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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 4 U 201/08
Rechtsgebiete: UWG, StVZO
Vorschriften:
UWG § 3 | |
UWG § 3 Abs. 2 | |
UWG § 4 Nr. 9 b | |
UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 | |
UWG § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 | |
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3 | |
UWG § 8 Abs. 4 | |
StVZO § 29 | |
StVZO § 47a |
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. August 2008 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte betreibt in F einen Autohandel. Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie begehrt mit ihrer Klage, der Beklagten zu untersagen, die Durchführung von Hauptuntersuchungen für PKW anzubieten, ohne darauf hinweisen, dass diese Leistung durch eine amtlich anerkannte und zu benennende Überwachungsorganisation erbracht werde.
Die Beklagte informiert auf ihrer Homepage über die von ihr angebotenen Leistungen und warb dort im Oktober 2007 mit folgendem Anzeigentext:
"TÜV/HU 69,- €:
Zum Dauertiefpreis von 69,- € können Sie bei uns HU/AU für ALLE Fabrikate durchführen."
Die Klägerin sah hierin eine Täuschung über die Betriebsverhältnisse und mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 23.10.2007 ab, weil in der Verwendung der Bezeichnung "TÜV" ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 9 b UWG, aber auch eine Irreführung liege. Denn der Verkehr erwarte ganz überwiegend, dass der TÜV selbst prüfe, wenn mit "TÜV" geworben werde. Die Beklagte verpflichtete sich am 17.11.2007 schriftlich und strafbewehrt, es zu unterlassen, mit dem Hinweis ,TÜV' zu werben, sofern die so gekennzeichneten Leistungen nicht vom Technischen Überwachungs-Verein erbracht werden, und zahlte die vorgerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 189,- €.
Sie änderte daraufhin ihren Anzeigentext auf der Internetseite und warb nunmehr unter der Überschrift "Aktuelles/Angebote" wie folgt:
Dieser Anzeigentext wurde durch die Klägerin mit Schreiben vom 25.01.2008 abgemahnt mit der Begründung, dass die Beklagten nicht darauf hinweise, dass die Leistungen durch Dritte vorgenommen werden und sie diese Leistungen lediglich vermittele. Die Aufforderung, eine weitere Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und vorgerichtliche Abmahnkosten zu zahlen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 25.02.2008 ab.
Die Klägerin hat gemeint, der Anzeigentext führe die angesprochenen Adressaten in die Irre, weil diese auch aufgrund der Platzierung der Werbung davon ausgingen, dass alle angebotenen Leistungen von der Beklagten selbst, nicht aber durch Dritte durchgeführt würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd, Hauptuntersuchungen gemäß § 29 StVZO zu bewerben und/oder zu erbringen, sofern keine Anerkennung durch die zuständige Behörde vorliegt oder kein Hinweis darauf erfolgt, dass die Leistung nur im Namen und für Rechnung einer amtlich anerkannten - und zu benennenden - Überwachungsorganisation erbracht werden oder kein Hinweis darauf erfolgt, dass externe Prüfingenieure amtlich anerkannter - und zu benennender - Überwachungsorganisationen die vorbezeichneten Leistungen erbringen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, eine Irreführung liege nicht vor, weil dem durchschnittlichen Verbraucher bekannt sei, dass die Hauptuntersuchung nicht von der Beklagten durchgeführt, sondern lediglich vermittelt werde. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Beklagte mit der Durchführung der Leistung "bei uns" und nicht "durch uns" werbe. Im Übrigen hält sie die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs für missbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG. Hierzu hat sie Folgendes vorgetragen: Die gerügte Formulierung sei aufgrund der Abmahnung der Klägerin vom Oktober 2007 gewählt worden, um die Beanstandung der Klägerin bezüglich der Wortwahl "TÜV" zu beheben. Ferner sei sie ergänzt worden um einen Satz, der den Verbraucher darauf hinweise, dass die Abgasuntersuchung in der Werkstatt der Beklagten durch diese selbst durchgeführt werde, die Hauptuntersuchung sich hingegen nach § 29 StVZO richte. Die Klägerin hätte den nunmehr gerügten Vorfall bereits mit Schreiben vom 23.10.2007 abmahnen können. Tatsächlich würde nun der Anzeigentext künstlich in zwei Abmahnsachverhalte aufgespalten, um durch eine Mehrfachabmahnung zusätzliche Abmahngebühren zu erzielen. Streiche man nur die ursprünglich abgemahnte Fassung der Werbung um das Wort "TÜV" so verbleibe im Wesentlichen der Text, der durch die zweite Abmahnung erfasst werde.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Beklagte - insoweit unwidersprochen - geäußert, dass die TÜV-Prüfung in der Werkstatt der Beklagten durch Mitarbeiter der E durchgeführt werde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil eine Irreführung nicht vorliege. Der angesprochene Adressat entnehme bereits dem Wortlaut der Werbung, dass die Durchführung der Hauptuntersuchung nicht von der Beklagten, sondern lediglich bei ihr durchgeführt werde. Zudem wisse ein verständiger und durchschnittlich informierte Verbraucher, dass die Hauptuntersuchung nur von anerkannten Überwachungsorganisationen vorgenommen werden dürfe. Es sei allgemein bekannt, dass Werkstätten, wie die Beklagte, im Bereich dieser Leistungen lediglich vermittelnd tätig würden. Der Werbetext erzeuge überdies nicht den Eindruck, dass die Beklagte selbst diese hoheitlichen Leistungen vornehmen dürfe oder ihre eigenen Mitarbeiter prüfberechtigt seien. Schließlich erwecke die Beklagte in dem Anzeigentext nicht den Eindruck, dass es leichter sei, die Prüfplakette bei ihr zu erlangen. Daher komme es auf die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG nicht an, auch die Abmahnkosten seien insoweit nicht erforderlich gewesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält die Werbung nach wie vor für irreführend. Der Verbraucher gehe schon deshalb von einer eigenen und nicht nur einer vermittelten Leistung der Beklagten aus, weil die Beklagte hierfür einen eigenen Preis genannt und diesen als Dauertiefpreis bezeichnet hat. Es sei erfahrungswidrig davon auszugehen, dass jedermann wisse, dass Werkstätten wie die Beklagte die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO nicht durch eigene Mitarbeiter durchführen. Tatsächlich sei es für den Adressaten solcher Angebote nach Wegfall des TÜV-Prüfmonopols im Jahr 1989 nicht mehr durchschaubar, wer berechtigt sei, Hauptuntersuchungen nach § 29 StVZO durchzuführen. Der Verkehr könne also durchaus die Auffassung haben, dass auch Werkstätten solche Untersuchungen übernehmen dürften. Diese gelte umso mehr, als nach § 47a StVZO die Abgasuntersuchung von jeder anerkannten Kraftfahrzeugwerkstätte durchgeführt werden dürfe. Daher müsse die Beklagte, um Irreführungen zu vermeiden, klarstellen, wer die Leistung im Ergebnis erbringe.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlussanträgen der Klägerin erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Zusätzlich trägt sie vor, dass der Umstand, dass eine Leistung von der Beklagten bepreist werde, keine Aussagen darüber treffe, wer diese Leistung erbringe.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Werbung. Eine irreführende Werbung lag nach dem zum Zeitpunkt der Schaltung der Werbung anwendbaren § 5 Abs. 2 Nr. 3 des bis zum 29.12.2008 geltenden UWG nicht vor. Sie liegt auch nach dem wegen des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs gleichfalls maßgeblichen § 5 Abs. 1 Satz 1 des seit dem 30.12.2008 geltenden UWG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl I 2949) nicht vor. Beide Vorschriften sind im Wesentlichen inhaltsgleich.
Irreführend handelt unter anderem, wer zur Täuschung geeignete Angaben über die Person, die Eigenschaften oder Rechte seines Unternehmens macht (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG). Daran fehlt es vorliegend.
