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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: 4 U 58/09
Rechtsgebiete: UWG, ZPO, BGB


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 1
UWG § 8 Abs. 4
UWG § 12 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
BGB § 126 b
BGB § 312 c Abs. 1
BGB § 312 c Abs. 1 Satz 1
BGB § 312 c Abs. 2
BGB § 312 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 24. Februar 2009 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Der Antragsgegner hat es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Internet-Handelsplattform *Internetadresse* mit dem Endverbraucher im Fernabsatz Angebote von Waren im Bereich Zubehör für Unterhaltungselektronik zu veröffentlichen oder zu unterhalten, wenn dort in der Widerrufsbelehrung angegeben ist, dass die Widerrufsfrist mit Erhalt dieser Belehrung beginne, falls nicht bis zum Abschluss des Vertrages die Belehrung in Textform erfolgt, wie geschehen in dem Angebot des Antragsgegners gemäß dem Ausdruck vom 12. Januar 2009, Anlage AS 1 zur Klageschrift, Bl. 7 - 13 d. A.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien bieten auf der Internetplattform F Zubehör für Unterhaltungselektronik, insbesondere Spielkonsolen an. Der Antragsteller tritt unter "N" auf. Er bietet neben Netzteilen, akustischen Endgeräten und Taschen auch Zubehör für Spielkonsolen, insbesondere die Konsole Nintendo Wii an. Der Antragsgegner tritt unter dem Namen "J- auf und veräußert ausschließlich Speicherkarten für die Spielkonsole Sony Play Station (SPS).

Im Rahmen seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete der Antragsgegner am 14. Januar 2009 folgende Klausel (Bl.9):

"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache..."

Der Antragsteller sah in dieser Art der Belehrung einen Gesetzesverstoß und ließ den Antragsgegner durch Anwaltsschreiben vom 22. Januar 2009 abmahnen. Mit Schreiben vom 28. Januar 2009 teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners mit, dass die fehlerhafte Widerrufsbelehrung korrigiert worden sei. Nach einer Fristverlängerung räumte er mit Schreiben vom 3. Februar 2009 ein, dass die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Er lehnte für den Antragsgegner jedoch die Abgabe einer Unterlassungserklärung und die Erstattung der Anwaltsgebühren ab, weil der Antragssteller mangels eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt zu einer Abmahnung berechtigt gewesen sei.

Mit einem am 9. Februar 2009 bei Gericht eingegangenen Antrag hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der dem Antragsgegner die Verwendung der beanstandeten Klausel untersagt werden sollte.

Der Antragsteller hat gemeint, es bestehe angesichts der Ähnlichkeit der beiderseits vertriebenen Waren ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Es genüge insoweit eine teilweise Übereinstimmung des Warensortiments wie es hier bei dem Angebot von Zubehör für Spielekonsolen der Fall sei. Er habe in der Vergangenheit insoweit auch Speichermodule angeboten und werde das auch in Zukunft wieder tun, wenn es wirtschaftlich sinnvoll sei.

Der Antragsgegner hat sich gegen den Antrag verteidigt und auch im Verfügungsverfahren ein konkretes Wettbewerbsverhältnis in Frage gestellt.

Er hat die Erheblichkeit des Wettbewerbsverstoßes in Frage gestellt, da der betreffende Kunde mit der Ware die richtige Belehrung erhalten habe. Im Übrigen sei die Abmahnung auch rechtsmissbräuchlich gewesen, da ein wettbewerbsrechtlicher Zweck der Abmahnung nicht ausgemacht werden könne.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ein Verfügungsgrund ebenso fehle wie ein Verfügungsanspruch mangels eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Außerdem hat es angenommen, dass in dem Vorgehen des Antragstellers jedenfalls ein Fall des Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG zu sehen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Antragsteller greift das Urteil mit der Berufung an, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag sprachlich verändert weiter verfolgt. Er verneint einen Rechtsmissbrauch und hält die diesbezügliche Argumentation des Landgerichts für nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf den Verfügungsgrund verweist er auf die für ihn streitende Dringlichkeitsvermutung. Es sei nicht erkennbar, inwieweit diese Vermutung hier widerlegt sein könnte. Der Antragsteller hält auch nach wie vor ein konkretes Wettbewerbsverhältnis für gegeben. Es seien insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genüge, dass beide Parteien bei F Zubehör für Konsolen und damit Waren in der exakt gleichen Warengruppe anböten. Er, der Antragsteller, böte seit 2007 in großem Umfang ständig wechselnde Waren aus dem Bereich des Zubehörs der Unterhaltungselektronik an und dabei auch in nicht unerheblichem Maße Zubehör für die Playstation SPS. Darunter befänden sich auch Speichermodule und ganz aktuell sogar Speicherkarten. Insoweit verweist der Antragsteller auf den vorgelegten Auszug aus seinem aktuellen Angebot.

