, solange die Kanzlei nicht aus mehr als einem Berufsträger besteht und/oder

b) mit dem Zusatz "und Kollegen" hinter seinem Namen zu werben, solange die Kanzlei nicht aus mehr als zwei Berufsträgern besteht und/oder

c) aa) mit dem Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" (in Groß- und Kleinschreibung und mit und ohne graphisch hervorgehobene Anfangsbuchstaben W, J, K) zu werben,

bb) hilfsweise: mit dem Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" zu werben, soweit nicht gleichzeitig deutlich darauf hingewiesen wird, dass keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erfolgt, oder der Umfang der Tätigkeit deutlich und abschließend beschrieben wird und/oder

d) mit dem Begriff "Wirtschaftsjurist" - sei es allein stehend oder in Kombination mit anderen Begriffen - zu werben, wenn der Begriff nicht unmittelbar mit Zusätzen versehen ist, die die berufliche Qualifikation ("Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)") angeben.

Ferner (Ziff. 2) hat die Klägerin die Zahlung einer hälftigen, nicht anzurechnenden außergerichtlichen Geschäftsgebühr von 588,50 € nach einem Gegenstandswert von 30.000,- € begehrt.

Der Beklagte hat geltend gemacht, dass ihm die angebliche Abmahnung und die angebliche Erinnerung unbekannt seien und dass er seit 2006 ausschließlich den modifizierten Briefbogen verwende. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Bei der Verwendung des Begriffs Wirtschaftsjuristenkanzlei werde eindeutig nicht die Pluralform des Begriffes Wirtschaftsjurist verwendet. Die Verwendung der korrekten grammatikalischen Genitivform "Wirtschaftsjuristenkanzlei" könne ihm nicht verboten werden. Der Begriff Kanzlei sei nicht nur Anwälten und Steuerberatern vorbehalten. Bei einem durchschnittlichen Verbraucher werde nicht der Eindruck erweckt, dass anwaltliche Rechtsberatungsleistungen angeboten würden.

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 1. c) (ohne den oben genannten Klammerzusatz) und d) unter Abweisung der Klage im Übrigen stattgegeben und den Beklagten zu entsprechender Unterlassung verurteilt, ferner zur Zahlung von 515,62 € nebst bezeichneter Zinsen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Irreführung "über die Größe" nicht vorliege, da der Beklagte unwidersprochen vorgetragen habe, dass er seit 2006 ausschließlich den geänderten Briefkopf verwende, der weder die Pluralform von Betriebswirt oder Wirtschaftsjurist noch den Zusatz "& Kollegen" enthalte. Mangels dahingehenden Vortrags müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte seinen Briefbogen verändert habe, bevor er am 03.02.2006 durch die Klägervertreter abgemahnt worden sei. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gehe ins Leere, eine Wiederholungsgefahr könne nicht mehr angenommen werden. Demgegenüber werde mit den im Briefkopf verwendeten Begriffen "Wirtschaftsjuristenkanzlei" und "Wirtschaftsjurist" der Eindruck erweckt, dass die Kanzlei Rechtsberatung anbiete, obschon der Beklagte hierzu nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht berechtigt sei und entsprechende Beratung somit rechtmäßig nicht durchführen könne. Um eine derartige Irreführung auszuschließen, müsse der Beklagte auch in den Kopfzeilen den Begriff "Diplom-Wirtschaftsjuristenkanzlei" verwenden und genau seine Qualifikation als "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)" benennen.

Wegen des Kostenerstattungsanspruchs sei davon auszugehen, dass die außergerichtliche Tätigkeit nur nach einem Gegenstandswert von 15.000,- € gerechtfertigt gewesen sei, so dass sich ein auszuurteilender Bruttobetrag von 515,62 € errechne.

Die Parteien verfolgen ihre Klageanträge mit den von ihnen wechselseitig eingelegten Berufungen weiter.

