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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.04.2009
Aktenzeichen: 4 U 216/08
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5
UWG § 8
UWG § 8 Abs. 4
UWG § 9
UWG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 21. Oktober 2008 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 18. August 2008 wird aufgehoben. Der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragstellerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Die Parteien vertreiben im Internet u.a. Spielwaren. Gegenstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens ist ein Angebot 130243015609 der Antragsgegnerin auf der Auktionsplattform F, bei dem diese bei den "Versandkosten" und später unter der Rubrik "Verpackung und Versand"

"Versicherter Versand"

angab. Unter "Hinweisen" heißt es dabei im Textverlauf:

"Versicherter Versand:

Als gewerblicher Anbieter tragen wir nach geltendem Recht immer das Versandrisiko beim Kauf von Verbrauchern. Daher bieten wir grundsätzlich nur einen versicherten Versand an."

Auf die mit der Antragsschrift vorgelegte Angebotsseite Anl. 1 wird insoweit Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat diese Angabe wegen Irreführung und Werbung mit einer Selbstverständlichkeit für wettbewerbswidrig gehalten und überdies beanstandet, dass bei der Angabe "versicherter Versand" nicht die Kosten für die mit verkaufte Versandversicherung und die eigentlichen Versandkosten getrennt voneinander angegeben wurden.

Sie hat beim Landgericht eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt beantragt,

es der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Fernabsatzverträgen über Spielwaren mit privaten Endverbrauchern auf der Auktionsplattform F den Hinweis "Versicherter Versand" zu geben, ohne die Kosten für die Versandversicherung und den eigentlichen Versand getrennt voneinander anzugeben.

Das Landgericht hat unter dem 18.08.2008 im Wege der einstweiligen Verfügung - teilweise modifiziert - ein Verbot dahin erlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Fernabsatzverträgen über Spielwaren mit privaten Endverbrauchern auf der Auktionsplattform F den Hinweis "Versicherter Versand" zu geben, wenn dies wie bei dem Angebot 130243015609 (Anl. 1 zur Antragsschrift ) geschieht.

Die Antragsgegnerin hat hiergegen Widerspruch eingelegt, mit dem sie die Abweichung vom Verbotsantrag als aliud gerügt, einen Verstoß und eine Wiederholungsgefahr bestritten und eine rechtsmissbräuchliche Rechtsverfolgung geltend gemacht hat.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung vom 18.08.2008 durch das angefochtene Urteil bestätigt, mit der Begründung, die Klägerin könne gemäß §§ 3, 5, 8, 12 UWG die begehrte Unterlassung verlangen. Mit dem Hinweis "Versicherter Versand" würden die Verbraucher in die Irre geführt. Zumindest bei einem Teil der Verbraucher werde der Eindruck erweckt, er erhalte bei der Antragsgegnerin eine Leistung, die über die Leistung der Mitbewerber hinausgehe. Durch die Erwähnung der Versicherung suggeriere sie, der Kunde erhalte hier einen zusätzlichen Vorteil. Dies sei jedoch nicht der Fall, da beim Versendungskauf von Verbrauchsgütern allein der Verkäufer das Transportrisiko trage. Für die Rechtsstellung des Kunden sei es daher ohne Bedeutung, ob der Verkäufer in eigenem Interesse die Sendung versichert habe.

