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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 4 U 17/09
Rechtsgebiete: BGB, BGB-InfoV, UWG


Vorschriften:

BGB § 312 c
BGB § 312 c Abs. 1
BGB-InfoV § 1 Nr. 10
UWG § 8 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 06. November 2008 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 24. September 2008 wird aufgehoben und der Antrag des Antragstellers vom 16. September 2008 zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Der Antragsteller betreibt in L einen Geschäftsbetrieb und handelt im Wesentlichen mit militärischen Devotionalien, Kriegsliteratur und Waffen. Er bietet seine Produkte auch über F unter dem Namen "####" an. Das Angebot umfasst auch Flip Flops. Auf die zu den Akten gereichten Ausdrucke der Angebote wird verwiesen.

Die Antragsgegnerin vertreibt als private Verkäuferin unter dem Namen "#### ####" auch Schuhe in verschiedenen Ausführungen und Größen sowie unter anderem Bekleidung, Spielwaren, Jeansmützen und Halstücher. Auf die Ausdrucke ihrer Angebote wird ebenfalls Bezug genommen. Nach einer Übersicht aus August 2008 bot die Antragsgegnerin zeitgleich 153 Artikel an. Sie erhielt in den letzten sechs Monaten vor Einleitung dieses Rechtsstreits 224, im Jahr 2008 530 und insgesamt seit Anfang 2002 1174 Bewertungen.

Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin vergeblich ab, weil diese vermeintlich gewerblich tätig sei und in ihre Angebote keine Widerrufsbelehrung aufgenommen hatte. Die Antragsgegnerin erklärte demgegenüber hierzu, dass es sich um eine Privatauktion handele, sie keine Garantie übernehme und auch nicht umtausche.

Das Landgericht hat auf den Antrag des Antragstellers am 24.09.2008 eine einstweilige Verfügung erlassen und der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

im Fernabsatz über den P-Platz F - soweit die Vorschriften über Fernabsatzverträge Anwendung finden - Verbrauchern Schuhe anzubieten und/oder zu verkaufen, ohne den Informationspflichten nach § 312 c I BGB i.V.m. § 1 Nr. 10 BGB-InfoV zu genügen, insbesondere wenn dies ohne Belehrung über das privaten Verbrauchern einzuräumende Widerrufsrecht samt Hinweis auf die Widerrufsfolgen und die Adresse, an die der Widerruf zu richten ist, geschieht, wie im Angebot 130248380308 geschehen.

Die Antragsgegnerin hat hiergegen Widerspruch eingelegt.

Der Antragsteller hat weiterhin gemeint, die Antragsgegnerin sei aufgrund ihres Angebotsumfangs und der zahlreichen Bewertungen als gewerbliche Verkäuferin einzustufen. Unter den Artikeln hätten sich auch neue Waren befunden. Zwischen den Parteien bestehe auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Flip Flops seien in die Kategorie Schuhe einzuordnen. Neben Flip Flops vertreibe er auch noch Pumps und Stiefel.

Der Antragsteller hat beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 24.09.2008 aufrechtzuerhalten.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 24.09.2008 den Antrag des Antragsteller vom 16.09.2008 zurückzuweisen.

Sie hat gemeint, zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Dazu hat sie behauptet, der Antragsteller gebe nur vor, mit Schuhen zu handeln. Er habe erst im Juli 2008 seinen angeblichen Schuhhandel begonnen. Die von ihm eingestellten Schuhe stammten aus Testkäufen. Der Preis für die Flip Flops sei überhöht, so dass sie kaum verkauft würden. In Wahrheit betreibe er einen ernsthaften Handel nur in der Warengruppe Waffen und Kriegsdevotionalien.

Sie hat ferner die Auffassung vertreten, keine gewerbliche Verkäuferin zu sein. Dazu hat sie - versichert an Eides Statt - ausgeführt, sie sei 43 Jahre alt und habe vier Kinder im Alter von 1 bis 15 Jahren. Sie verkaufe die gesamte Kinderbekleidung sowie Spielzeuge und Haushaltsgegenstände über F. Dies geschehe nicht regelmäßig, sondern immer dann, wenn sich Sachen angesammelt hätten. Bei dem neuwertigen Spielzeug habe es sich um Zugaben für Großpackungen gehandelt, die sie wegen ihres großen Haushalts hätte erwerben müssen. Sie habe niemals Waren angeschafft, um sie als neuwertige Artikel über F zu verkaufen. Die Schuhe in den Größen 39 bis 41 stammten aus ihrem Privatbesitz. Bei neuen Produkten habe es sich um Fehleinkäufe gehandelt.