Die Klägerin stellt zunächst klar, dass sie die vom Landgericht vorgenommene Änderung des Begehrens unter c) aa), nämlich das Weglassen des dortigen Klammerzusatzes nach dem Klageantrag, akzeptiert. Sie begehrt auch die Verurteilung des Beklagten hinsichtlich der Unterlassungsanträge zu 1) a) und b) sowie zur Zahlung weiterer 167,04 € und meint, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Beklagte seinen Briefbogen zeitlich vor der Abmahnung vom 03.02.2006 verändert habe, worauf es aber auch nicht ankomme. Die Ansicht des Landgerichts, dass eine Wiederholungsgefahr nicht mehr angenommen werden könne, gehe fehl. Bei einem Wettbewerbsverstoß streite für die Wiederholungsgefahr eine tatsächliche Vermutung. Die Vermutung zu widerlegen sei Sache des Beklagten. Der bloße Wegfall der Störung oder die Erklärung des Verletzers, künftig von Wiederholungen Abstand zu nehmen, beseitige die Wiederholungsgefahr nicht. Da der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe, bestehe weiterhin eine Wiederholungsgefahr. Es sei auch nicht jede Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzter beseitigt. Dabei sei unerheblich, wenn der Beklagte den Zugang von Abmahnung und Unterlassungserklärung bestreite. Überdies werbe der Beklagte bei *internetadresse* nach wie vor mit "L2 Wirtschaftsjuristenkanzlei, Wirtschaftsjurist und Betriebswirt, Sachverständige für Betriebswirtschaft".

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils

1.) den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, für den Fall, dass dies nicht beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft,

es zu unterlassen,

a)

mit der Pluralform "Betriebswirt" oder "Wirtschaftsjurist" zu werben, so lange die Kanzlei nicht aus mehr als einem Berufsträger besteht und/oder

b)

mit dem Zusatz "& Kollegen" hinter seinem Namen zu werben, so lange die Kanzlei nicht aus mehr als zwei Berufsträgern besteht,

mit der Maßgabe, dass es am Ende der Unterlassungsanträge heißt: "wie geschehen in dem als Anlage K 1 mit der Klageschrift überreichten Briefbogen des Beklagten mit dem Datum 24.02.2005."

2.) den Beklagten zu verurteilen, zugunsten der Klägerin an die Rechtsanwälte T und K, L-Straße in #### E über die vom Landgericht ausgeurteilten 515,62 € nebst Zinsen hinaus weitere 167,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

2. das Urteil des Landgerichts Dortmund aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte begehrt die vollumfängliche Abweisung der Klage. Er meint, der Begriff Wirtschaftsjurist sei nicht irreführend, da er seiner erworbenen Qualifikation entspreche. Auch der Begriff Kanzlei sei keineswegs nur Anwälten und Steuerberatern vorbehalten. Er dürfe sich mit Fug und Recht als Wirtschaftsjuristen bezeichnen. In der Kombination, also in der Form Wirtschaftsjuristenkanzlei, stelle sich dies nicht anders dar. Mehr als deutlich weise er zudem auf seine Qualifikation als Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) hin. Die Überschrift seines Briefbogens (Wirtschaftsjuristenkanzlei) werde in mehr als hinreichendem Maße präzisiert durch die Angaben auf der rechten Seite seines Briefbogens. Er trete nicht werbend auf. Und er tauche auch in einschlägigen Suchwerken wie z.B. den Gelben Seiten nicht auf. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Er habe den beanstandeten Briefbogen aus eigener Entscheidung vor der behaupteten Abmahnung der Klägerin verändert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat demgegenüber Erfolg.

I.

Die Verbotsanträge des Klägers sind im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Soweit diese nunmehr im Berufungsverfahren konkretisiert worden sind mit dem Zusatz "wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K 1 mit der Klageschrift überreichten Briefbogen des Beklagten mit dem Datum 24.02.2005" handelt es sich lediglich um eine - auch kostenunschädliche - Klarstellung des Verbotsbegehrens, weil sich der Kläger gemäß der Klageschrift von Anfang an gegen diese konkrete Briefbogengestaltung gewandt hat.

II.

Der Kläger als berufsständischer Verband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ebenso im Sinne von § 8 III Nr. 2 UWG klagebefugt wie aktivlegitmiert. Da es sich insbesondere bei Nachlasspflegschaften und Testamentsvollstreckungen, die der Beklagte unter anderem betreibt, auch um typische anwaltliche Dienstleistungen handelt, ist von einem entsprechenden Wettbewerbsverhältnis auszugehen. Auf die diesbezüglichen weiteren Ausführungen des Landgerichts (Urteil S. 8 f) wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

III.

An dem Tatbestandsmerkmal einer Wettbewerbshandlung (§ 2 Nr. 1 UWG) in der Form einer Werbung (§ 5 I UWG) bestehen bei den Angaben des Beklagten auf seinem Briefbogen keine ernsthaften Zweifel. Unter einer Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs zu verstehen, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (Bornkamm, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25. Aufl. 2007, § 5 Rn. 2.12). Dass die Angaben auf einem Briefbogen letztlich auf die Förderung der eigenen Dienstleistungen gerichtet sind und der Briefbogen ein selbständiger Werbeträger darstellt, ist anerkannt und eindeutig (s.a. § 43 b BRAO, §§ 6, 10 BORA i.d. Fassung 2006; dazu Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 11.85 ff.). Ein werbendes Auftreten in einschlägigen Suchwerken wie den Gelben Seiten ist weitergehend nicht erforderlich.