Die Antragsgegnerin greift das Urteil mit ihrer Berufung an. Sie hält das geänderte Verbot für unzulässig und die Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin für im Sinne von § 8 IV UWG rechtsmissbräuchlich. Sie verweist dabei auf das Verfahren LG Bochum 2 O 762/08, in dem das Landgericht mit Urteil vom 17.11.2008 festgestellt habe, dass es sich bei der Antragstellerin um eine Massenabmahnerin handele. Aus einer Wirtschaftsauskunft der Wirtschaftsauskunftsdatei D gehe sodann hervor, dass die Antragstellerin lediglich ein Stammkapital von 65.000,- € gezeichnet habe und ihre Verbindlichkeiten im Jahr 2007 471.887,- € betragen hätten. Ferner legt die Antragsgegnerin eine Liste mit 81 von der Antragstellerin danach ausgesprochenen Abmahnungen und Vertragsstrafeverfahren vor. Sie, die Antragsgegnerin, trägt dazu vor, dass, wenn man die Anzahl der Verfahrensgebühren hochrechne, sich ein Prozesskostenrisiko von 623.656,52 € errechne. Der Umsatz der Antragstellerin betrage hochgerechnet auf ein Jahr lediglich 77.184,- €. Hinzu komme, dass die Antragstellerin sogar in nicht wenigen Fällen einen F-Fehler abgemahnt habe, für den die Abgemahnten selbst nicht verantwortlich gemacht werden könnten. Hier stehe das Gebührenerzielungsinteresse im Vordergrund, da ein vernünftiges Verhältnis zwischen den Abmahnungen und dem Umfang ihrer gewerblichen Tätigkeit bzw. dem bestehenden Kostenrisiko nicht bestehe. Die Angabe "Versicherter Versand" sei in der Sache nicht verbotswidrig. Diese habe keinen werbenden, sondern lediglich informativen Charakter. Außerdem habe sie weiter unten im Angebot darauf hingewiesen, dass sie als gewerbliche Verkäuferin gegenüber Verbrauchern das Versandrisiko trage. Es bestehe, da die Internetplattform F das Versandkostensystem umgestellt habe, schließlich keine Wiederholungsgefahr.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts und die einstweilige Verfügung vom 18.08.2008 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass sie keineswegs rechtsmissbräuchlich handele, und verweist insoweit zunächst auf ihren diesbezüglichen Berufungsvortrag aus dem Rechtsstreit OLG Hamm 3 U 189/08 = LG Bochum 2 O 762/08. Nach Bekanntwerden des F-Fehlers habe sie die ausgesprochenen Abmahnungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne jedes Präjudiz bis auf eine für gegenstandslos erklärt. Zum Zeitpunkt der Aussprache der Abmahnungen habe sie nicht davon gewusst, dass es sich um einen Software-Fehler des Auktionshauses F gehandelt habe. Sie habe sich berechtigterweise für ein Vorgehen gegen die unmittelbaren Störer entschieden. Eine Gebührenerzielung habe keineswegs im Vordergrund gestanden. Es könne ihr nicht verwehrt sein, die ihr zustehenden Unterlassungsansprüche konsequent durchzusetzen. Auch sei eine umfangreiche Abmahn- oder Prozesstätigkeit als solche noch kein Indiz für eine Missbräuchlichkeit, da eine umfassende Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs im Interesse der Allgemeinheit liege. Bei ihr handele sich nach der Anzahl der eingestellten Artikel und ihrem Bewertungsprofil um ein stetig wachsendes Unternehmen. Hinzu kämen Verkäufe im Ladengeschäft. Die Antragsgegnerin habe sie mit Schreiben vom 30.07.2008 ebenfalls abgemahnt. Ihr, der Antragstellerin, könne es nicht verwehrt sein, sich gegen eine ihrerseits erhaltene Abmahnung zu verteidigen und gegebenenfalls, wenn ein Wettbewerbsverstoß vorliege, eine eigene Abmahnung auszusprechen. In der Sache verweist sie auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.

Die Antragstellerin kann von ihr nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die in Rede stehende Unterlassung in Bezug auf die Angabe "Versicherter Versand" in ihren Angeboten verlangen. Der Verfügungsantrag der Antragstellerin ist im Sinne von § 8 IV UWG rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig. Insofern kann einerseits die Richtigkeit der titulierten Antragsfassung wie andererseits die Frage des materiellen Verfügungsanspruchs dahinstehen.

I.

Es existieren vorliegend erhebliche Hinweise darauf, dass die Antragstellerin im Streitfall ihre Abmahntätigkeit überwiegend dazu benutzt hat, um gegen die Wettbewerber Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung zu generieren, so dass von einem rechtsmissbräuchlichen Handeln auszugehen ist. Der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs betrifft die Antrags- und Prozessführungsbefugnis. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist der Antrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unzulässig zurückzuweisen (vgl. BGH GRUR 1999, 509 - Vorratslücken; 2002, 357 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; 2006, 243 - MEGA SALE). Die Frage des Missbrauchs ist insofern in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Piper/Ohly, UWG, § 8 Rn. 176, 189).

II.

Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 IV UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele des Handelns eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines solchen sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Nach dem letzten Halbsatz des § 8 IV UWG, der mit "insbesondere" beginnt, ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig, die vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt (BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner; Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 8 UWG, Rn. 4.12). Geht es andererseits dem Gläubiger hauptsächlich um die Unterbindung unlauteren Wettbewerbs, genügt es für die Begründung des Missbrauchstatbestands nicht, wenn auch sachfremde Motivationen, ohne vorherrschend zu sein, bei der Anspruchsverfolgung eine Rolle spielen (BGH GRUR 2001, 82 - Neu in Bielefeld I). Ob die Anspruchsverfolgung vorwiegend von sachfremden Erwägungen bestimmt ist, muss im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände bestimmt werden. Anhaltspunkte insoweit bilden Art und Schwere der Zuwiderhandlung, das Verhalten des Anspruchstellers bei der Rechtsverfolgung auch in anderen und früheren Fällen, das Verletzerverhalten nach der Zuwiderhandlung und auch das Vorgehen sonstiger Anspruchsberechtigter (BGH GRUR 2000, 1089, 1091 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung). Grundsätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden und die klageweise Anspruchsverfolgung dem Interesse (auch) der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienen und deshalb, auch bei umfangreichen Tätigkeiten, insoweit für sich allein einen Missbrauch noch nicht hinreichend belegen (BGH GRUR 2005, 433, 434 - Telekanzlei; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 56; Ohly-Piper, a.a.O., § 8 Rn. 184). Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruchs begründen (BGH GRUR 2001, 354, 355 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner; Senat, Urt. v. 01.04.2008, 4 U 10/08, S. 4 f.), so insbes. eine Rechtsverfolgung primär im Gebühreninteresse, eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht gegenüber dem Verletzer, ungerechtfertigte Mehrfachabmahnungen (dazu BGH GRUR 2002, 367, 368 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung), eine selektive Schuldnerauswahl oder auch eine fremdbestimmte Rechtsverfolgung lediglich im Interesse eines Dritten.

III.

Die konkreten Umstände des Streitfalls rechtfertigen in diesem Sinne vorliegend die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsverfolgung, wobei nicht schon maßgeblich ist, dass die Antragstellerin eine Vielzahl von Abmahnungen ausgebracht hat. Die Anzahl der Abmahnungen kann für sich gesehen, wenn spiegelbildlich eine entsprechende Vielzahl von Verstößen vorliegt, noch nicht durchschlagend sein. Allein die Vielzahl der Abmahnungen besagt ohne weitere Umstände wenig. Solche Umstände könnten etwa in einem Missverhältnis zwischen der Zahl der Abmahnungen und dem Umfang des Geschäftsbetriebes liegen oder in der Art und Weise der Verfolgung (vgl. Senat Urt. v. 01.04.2008, Az. 4 U 10/08), wie dies hier der Fall ist.

Die Antragstellerin hat im maßgeblichen Zeitraum in einem Umfang abgemahnt, der nicht mehr im Verhältnis zu ihrer eigenen Geschäftstätigkeit steht. Es handelt sich bei ihr um einen eher kleinen Betrieb mit ca. 3 Angestellten sowie Aushilfen bei Bedarf mit einem Jahresumsatz von - nach Aktenlage - jedenfalls nicht mehr als 100.000,- €. Die Antragsgegnerin hat Umsätze der Antragstellerin bei F in 90 Tagen - vom 24.08.2008 bis 21.11.2008 - in Höhe von 19.296,- € mitgeteilt. Die Antragstellerin hat dies nicht, jedenfalls nicht erheblich bestritten, obwohl ihr dies in Kenntnis ihres eigenen Geschäftsumfangs auch unter Vorlage einer Bilanz o.ä. ein Leichtes gewesen wäre. Hochgerechnet auf ein Jahr wären dies knapp 80.000,- €. Auch hat die Antragstellerin nicht vorgetragen, dass und in welchem Umfang sie Umsätze aus ihrem Ladengeschäft erzielt. Die Mitteilung der verkauften Stückzahlen, zumal aus einem späteren Zeitpunkt, gibt hierüber keine hinreichende Auskunft. Gleichzeitig ist durch die eigenen Verfahren vor dem Senat gerichtsbekannt und durch die von Rechtsanwalt X aus E vorgelegte Liste (Anl. K 4) belegt eine überaus große Abmahntätigkeit der Antragstellerin. Aus letzterer ergeben sich jedenfalls 81 Abmahn- und Vertragsstrafeverfahren bis Ende 2008, wobei die Antragstellerin wiederum nicht ausgeräumt hat, ob und welche Verfahren konkret dort vermeintlich zu Unrecht aufgelistet sein sollen. Soweit sie in dem Parallelverfahren 4 U 9/09 im Senatstermin ebenfalls vom 28.04.2009 durch ihren Prozessbevollmächtigten ausgeführt hat, es habe sich hiervon neben den 30 F-Abmahnungen nur um gut 30 weitere Abmahnungen gehandelt, so bleibt nach wie vor eine erhebliche Abmahndichte gerade im maßgeblichen Zeitraum Mitte bis Ende 2008. Eine außergewöhnlich hohe Abmahntätigkeit der Antragstellerin ist dem Senat aus seinen Berufungs- und Beschwerdeverfahren gerichtsbekannt. Wenn man die Kosten für nur - rd. 60 Abmahnungen, wie eingeräumt, mit den angegebenen Streitwerten bezogen auf ein gerichtliches Verfahren und ein etwaiges Berufungsverfahren und die damit verbundenen Prozessrisiken gegenrechnet, so ist damit jedenfalls ein Volumen erreicht, das der Größenordnung nach die eigene Geschäftstätigkeit der Höhe nach deutlich übersteigt, ohne dass dies punktgenau errechnet werden kann und muss. Die Kostenrisiken aus den fraglichen Abmahnvorgängen sind für die Antragstellerin immens. Diese sind mit ihrem eigentlichen Geschäftsumfang und dem Begehren nach einem sauberen Wettbewerb nicht mehr in Einklang zu bringen. Umgekehrt zeigt dies auch die Höhe der geforderten Abmahnkosten. Wenn man nur die geforderten Kosten für 60 Abmahnungen mit überschlägig 859,80 € (wie bei der vorliegenden Abmahnung) hochrechnet, so kommt man auf einen Betrag von jedenfalls 51.588,- € für einen im Kern begrenzten Zeitraum. Das Verhältnis Umsatz und Kosten erweist sich insgesamt als unverhältnismäßig.