1. Eine Irreführung über die betrieblichen Verhältnisse im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG liegt nicht vor, weil eine mögliche Irreführung über die Person des Leistungserbringers für den angesprochenen Verkehr nicht marktentscheidungsrelevant ist.
a) Ob eine irreführende Angabe vorliegt, beurteilt sich nach vor wie nach dem Verständnis der konkreten Werbung durch den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der die Angabe mit situationsadäquater Aufmerksamkeit wahrnimmt (vgl. § 3 Abs. 2 UWG 2008 mit BT-Drucks. 16/10145 S. 15 zu Artikel 4). Das Landgericht hat sich zu Recht für befugt gehalten, dieses Verständnis aus eigener Sachkunde zu ermitteln, da die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrsteilnehmern gehören, zudem häufig mit Fragen der wettwerblichen Wirkung von Werbung befasst sind (BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft; BGH GRUR 2004, 961 = WRP 2004, 1479, 1480 - Grundeintrag Online; Senat WRP 2007, 1276, 1279 - Diplom-Tierpsychologe).
b) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass eine Irreführung über die Person des Leistungserbringers vorliegt, so fehlt es gleichwohl an der Eignung dieser Angabe, die Marktentscheidung des angesprochenen Adressaten zu beeinflussen. Nach Überzeugung des Senats kommt es daher im Ergebnis nicht darauf an, ob und welche Kenntnisse der Adressat darüber hat, wer nach Aufgabe der TÜV-Prüfmonopols berechtigt ist, die genannte Prüfung durchzuführen (so aber OLG Koblenz, Urt. v. 21.3.2006 - 4 W 797/05, S. 6). Dahingestellt bleiben kann auch, ob der Verkehr dem Angebot der Durchführung von Hauptuntersuchungen die Aussage entnimmt, dass der Werbende hiermit eine eigene Prüfberechtigung behauptet (so aber OLG Stuttgart, Urt. v. 26.7.2007 - 2 U 5/07, S. 3) und ob beim Adressaten der Eindruck erzeugt wird, dass es gegenüber der amtlichen Prüfung leichter sei, die Prüfplakette durch eine Durchführung der Hauptuntersuchung beim Werbenden zu erlangen (so OLG Stuttgart aaO. S. 7 und LG Köln, Urt. v. 9.9.2008 - 33 O 79/08, Seite 7). Selbst wenn nämlich der Adressat der Vorstellung unterliegt, dass der Beklagte selbst die betreffende Leistung erbringt, während dies tatsächlich unstreitig der hierfür behördlich anerkannte Prüfingenieur der E tut, macht es für den Adressaten im Ergebnis keinen Unterschied, ob er die beworbene Leistung über den Beklagten vermittelt oder durch einen anerkannten Prüfingenieur unmittelbar erbracht erhält. Anders wäre es nur, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die beworbene Leistung über eine bloße Vermittlung leichter und einfacher zu erlangen ist als über die anerkannten Prüfdienste. Daran aber fehlt es, denn es gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfplakette auch verliehen wird, ohne dass die hierfür in den Richtlinien zu § 29 StVZO aufgestellten sachlichen Kriterien erfüllt sind, noch Anhaltspunkte dafür, der Beklagten zu unterstellen, sie wirke unlauter auf die bei ihr tätigen Prüfingenieure ein mit dem Ziel, für ihre Kunden besondere Erleichterungen zu erwirken. Auch durch ihre Werbung hat die Beklagte einen solchen Eindruck nicht hervorgerufen. Der Werbetext bietet für eine solche Auslegung keinerlei Anhalt.
c) Eine Irreführung über Qualifikationen des Werbenden scheidet aus den genannten Gründen ebenfalls aus. In der Werbung wird keinerlei Bezug auf Qualifikationen genommen. Ebenso wenig werden solche Qualifikationen angemaßt, denn der Werbende behauptet in der Werbung gerade nicht, auch nicht mittelbar, selbst prüfberechtigt zu sein.
2. Schließlich fehlt es an einer Irreführung über wesentliche Eigenschaften der erbrachten Leistung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG 2008 (vormals § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG 2004). Geht man davon aus, dass es dem angesprochenen Verkehr letztlich auf die Person des Leistungserbringers gar nicht ankommt, so fehlt es bereits an dem Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit. Beworben wird nämlich die Erbringung einer Prüfleistung, verbunden mit der Zuteilung der Prüfplakette. Genau diese Leistung wird dem Kunden auch erbracht.
II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. Da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, war die Revision nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dabei ging der Senat davon aus, dass Fälle der irreführenden Werbung stets einzelfallbezogen sind. Der vom Senat hier entschiedene Fall entspricht überdies gerade nicht den Sachverhalten, die von der Klägerin in den vorgelegten Judikaten der OLGe Stuttgart, Koblenz und des LG Köln behandelt wurden.
Ende der Entscheidung
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