IV.

Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß §§ 3, 5 I, II Nr. 3 UWG - wie tenoriert - die Unterlassung der beanstandeten Werbeangaben verlangen. Es liegt eine irreführende Werbung über die geschäftlichen Verhältnisse des Beklagten vor, weil er keine Kanzlei mit einer Mehrheit von Berufsangehörigen betreibt und dabei eine falsche berufliche Qualifikation suggeriert.

Eine Angabe ist dann irreführend, wenn sie den angesprochenen Verkehrskreisen einen unrichtigen Eindruck vermittelt (BGHZ 13, 244, 253 - Cupresa-Kunstseide; BGH GRUR 1995, 612, 613 f. - Sauerstoff-Mehrschnitt-Therapie). Dabei genügt es, dass die Werbung zur Irreführung und Beeinflussung geeignet ist. Auf eine tatsächliche Irreführung kommt es nicht an (BGH GRUR 1988, 829 - Verkaufsfahrten II; 2000, 239, 241 - Last-Minute-Reise).

1. a)

Daran, dass - wie im ursprünglichen und beanstandeten Briefbogen (Bl. 13) - mit der Pluralform von "Betriebswirt" oder "Wirtschaftsjurist" (Antrag zu Ziff. 1 a) und mit dem Zusatz "und Kollegen" hinter seinem Namen (Ziff. 1 b) - irreführend geworben wurde, ohne dass die Kanzlei zumindest über zwei Berufsträger verfügt, bestehen keine Zweifel. Denn es wird mit diesem Briefbogen in den angesprochenen Verkehrskreisen der unzutreffende Eindruck vermittelt, es handele sich um eine "größere" Kanzlei mit einer Mehrzahl von Berufsträgern, die mitunter als leistungsfähiger und/oder unter dem Gesichtspunkt einer Arbeitsteilung als differenzierter angesehen wird.

b)

Auch soweit der Beklagte diese Werbung inzwischen ("seit 2006") eingestellt hat, besteht gleichwohl noch, anders als es das Landgericht gemeint hat, eine Wiederholungsgefahr.

Der diesbezügliche Verstoß hat vor der Abmahnung auf jeden Fall vorgelegen. Ist es so zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet sodann eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (st. Rspr., s. Nachweise bei Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 1.33). Die Wiederholungsgefahr beschränkt sich dabei nicht auf die identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. An den Fortfall der Verletzungsgefahr sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Die Vermutung zu widerlegen ist Sache des Verletzers. Dies gelingt ihm im Allgemeinen nur dadurch, dass er eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung abgibt (BGH GRUR 1998, 1045 - Brennkessel). Mit der Verweigerung der Unterwerfung zeigt er, dass nach wie vor eine Wiederholungsgefahr besteht. Mangels Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung durch den Beklagten ist eine Wiederholungsgefahr vorliegend zu vermuten und zu bejahen. Eine Widerlegung ist nicht erfolgt. Allein eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - hier die spätere Änderung des Briefbogens - lässt die Wiederholungsgefahr unberührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist. Sie entfällt nicht schon dann, wenn ein Wiedereintreten völlig gleichartiger Umstände nicht zu erwarten ist (BGH GRUR 1961, 288, 290 - Zahnbürsten; GRUR 1988, 38, 39 - Leichenaufbewahrung). Vorliegend kommt hinzu, dass keineswegs gesichert ist, dass der Beklagte nicht noch über alte Briefbögen verfügt, die er gegebenenfalls wieder in den Verkehr bringen könnte, oder aber auch seinen ursprünglichen Briefbogen wieder einzuführen gedenkt. Eine entsprechende "Distanzierung" hiervon ist schließlich auch im Prozess nicht erfolgt.

Darauf, ob dem Beklagten die Abmahnung vom 03.02.2006 und die Erinnerung an die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 21.02.2006 zugegangen sind und bekannt waren, kommt es streitentscheidend nicht mehr an. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang maßgeblich, ob der Beklagte zurechenbar bei "*internetadresse*" noch über eine entsprechende Eintragung verfügt, in der in Verbindung mit seiner "Kanzlei" auf eine Pluralform ("Sachverständige für Betriebswirtschaft") hingewiesen wird.