Ganz wesentlich und durchschlagend ist der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihren Abmahnungen neben den Abmahnkosten durch die Einschaltung ihres Anwalts (hier in Höhe von 859,80 €) regelmäßig einen pauschalen Schadensersatz von 100,- € gegen die jeweiligen Empfänger geltend gemacht hat, wie folgt:

"(...) Auch steht meiner Mandantschaft gemäß § 9 UWG ein Schadensersatzanspruch zu. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht wäre meine Mandantin mit einer Schadenspauschale von 100,00 € einverstanden. Damit wäre der meiner Mandantschaft entstandene Schaden abgegolten. Dieses Angebot gilt nur bis zur o.g. Frist. Nach Fristablauf behält sich meine Mandantin vor, den wirklich entstandenen Schaden geltend zu machen."

Hierbei handelte es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um ein systematisches Vorgehen, wie sich dies gerichtsbekannt in gleicher Weise etwa aus den Abmahnungen vom 28.10.2008 (Anl. K 7), vom 29.07.2008 im Verfahren 4 U 23/09, vom 21.10.2008 im Verfahren 4 U 9/09, vom 15.09.2008 im Verfahren 4 W 147/08 und vom 29.07.2008 im Verfahren 4 W 3/09 ergibt. Dieser Ersatzbetrag wird letztlich als fällig dargestellt, obwohl sich bei den vorliegenden Massengeschäften beim Verkauf von einschlägigen Verbraucherartikeln mit einer großen Vielzahl von Mitbewerbern erfahrungsgemäß kaum eine konkrete Schadensberechnung anstellen, geschweige denn beweisen lässt. Die Antragstellerin war dabei keineswegs zu der Einforderung einer solchen Kostenpauschale berechtigt. Eine solche Berechtigung wird alsdann weder im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung dargelegt oder begründet, noch werden im Wege der Stufenklage Auskunftsansprüche zur konkreten Schadensberechnung geltend gemacht. Dieser Posten wird in den in Rede stehenden Gerichtsverfahren alsdann ersichtlich nicht mehr weiter verfolgt. Zudem war in den fraglichen Fällen keineswegs das für einen Schadensersatzanspruch gemäß § 9 UWG erforderliche Verschulden angesprochen und geklärt. Die Antragstellerin hat sich insofern ähnlich wie ein Wettbewerbsverband geriert, der unter bestimmten Voraussetzungen seinen Abmahnaufwand pauschaliert realisieren kann (vgl. Bornkamm, in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27. Aufl. 2009, § 12 Rn. 1.98). Hierzu war die Antragstellerin, zumal die Pauschale zusätzlich zu den Anwaltskosten nach dem RVG verlangt wurde, jedoch nicht berechtigt. Dies zeigt, dass es ihr gerade und überwiegend um die Ausbeute von Kostenerstattungen durch die Gegner ging. Dies gilt umso mehr, als der fragliche Betrag von 100,- € auch der Höhe nach jeder Grundlage entbehrt. Denn wenn als Schaden tatsächlich eine erhebliche Umsatzeinbuße eingetreten wäre, wäre dieser Betrag belanglos und unzureichend. Soweit keine Umsatzeinbuße durch den Verstoß eingetreten ist, ist dieser Betrag insgesamt völlig ungerechtfertigt.