Der Antragsgegner verteidigt das angefochtene Urteil. Er hält die Dringlichkeitsvermutung hier für widerlegt. Dem Antragsteller sei es nicht um die Sicherung seiner Unterlassungsansprüche gegangen, sondern vielmehr um den Ersatz der Rechtsanwaltskosten. Zur Klärung, ob er seine Kosten erstattet verlangt bekommen könnte, sei aber kein Verfügungsverfahren erforderlich. Der Antragsgegner meint auch weiterhin, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Abmahnung keine Speicherkarten für die Spielkonsole SPS, also keine identischen Produkte angeboten habe. Darauf, ob er heute solche Produkte anbiete, könne es nicht entscheidend ankommen.

Der Antragsgegner betont in einem weiteren Schriftsatz noch einmal, dass er ausschließlich Speicherkarten für die Speicherkonsole SPS vertreibt. Er bestreitet, dass der Antragsteller vor dem 22. Januar 2009, also vor der Abmahnung, derartige Speicherkarten angeboten habe. Ferner behauptet er, der Antragsteller habe erst nach Erlass des landgerichtlichen Urteils Speicherkarten in sein Sortiment aufgenommen. Zuvor sei dies für den Antragsteller wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen. Das zeige, dass er kein wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der Rechtsverfolgung gehabt habe. Auch dies spreche für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen.

II.

Die Berufung ist begründet, weil dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht und auch ein Verfügungsgrund gegeben ist.

1) Der Unterlassungsanspruch ist jedenfalls jetzt bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, nachdem der Antragsteller in den Antrag noch die konkrete Verletzungshandlung einbezogen hat. Die Einfügung des Begriffes "Bereich" in den Antrag ist eine rein sprachlich zu verstehende Korrektur. Der mit "falls ..." beginnende Nachsatz ist unschädlich, weil er nur auf die bestehende Gesetzeslage hinweist.

1) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antragsteller ein Mitbewerber des Antragsgegners im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG und damit antragsbefugt.

Hier geht es um Absatzwettbewerb, so dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien anzunehmen ist, wenn sie gleichartige Waren innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen. Es müssen gerade keine identischen Waren sein. Die wirtschaftliche Betätigung muss auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt erfolgen oder jedenfalls beabsichtigt sein. Für den sachlich relevanten Markt kommt es dabei auf die Austauschbarkeit in den Augen des verständigen Nachfragers an (BGH GRUR 2002, 828, 829 -Lottoschein). Unter diesen Voraussetzungen liegt hier ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vor. Beide Parteien handeln auf derselben Internetplattform mit Zubehör für Unterhaltungselektronik, ja auch beide mit Zubehör für Spielkonsolen. Das reicht aus. Im Interesse eines effektiven Wettbewerbsschutzes darf insoweit ohnehin kein zu strenger Maßstab angelegt werden. Darauf, dass der Antragsgegner nur Speicherkarten für SPS anbietet, kann es nicht entscheidend ankommen. Gerade wenn er in Bezug auf solche Waren ein Monopol besäße, müsste ein Mitbewerber, der gleichartige Waren vertreibt, antragsbefugt sein, weil ein solches Monopol nicht dazu führen kann, dass Wettbewerbsverstöße nahezu unangreifbar werden.

3) Der Antragsbefugnis des Antragstellers steht hier auch nicht entgegen, dass der Antragsteller rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gehandelt hat. Dafür sind konkrete Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Tatsache, dass der Antragsteller auf der Titulierung seines Anspruchs besteht, obwohl der Antragsgegner seinen Internetauftritt aufgrund des als solchen akzeptierten Verstoßes geändert hat, ist in Bezug auf sachfremde Motive für sich nicht aussagekräftig. Das ist das gute Recht des Antragstellers, solange der Antragsgegner die verlangte Unterlassungserklärung nicht abgegeben und damit die aus Anlass seiner Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr nicht beseitigt hat.