2.

Hinsichtlich der Werbung mit dem Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" (Antrag zu Ziff. 1 c) und die Benutzung des Wortes "Wirtschaftsjurist" (Antrag zu Ziff. 1 d) liegt sodann, da diese Begriffe nicht unmittelbar mit einem klarstellenden Zusatz versehen sind, die die berufliche Qualifikation des Beklagten als Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH) angeben, eine Irreführung über seine Qualifikation vor. Diese Begriffe suggerieren, dass hier anwaltliche Dienstleistungen auf wirtschaftlichem Gebiet angeboten werden. Dabei ist ausreichend, dass sich ein wesentlicher Teil des Verkehs an den betreffenden Bezeichnungen in der Kopfzeile des Briefbogens orientiert.

a)

Der Begriff "Wirtschaftsjuristenkanzlei" ist isoliert betrachtet zunächst nicht ohne weiteres als Pluralform mit dem Hinweis auf eine Mehrzahl von Berufsträgern zu verstehen. Denn soweit dieser das Teilstück "juristen" enthält, geht dies grammatikalisch auf die Genitivform des Begriffes in Verbindung mit dem Bezugswort "Kanzlei" zurück. Ebenso wie bei einer Anwaltskanzlei oder irgendeiner anderen Kanzlei wird der Wortstamm Kanzlei mit der maßgeblichen Berufsbezeichnung konkretisiert. Die Genitivform "des Juristen" kann sprachlich korrekt dem Wortstamm nicht anders als mit Wirtschaftsjuristenkanzlei vorangestellt werden. Der Beklagte hat einen nach der diesbezüglichen Studienordnung zulässigen Abschluss als Wirtschaftsjurist, nämlich in Form eines Diploms. Insofern kann es ihm grundsätzlich nicht verwehrt sein, die zulässige und für ihn zutreffende Abschlussbezeichnung "Wirtschaftsjurist" zu verwenden. Jedenfalls die bloße Verknüpfung mit "Kanzlei" ist noch nicht zu beanstanden, da Kanzlei letztlich nur Schreibstube oder Büro (von lat. cancelli = Gitter, Schranken; abgeschlossener Raum) bedeutet und insofern jedenfalls keine Mehrzahl der Berufsträger ausdrückt. So kann eben auch ein Einzelanwalt eine Anwaltskanzlei betreiben.

b)

Maßgeblich ist indes, dass durch die hervorgehobene Verwendung der Begriffe "Wirtschaftsjuristenkanzlei" und (in der singulären Form) "Wirtschaftsjurist" in der Kopfzeile des beanstandeten Briefbogens ohne einen unmittelbaren klarstellenden Zusatz "Diplom" und oder "FH" der Eindruck erweckt wird, dass der Beklagte anwaltliche Dienstleistungen und Rechtsberatung auf wirtschaftlichem Gebiet anbietet und auch ein Universitätsstudium und einen Referendardienst durchlaufen hat. Der Verkehr erwartet unter einem Wirtschaftsjuristen einen auf dem Gebiet der Wirtschaft tätigen Volljuristen, zumal es auch einen ähnlich klingenden Fachanwalt, nämlich für Handels- und Gesellschaftsrecht, gibt. Dementsprechend erwartet der Verkehr in einer Wirtschaftsjuristenkanzlei einen derartigen oder eine Mehrzahl derartiger Wirtschaftsjuristen. Hierdurch wird der Eindruck vermittelt, dass der Beklagte über die betriebswirtschaftlichen Dienste hinaus im Kern auch juristische Dienste anbietet. Dieser durch die Kopfzeile verursachte und im Brieffenster (in Kleindruck) wiederholte (falsche) Eindruck wird auch nicht von der Angabe in der rechten Zeile "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)" ausgeräumt. Einerseits ist zwar richtig, dass rechts an dortiger Stelle zutreffend der Zusatz "Diplom ..." und "FH" aufgenommen ist, der für einen mit dieser Materie besonders vertrauten Adressaten die Information beinhaltet, dass hier kein rechtsberatender Jurist seine Dienste anbietet, sondern ein Berufsträger, dessen Einsatzgebiete - entsprechend den Studienordnungen - im betriebswirtschaftlichen und juristischen Schnittbereich liegen und der häufig jedenfalls als interner Rechtsberater in einem Wirtschaftsunternehmen oder Wirtschaftsverband oder in diesem Rahmen auch selbständig (aber im Kern nicht juristisch) tätig ist. Allerdings vermag ein Großteil des angesprochenen Verkehrs aus der Gestaltung des Briefbogens nicht hinreichend deutlich zu erkennen, dass hier nicht ein "Volljurist" wirbt, sondern ein sog. "Wirtschaftsjurist", der eben keine rein rechtsberatende und anwaltliche Tätigkeit ausüben darf. Angesichts dieser Fehleinschätzung aus Empfängersicht ist es geboten, klarstellend, deutlich und auch an ebenso hervorgehobener Stelle auf eben diesen Umstand durch den Zusatz "Dipl.-Wirtschaftsjurist" oder "Dipl.-Wirtschaftsjuristenkanzlei", nämlich bereits in der Kopfzeile, hinzuweisen, was dann bewirkt, dass sich der Empfänger zum Berufsbild des Beklagten von vornherein eine richtige Vorstellung verschaffen kann. Die derzeitige Briefbogengestaltung, die auch äußerlich sehr an eine solche aus anwaltlicher Quelle erinnert, ist insoweit nicht ausreichend, zumal der Beruf eines "Wirtschaftsjuristen" mit einer Fachhochschulausbildung vergleichsweise unbekannt ist. Laienhaft herrscht jedenfalls die Sicht vor, dass man bei einem Juristen grundsätzlich auch eine (volljuristische) Rechtsberatung bekommt, und zwar in dem Spezialbereich Wirtschaft, abgesehen auch davon, dass durch die (grundsätzlich richtige) Erwähnung des zweiten Abschlusses "Betriebswirt (Wi-Dipl. VWA)" eine Art Gegensatzpaar vorgezeigt wird, durch das der Eindruck vermittelt wird, dass über die betriebswirtschaftlichen Dienste hinaus gerade auch im Kern juristische Dienste angeboten werden.