Die Antragsgegnerin hat die Rechtsverfolgung durch den Antragsteller für rechtsmissbräuchlich gehalten und dazu vorgetragen: Seit dem Beginn des angeblichen Schuhhandels im Juli 2008 lasse der Antragsteller massenhaft Personen mit wortgleichen Schreiben abmahnen, nachdem für ihn zwei Testkäufer tätig geworden seien, die ebenso wie sein Prozessbevollmächtigter aus dem Ruhrgebiet stammten, während der Antragsteller selbst in Rheinland-Pfalz wohne. Insgesamt seien vom Antragsteller 75 Abmahnungen ausgesprochen worden. Das Kostenrisiko stehe zu den wirtschaftlichen Aktivitäten des Antragstellers in Bezug auf seinen Schuhhandel in keinem vernünftigen Verhältnis. Die Abmahntätigkeit habe sich verselbständigt. Für den Rechtsmissbrauch spreche ferner, dass der Antragsteller selbst verbotswidrig handele, indem er die Verbraucher unzutreffend über die Kosten der Rücksendung der Ware informiere.

Der Antragsteller hat darauf erwidert und durch seinen Prozessbevollmächtigten versichern lassen, dass er bereits mehrere Monate vor der streitgegenständlichen Abmahnung Flip Flops im Programm gehabt habe. Soweit die Antragsgegnerin Vorwürfe gegen seinen Prozessbevollmächtigten erhoben hat, hat dieser sich vehement dagegen gewehrt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil seine einstweilige Verfügung bestätigt. Es hat den Verfügungsgrund bejaht, da die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt sei. Der Verfügungsanspruch bestehe, da der Internetauftritt der Antragsgegnerin keine Widerrufsbelehrung enthalte. Eine solche Belehrung sei aber erforderlich, da, wie das Landgericht näher ausgeführt hat, die Antragsgegnerin als gewerbliche Verkäuferin einzustufen sei. Ein Wettbewerbsverhältnis bestehe zwischen den Parteien, da der Antragsteller auch Flip Flops und andere Schuhe vertreibe. Dass der Schwerpunkt seines Handelns nach dem Vortrag der Antragsgegnerin woanders liege, sei rechtlich irrelevant. Flip Flops stünden auch mit Sandalen und sonstigen Schuhen im Wettbewerb. Letztlich hat das Landgericht ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Antragstellers verneint. Die Anzahl der Abmahnungen allein sei kein ausreichender Anhaltspunkt für die Annahme des Rechtsmissbrauchs. Dass der Antragsteller die Schuhe erst seit kurzer Zeit vertreibe, um ein Wettbewerbsverhältnis zu kreieren, sei nicht glaubhaft gemacht worden. Wegen der weiteren Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Die Antragsgegnerin greift das Urteil mit der von ihr eingelegten Berufung an, mit der sie abändernd die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags begehrt.

Sie ist der Auffassung, dass ihr die Passivlegitimation fehle, weil es sich bei ihr nicht um eine gewerbliche Unternehmerin handele. Das Landgericht habe die gegen ein gewerbliches Handeln sprechenden Umstände nicht hinreichend berücksichtigt. Soweit sie etwa auf der Internetplattform F 224 Bewertungspunkte in den letzten 6 Monaten und 530 Bewertungspunkte in den letzten 12 Monaten erhalten habe, sei zu berücksichtigen, dass diese nicht nur aus Verkäufen, sondern zu fast gleichen Teilen aus Käufen resultierten. Allein die Anzahl der Auktionen und der Bewertungen sei noch kein zuverlässiges Indiz für die Unternehmereigenschaft des Anbieters. Eine schematische Betrachtungsweise verbiete sich. Ein geschäftliches Handeln liege insbesondere dann nicht vor, wenn eine Sache zum privaten Zweck erworben worden sei und sodann, nachdem kein Interesse mehr hieran vorliege, ein Weiterverkauf erfolge. Die Antragsgegnerin behauptet, sie habe nicht zahlreiche gleichartige Waren in kurzen zeitlichen Abständen gekauft und verkauft. Alle zum Verkauf angebotenen Artikel stammten aus ihrem privaten Besitz und seien einmalig zum Verkauf angeboten worden. Diese seien ohne Weiterveräußerungsabsicht erworben worden oder Geschenke oder Zugaben gewesen. Die Artikel seien in erster Linie gebraucht gewesen. Von keinem der angebotenen Artikel sei mehr als ein Exemplar angeboten worden. Es gebe keinerlei Kaufaktivitäten, insbesondere nicht im Hinblick auf Schuhe, die den Verdacht nahe legen könnten, sie kaufe diese zum Zwecke des Weiterverkaufs. Sie sei aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten als alleinerziehende Mutter vielmehr gezwungen, ihr Privateigentum zu verwerten, um die Erlöse zum Bestreiten des Lebensunterhalts ihrer Kinder wieder zu verwenden, indem sie wieder Kleidung kaufe. Hieraus ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu folgern, sei, so die Antragsgegnerin weiter, nicht im Sinne des Gesetzgebers und entspreche nicht der Lebenswirklichkeit. Dies gelte nicht nur für die abgetragene Kleidung, sondern auch für die diversen Spielsachen und Halstücher. Sie sei keine Unternehmerin, sondern verwerte ihr eigenes Eigentum, ohne gewerblich tätig zu sein.