Die Antragstellerin hat sodann eine Vielzahl, nach eigenen Angaben 30 Abmahnungen, ausgesprochen, nachdem es aufgrund eines technischen Fehlers bei F bei einer Vielzahl von Verkäufern in der Zeit vom 22.10. bis 27.10.2008 zu einer fehlerhaften Darstellung der Rücknahmebedingungen auf der Artikelseite kam. Dabei wurde zeitweise an Stelle der vorhandenen Widerrufsbelehrung automatisch der generierte Satz "der Verkäufer nimmt diesen Artikel nicht zurück" bzw. "Siehe Artikelbeschreibung" auf der Artikelseite angezeigt (s. F-Schreiben vom 04.11.2008, Anl. K 6). Dies war auch dann erfolgt, wenn im Angebot eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthalten war. Auch wenn die Antragstellerin selbst hiervon nicht betroffen gewesen sein mag, war die Verantwortlichkeit der Verkäufer hierbei von vornherein sehr zweifelhaft, schon deshalb, weil es lebensfremd und klar auffällig erscheint, wenn plötzlich zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Vielzahl von auch namhaften Anbietern krass verbotswidrig mitteilen, den jeweiligen Artikel, zumal ohne Begründung, nicht mehr zurückzunehmen. Ersichtlich hatte sich dieser Softwarefehler bei F auch übergreifend bei einer weiteren und offenen Vielzahl von Anbietern ausgewirkt, abgesehen auch davon, dass hierüber bereits am 25.10.2008 etwa auf der Internetseite wortfilter.de berichtet wurde. Gleichwohl wurde am 28.10.2008 eine große Anzahl von Abmahnungen an entsprechende gewerbliche Verkäufer ausgebracht, wobei es zudem nahe gelegen hätte, sich an F zu wenden, um dort die Quelle es Übels zu stopfen. Ohne dass es noch darauf ankommt, sei weiter darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin in diesem Zusammenhang insofern falsch vorgetragen hat, als sie etwa im Rechtsstreit 3 U 189/08 OLG Hamm mit Schriftsatz vom 21.02.2009 (S. 10) einschränkungslos ausgeführt hatte, dass man sich entschlossen habe, die ausgesprochenen Abmahnungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne jedes Präjudiz für gegenstandslos zu erklären, wohingegen sich aus der Senatssache 4 U 10/09 wiederum ergibt, das eben dieser Fehler gegen die Fa. C nunmehr doch auch noch weiterverfolgt worden ist.

Weitere Indizien kommen hinzu. Die Kostenrechnungen wurden mit dem Hinweis oder vielmehr der Androhung begleitet (s. Abmahnung vom 05.08.2008), dass im Falle einer gerichtlichen Festsetzung des Gebührenstreitwerts nicht auszuschließen sei, "dass ein Gericht ein weitaus höheren Gegenstandswert ansetzen" werde, obwohl die angesetzten Werte bereits regelmäßig den vom Senat üblicherweise festgesetzten Werten entsprachen. Zweck der Abmahnung ist es, den Verletzter zu einem wettbewerbsgemäßen Verhalten anzuhalten. Insofern ist dieser Hinweis einerseits überflüssig, andererseits verständlich nur vor dem Hintergrund, dass es nicht primär um das Abstellen der in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße ging.

Alsdann werden die abgemahnten Verkäufer ersichtlich in Bezug auf Fehler in Anspruch genommen, die gerade in großer Vielzahl bei F oder bei anderen Verkaufsforen vorhanden sind und die "massenhaft", sprich auch mit einem geringem Aufwand, parallel verfolgt werden können. Dabei ist zu konstatieren, dass die Antragstellerin selbstredend als Wettbewerberin ihrerseits grundsätzlich gegen entsprechende Wettbewerbsverstöße vorgehen und sich gegen die Angriffe ihrer Wettbewerber "wehren" kann. Indes zeigt vorliegend, wie ausgeführt, die Gesamtschau, dass bei der Rechtsverfolgung in der streitgegenständlichen Sache nicht Wettbewerbsinteressen, sondern vielmehr ein Gebührenerzielungsinteresse im Vordergrund stand.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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