4) Der Verfügungsgrund stellt angesichts der für den Antragsteller nach wie vor streitenden Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG kein Problem dar. Der Antragsteller hat am 14. Januar 2009 von dem Verstoß Kenntnis erlangt. Am 9. Februar 2009, also in einem angemessenen Zeitraum danach, ist der Verfügungsantrag beim Landgericht eingegangen. Darauf, ob das Erfordernis einer Verschlechterung der Sache oder eines zu erwartenden Nachteils des Antragstellers eine Eilregelung im Sinne der §§ 935, 940 ZPO rechtfertigen könnte, kommt es hier nicht an.

5) Dem Antragssteller steht als Mitbewerber des Antragsgegners aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 312 c Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch gegen diesen zu. Für die gerügte Verletzungshandlung vom 14. Januar 2009 gilt das neue Recht. Der Gesetzesverstoß stellt sich als eine unzulässige geschäftliche Handlung dar.

b) Der Antragsgegner hat gegen § 4 Nr. 11 UWG verstoßen. Gegen diese Vorschrift verstößt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer, hier der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln. Bei § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB, der die Unterrichtungspflichten des Unternehmers bei Fernabsatzverträgen regelt, handelt es sich um eine Verbraucherschutzvorschrift, die das Marktverhalten von Unternehmern im Interesse der Marktteilnehmer bestimmt (BGH MMR 2007, 40, 42 -Anbieterkennzeichnung im Internet; OLG Hamm NJW 2005, 2319 = MMR 2005, 540). Zu diesen vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationspflichten im Fernabsatzgeschäft gehört nach BGB-InfoV 1 Nr. 10 auch die allgemeine Information über das Bestehen oder Nichtbestehen des Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs.

c) Der Antragsgegner hat hier gegen seine vorvertraglichen Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen, indem er nicht klar und verständlich über das bei Fernabsatzgeschäften nach § 312 d BGB bestehende Widerrufsrecht informiert hat. Zwar hat der Antragsteller im Rahmen seines Internetauftritts bei F zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Vertragserklärung innerhalb von einem Monat in Textform oder durch Rücksendung der Sache widerrufen werden kann. Er hat aber weiter mitgeteilt, dass diese Frist "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne. Diese Information im Rahmen der Belehrung nach § 312 c Abs. 1 BGB ist aber falsch. Das hat der Senat gerade im Hinblick auf die hier gebrauchte Formulierung nun schon wiederholt entschieden (vgl. zuletzt nur Urteil vom 14. Mai 2005 4 U 16/ 09). Bei der Belehrung nach § 312 c Abs. 1 BGB handelt es sich um die erforderliche Vorabbelehrung, die gegenüber dem Verbraucher erfolgen muss, bevor dieser rechtsgeschäftliche Erklärungen abgibt. Diese Belehrung, die hier wie üblich im Rahmen der Internetangebote erteilt wurde, kann noch keinen Beginn der Widerrufsfrist auslösen. Es ist vielmehr eine Belehrung in Textform erforderlich, die nach § 312 c Abs. 2 BGB spätestens mit dem Erhalt der Ware erfolgen muss. Erst wenn die nach § 312 c Abs. 2 BGB erforderliche Belehrung in Textform im Sinne des § 126 b BGB erfolgt ist, kann die Widerrufsfrist zu laufen beginnen. Die vorab erfolgte Belehrung im Internetauftritt (also diese Belehrung im Sinne des Hinweises) wahrt als solche nicht die Textform, weil sie die Erklärung nicht hinreichend perpetuiert.

d) Ein solcher Gesetzesverstoß ist auch keine Bagatelle im Sinne des § 3 UWG. Die richtige Belehrung über die Widerrufsfrist betrifft vielmehr elementare Verbraucherschutzrechte. Wer zwar grundsätzlich im Rahmen des § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB über das Widerrufsrecht informiert, dabei aber den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass diese vorvertragliche Information schon irgendwelche Fristen in Lauf setzen kann, beeinträchtigt das Verbraucherverhalten in diesem Sinne auch spürbar. Der so belehrte Verbraucher kann dem Hinweis nämlich die Fehlvorstellung entnehmen, die Frist laufe schon und sei deshalb bei einer späteren Lieferung schon teilweise und bei einer Lieferung nach einem Monat schon ganz abgelaufen.

e) Eine Wiederholungsgefahr besteht nach wie vor. Für ihre Beseitigung genügt es nicht, dass der Antragsgegner den Verstoß eingeräumt und seinen Internetauftritt geändert hat. Es wäre vielmehr zusätzlich erforderlich gewesen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Daran fehlt es nach wie vor. Warum sie nicht abgegeben wurde, ist dabei ohne Bedeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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