Weiterhin habe kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestanden. Der Antragsteller handele nicht mit gleichen oder gleichartigen Waren innerhalb desselben Abnehmerkreises. Er handle vielmehr im Bereich Militärdevotionalien, Kriegsliteratur und Waffen. Demgegenüber wolle er, wie die Antragstellerin insoweit behauptet, überhaupt keine Schuhe verkaufen. Er unterhalte das F-Angebot ausschließlich zum Zwecke seiner Abmahntätigkeit. Der Antragsteller habe genau für ein Paar verkaufte Flip-Flops eine Bewertung erhalten und habe ansonsten nur Kriegsliteratur, insbesondere zum Zweiten Weltkrieg und hier speziell Literatur zum Dritten Reich, verkauft. Er erwirtschafte hiermit fast überhaupt keinen Umsatz. Die Schuhe würden auch überteuert und nur zum Schein angeboten, um einen Handel mit Schuhen aufrechtzuerhalten und hieraus abzumahnen. Bevor der Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch anberaumt worden sei, habe er über einen längeren Zeitraum überhaupt keine entsprechenden Artikel angeboten. Erst auf einen gerichtlichen Hinweis des Gerichts hin habe der Antragsteller wiederum Schuhe eingestellt, die er aus vorangegangen Testkäufen erworben habe. Zuvor seien außer Flip-Flops keine Schuhe eingestellt gewesen.

Die Abmahnung des Antragstellers sei rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 IV UWG. Das Landgericht habe ihren Vortrag insoweit nicht hinreichend gewürdigt, wobei die Antragsgegnerin zunächst auf ihre diesbezüglichen erstinstanzlichen Ausführungen verweist. Aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden machten die Abmahnungen im Namen des Antragstellers keinen Sinn und könnten mithin keinem anderen Interesse als dem Gebühreninteresse nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz dienen. Nach dem Termin beim Landgericht seien weitere Testkäufe des Antragstellers gefunden worden. Hieraus sei wiederum ein Paar Stiefel eingestellt worden. Es lägen nur in der Kanzlei der Antragsgegnerin 13 wortgleiche Abmahnungen vor, wobei sich schon aus der Zahl der Testkäufe des Antragstellers, nämlich insges. ca. 100 Stück, ergebe, dass dies in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu seiner gewerblichen Tätigkeit stehe. Eine derartige Verselbständigung der Abmahn- und Rechtsverfolgungstätigkeit von der eigentlichen Tätigkeit als Wettbewerber sei mit der von der Regelung der Klageberechtigung verfolgten Zielsetzung des Gesetzes nicht vereinbar. Außerdem greife im Streitfall ausnahmsweise der Vorwurf der 'unclean hands', da der Antragsteller seinerseits dreifach falsch belehrt habe. Die Absicht, in rechtsmissbräuchlicher Weise Gewinn zu erzielen trotz eines belegbaren Jahresumsatzes mit Schuhen von unter 100,- €, belege auch ein Schreiben des Antragstellers vom 03.02.2009 gegenüber einem Schuldner, mit dem von diesem eine Vertragsstrafe von 156.000,- € gefordert werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern, die einstweilige Verfügung vom 24.09.2008 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Bei den Ausführungen der Antragsgegnerin dazu, dass er die Flip-Flops nur sporadisch anbiete, er diese nur aus Testkäufen habe und der Preis hierfür zu hoch sei, handele es sich um haltlose und falsche Vermutungen. Es handele sich dabei vielmehr um hochwertige Ware (eher Sandalen) mit Lederverarbeitung, die er in Pakistan produzieren lasse. Dies tue er, um sie bei F zu verkaufen. Seine Wettbewerbseigenschaft sei gegeben.