Im Falle der Mehrdeutigkeit, die hier aus Empfängersicht zumindest auftritt, muss der Werbende die verschiedenen Bedeutungen gegen sich gelten lassen. Es gilt der Grundsatz, dass sich derjenige, der mit doppeldeutigen, vielsinnigen und missverständlichen Angaben wirbt, sich auch die Verständnismöglichkeit zurechnen lassen muss, die die Angabe im Verkehr als unrichtig erscheinen lässt (BGH GRUR 1997, 665, 666 - Schwerpunktgebiete; Bornkamm, a.a.O, § 5 Rn. 2.111 m.w.N.; Götting, Wettbewerbsrecht, 2005, § 8 Rn. 32). Ein solches mehrdeutiges Verständnis muss der Beklagte durch entsprechende Zusätze auch in den Kopfzeilen seines Briefbogens ausräumen und den Begriff "Diplom-Wirtschaftsjuristenkanzlei" verwenden und genau seine Qualifikation als "Diplom-Wirtschaftsjurist (FH)" benennen.

c)

Eine Wiederholungsgefahr besteht in diesem Zusammenhang schon deshalb, weil der Beklagte auch seit 2006 mit dem modifizierten Briefbogen in gleicher Weise weiter wirbt.

V.

Die Unterlassungsansprüche des Klägers sind - im Hinblick darauf, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Senatstermin sich auf die Einrede der Verjährung berufen hat - nicht gemäß § 11 UWG verjährt, ohne dass es maßgeblich darauf ankommt, wann der Kläger von den betreffenden Briefbogen Kenntnis erhalten hat. Denn unstreitig hat der Beklagte seine Verletzungshandlungen in allen Punkten mit dem ursprünglichen Briefbogen bis zu einem nicht genau konkretisierten Zeitpunkt in 2006 fortgeführt. Solange der Verstoß dauert, kann die Verjährung von entsprechenden Unterlassungs- und Beseitungsansprüchen noch nicht beginnen (BGH GRUR 1974, 99, 100 - Brünova; 2003, 448, 450 - Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft; Köhler, a.a.O., § 11 Rn. 1.21). Bereits Anfang April ist dann innerhalb der 6-montigen Verjährungsfrist die Klage eingereicht und alsbald zugestellt worden.

VI.

Die vom Kläger geltend gemachten Abmahnkosten - in Höhe von insgesamt 682,66 € - sind, da die Klägerin mit sämtlichen Anträgen durchdringt, in voller Höhe nach einem Gegenstandwert von 30.000,- € berechtigt (§ 12 I 2 UWG)

VII.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 710, 91 I und 97 I ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, § 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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