Festzustellen seien nur 10 Abmahnungen. Die persönliche Situation der Antragsgegnerin mit 4 Kindern im angegebenen Alter, die Notwendigkeit des Erwerbs von Kinderbekleidung etc. bei F, der Verkauf gerade nicht benötigter Gegenstände würden bestritten. Es sei erneut darauf hinzuweisen, dass die von der Antragsgegnerin angebotenen Schuhe jeweils neu gewesen seien und es sich um Schuhe in den Größen 39, 40 und 41 handele. Allein die Masse der von ihr eingestellten Gegenstände spreche für eine gewerbliche Tätigkeit. Es sei offensichtlich, dass die von der Antragsgegnerin zum Kauf angebotenen Artikel zum guten Teil zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben worden seien. Entsprechendes gelte für die von ihr als Zugabeartikel bezeichneten Gegenstände. Von den 2.099 Bewertungspunkten der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Angebots habe sich ein Großteil, nämlich 1.174, auf Verkäufe bezogen. Weder handele es sich unter Berücksichtigung der bereits vorgetragenen Umstände um den Verkauf einer "handelsüblichen" Menge, noch handele sich etwa um die Auflösung einer (Platten-) Sammlung. Es werde bestritten, dass die Sammeltrucks aus dem Besitz eines der Kinder stammten.

Die Geltendmachung der Ansprüche sei auch in keinster Weise rechtsmissbräuchlich. Die Ansicht der Antragsgegnerin, er handele aus sachfremden Motiven, sei vollständig dem Bereich der Vermutung einzuordnen und zudem falsch. Von einem "Vielfachabmahner" könne keine Rede sein. Es sei unzulässig, aus einer Anzahl von Testkäufen auf weitere Maßnahmen in dieser Richtung, nämlich Abmahnungen, rückzuschließen. Die Behauptungen der Antragsgegnerin lägen im rein spekulativen Bereich und einer bloßen Stimmungsmache. Bezüglich des Einwandes der "unclean hands" sei darauf hinzuweisen, dass er, der Antragsteller, seinerseits von der Antragsgegnerin abgemahnt worden sei, und zwar durch 8 wortgleiche Abmahnungen jeweils mit einer Kostennote von 2.000,- €.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet und führt abändernd zur Aufhebung der Beschlussverfügung vom 24.09.2009 sowie zur Zurückweisung des Verfügungsantrags.

Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung ihrer Angebote und/oder Verkäufe ohne die gesetzlichen Informationspflichten nach § 312 c BGB i.V. m. § 1 Nr. 10 BGB-InfoV verlangen. Denn der Antragsteller ist aufgrund eines anzunehmenden Rechtsmissbrauchs i.S.v. § 8 IV UWG nicht antragsbefugt. Sein Verfügungsantrag ist daher unzulässig. Auf die Frage des Verfügungsanspruchs, bei dem nach den Gesamtumständen überdies die Glaubhaftmachung der Unternehmereigenschaft der Antragsgegnerin erheblich zweifelhaft ist, kommt es insofern streitentscheidend nicht mehr an.

I.

Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 IV UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele des Handelns eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines solchen sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Nach dem letzten Halbsatz des § 8 IV UWG, der mit "insbesondere" beginnt, ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig, die vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt (BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 8 UWG, Rn. 4.12). Geht es andererseits dem Gläubiger hauptsächlich um die Unterbindung unlauteren Wettbewerbs, genügt es für die Begründung des Missbrauchstatbestands nicht, wenn auch sachfremde Motivationen, ohne vorherrschend zu sein, bei der Anspruchsverfolgung eine Rolle spielen (BGH GRUR 2001, 82 - Neu in Bielefeld I). Ob die Anspruchsverfolgung vorwiegend von sachfremden Erwägungen bestimmt ist, muss im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände bestimmt werden. Anhaltspunkte insoweit bilden Art und Schwere der Zuwiderhandlung, das Verhalten des Anspruchstellers bei der Rechtsverfolgung auch in anderen und früheren Fällen, das Verletzerverhalten nach der Zuwiderhandlung und auch das Vorgehen sonstiger Anspruchsberechtigter (BGH GRUR 2000, 1089, 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Grundsätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden und die klageweise Anspruchsverfolgung dem Interesse (auch) der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienen und deshalb, auch bei umfangreichen Tätigkeiten, insoweit für sich allein einen Missbrauch noch nicht hinreichend belegen (BGH GRUR 2005, 433, 434 - Telekanzlei; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 56; Ohly-Piper, a.a.O., § 8 Rn. 184). Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruchs begründen (BGH GRUR 2001, 354, 355 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; Senat, Urt. v. 01.04.2008, 4 U 10/08, S. 4 f.), so insbesondere eine Rechtsverfolgung primär im Gebühreninteresse, eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht gegenüber dem Verletzer, ungerechtfertigte Mehrfachabmahnungen (dazu BGH GRUR 2002, 367, 368 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung), eine selektive Schuldnerauswahl oder auch eine fremdbestimmte Rechtsverfolgung lediglich im Interesse eines Dritten.

II.

Im Streitfall sprechen durchschlagende Umstände für einen solchen Rechtsmissbrauch, vor allem deshalb, weil der Handel des Antragstellers mit Schuhen in keinem Verhältnis zu seiner Abmahntätigkeit steht, so dass der Schluss gerechtfertigt ist, dass diese überwiegend zu sachfremden Zwecken, nämlich im Gebührenerzielungsinteresse, erfolgt ist.

Die Antragsgegnerin hat erhebliche Indizien dafür vorgetragen, dass ein erheblicher Handel des Antragstellers mit Schuhen tatsächlich nicht vorliegt. Der Antragsteller handelt im Kern mit militärischen Devotionalien, Kriegsliteratur etc. Die wenigen Schuhe, die gemäß dem von ihm mit der Antragsschrift vorgelegten Angebot angeboten werden, passen insofern, was letztlich nicht entscheidend sein mag, wenig plausibel in das dortige Sortiment. Aus dem Bewertungsprofil des Antragstellers ergibt sich sodann jedoch, dass er überhaupt nur sehr wenige Bewertungen für ein paar Flip Flops erzielt hat. Von den 184 Bewertungen betreffen ersichtlich nur 3 die hier fraglichen Schuhe. Aus der Zeit vom 02.07. bis 02.10.2008 ist nach den H-Anlagen W 4/ W5 ein einziger Verkauf aufgeführt. Die Antragsgegnerin hat insofern mit den ihr gegebenen Möglichkeiten aufgezeigt, dass der Antragsteller mit den in Rede stehenden Schuhen nahezu keinen Umsatz macht, ohne dass es in diesem Zusammenhang auch auf ihre Behauptung ankommt, die Angebote würden nur den Zweck verfolgen, einen vollwertigen Schuhhandel zu simulieren, um auf dieser Basis abmahnen zu können. Dabei ist überdies belegt und auch nicht bestritten, dass jedenfalls ein Teil der Schuhe in den Angeboten des Antragstellers aus bloßen Testkäufen stammt. Der Antragsteller hat demgegenüber im Rahmen seiner nunmehr ihn treffenden sekundären Darlegungslast nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass er doch in erheblichem Maße mit einem zur Abmahntätigkeit verhältnismäßigen Umsatz mit solchen Schuhen handelt, ebenso wenig, dass er die Schuhe extra in Pakistan mit einem maßgeblichen Volumen herstellen lässt, obwohl ihm dies ein Leichtes gewesen wäre. Soweit der Antragsgegner im Senatstermin nunmehr eine neue H-Liste vom 14.05.2009 mit seinen Angeboten der letzten 90 Tage vorgelegt hat, so ist einerseits festzustellen, dass dieses schon nicht den maßgeblichen Abmahnzeitpunkt im August 2008 betrifft. Andererseits geht hieraus wiederum hervor, dass kaum Verkäufe getätigt worden sind. Es sind insgesamt deutlich mehr Testkäufe über "I63.0236", "21B63" und "E2008" feststellbar als eigene Verkäufe. Es wurde insofern mit den hier in Rede stehenden Abmahnungen ein Prozesskostenrisiko eingegangen, das in keinem Verhältnis mehr steht zur eigentlichen Geschäftstätigkeit mit der fraglichen Ware. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im Senatstermin darauf hingewiesen hat, dass bei der Beurteilung der Verkäufe der Flip Flops die hierfür maßgebliche Saison zu beachten sei, ist festzustellen, dass gerade etwa auch aus Juli und August 2008 keine beachtliche Verkaufstätigkeit dargetan und glaubhaft gemacht ist.

Dabei ist, wie auch die Erörterungen im Senatstermin ergeben haben, unstreitig, dass die Ermittlungen der abgemahnten Verkäufer auf Veranlassung des Antragstellers von Mitarbeitern des Anwaltsbüros seines Prozessbevollmächtigten, insbesondere der Frau C2, durchgeführt worden sind, bevor es dann zu den eigentlichen Mandaten gekommen ist. Die Einschaltung des Anwaltsbüros in diese Ermittlungstätigkeit ist keinesfalls üblich und geboten, sondern zeigt vielmehr, dass in erheblichem Maße Abmahnfälle nachgeforscht worden sind, zumal auch nicht plausibel mitgeteilt ist, dass diese Recherchen und Testkäufe nicht vom Antragsteller selbst hätten durchgeführt werden können.

Der Antragsteller hat in einer Vielzahl von Fällen vermeintliche Händler wegen desselben Vorwurfs - bis auf die individuellen Daten - mit weithin wortgleichen Schreiben abgemahnt, die seiner Ansicht nach gewerbliche Verkäufer seien und deshalb eine Widerrufsbelehrung vorhalten müssten. Auf die Abmahnungen gegenüber Drechsler (Anl. W 8), Thiele, Gabriel, Mareta, Engelhardt (Anl. W 10), Rauh (Anl. W 12), Schlichthoerlein, Ugur (Anl. W 13), Lutz (Anl. BK 3); Kohtz, Nietroy, Vitaggio, Ulrich (Anl. BK 5) und Felpel (Anl. BK 6), jeweils aus dem engeren, hier maßgeblichen Zeitraum von August bis (einmal) Mitte November 2008, wird verwiesen. Die Antragsgegnerin kann ihrerseits insofern bereits 14 derartige Abmahnvorgänge vorlegen. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Testkäufen des Antragstellers glaubhaft gemacht, so dass lebensnah auch eine gewisse Zahl weiterer Abmahnungen erfolgt ist, ohne dass es auf die Feststellung einer genauen Anzahl insoweit mehr ankommt. Der Antragsteller hat es insoweit verabsäumt, dieses Verhältnis näher aufzuklären.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller seinerseits seine Artikel verbotswidrig anbietet, wie sich aus der gegen ihn gerichteten Abmahnung vom 21.11.2008 (Anl. AS 9) - jedenfalls in Bezug auf die Rücksendekosten, die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung, die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz etc. - ergibt. Insofern geht es nicht um den materiell-rechtlichen Einwand der V Hands, der für sich betrachtet nicht durchschlagend sein kann, weil es sich grundsätzlich um die Durchsetzung auch von Allgemeininteressen handelt. Vielmehr zeigt das eigene Verhalten des Antragstellers, dass er nicht in erster Linie einen sauberen Wettbewerb anstrebt, den er als solchen selbst nicht einhält.

Gewichtig für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erscheint alsdann der Umstand, dass der Antragsteller gegenüber Frau W mit Schreiben vom 03.02.2009 wegen Verstoßes gegen eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung wegen fehlenden Hinweises auf ihre Gewerblichkeit und wegen des Einstellens von 156 Paar Schuhen eine Vertragsstrafe von 156.000,- € geltend gemacht hat. Es wird im Kontext des Schreibens nur darauf hingewiesen, dass die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unter Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs abgegeben worden sei. Ob gleichwohl eine Handlungseinheit vorliegen könnte oder nicht, wird jedenfalls nicht erörtert. Ohne dass dies nunmehr näher überprüft werden kann und soll, zeigt dies doch wiederum, dass das Abmahnverhalten des Antragstellers zum fraglichen Zeitpunkt mit dem eigenen nur sehr geringen Geschäftsumfang mit sog. Flip-Flops und durch Testkäufe erworbenen Schuhen nicht (mehr) in Einklang steht.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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