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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: 4 U 6/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 7 Abs. 1
UWG § 7 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 6/03 OLG Hamm

Verkündet am 8. April 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Knippenkötter sowie die Richter am Oberlandesgericht Bahr und Filla

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 7. November 2002 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert:

Der Antragsgegnerin wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Komplementärin der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber dem Letztverbraucher wie folgt zu werben:

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung der Antragstellerin ist begründet. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die im Tenor des Senatsurteils abgelichtete Werbeanzeige zu Unrecht für wettbewerbsrechtlich zulässig erachtet.

Die beanstandete Anzeige verstößt vielmehr sowohl gegen § 7 Abs. 1 UWG als unzulässige Sonderveranstaltung wie auch gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens.

Nach § 7 Abs. 1 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer Vorteile hervorrufen, ankündigt oder durchführt. Eine solche unzulässige Sonderveranstaltung nach § 7 Abs. 1 UWG hat die Antragsgegnerin hier mit der beanstandeten Anzeige angekündigt. Es liegt hier nicht der Ausnahmefall nach § 7 Abs. 2 UWG vor, daß mit der beanstandeten Anzeige lediglich Sonderangebote beworben würden. Denn es werden nicht einzelne nach Güte und Preis gekennzeichnete Waren angeboten, sondern es wird mit einer pauschalen Preisherabsetzung geworben.

Zwar läßt sich allein damit noch nicht im Gegenschluß der Charakter der beworbenen Verkaufsveranstaltung als Sonderveranstaltung bejahen. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 UWG gesondert zu prüfen (Köhler/Piper UWG 3. Auflage § 7 Rdzif. 42). Diese Voraussetzungen sind hier aber erfüllt.

Die Verkaufsveranstaltung sollte der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und auch den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorrufen, in dem ein 20 %-iger Superrabatt angeboten wurde und der Käufer darüber hinaus auf die zusätzlichen Einsparmöglichkeiten durch die Gutscheine hingewiesen wurde.

Zudem liegt auch eine Verkaufsveranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs vor. Dies folgt zwar noch nicht allein daraus, daß hier ein Sonntagsverkauf beworben wird, um bereits aus dieser engen zeitlichen Befristung eine Verkaufsveranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs annehmen zu können. Denn ein Sonntagsverkauf kann eben nur am Sonntag stattfinden (vgl. zur entsprechenden Problematik beim Wanderlager: Köhler/Piper aaO § 7 Rdzif. 33). Das Merkmal der Verkaufsveranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs ist nicht rein zeitbezogen zu verstehen. Mag ein Sonntagsverkauf auch nicht häufig stattfinden, so fügt er sich als ausnahmsweise an einem solchen Tage zulässige Verkaufsveranstaltung für sich genommen doch in den regelmäßigen Geschäftsverkehr ein, der eben auch solche zulässigen Sonntagsverkäufe als allgemeine Gepflogenheit umfaßt. Es muß deshalb über die Beschränkung auf den Verkauf gerade am Sonntag noch etwas hinzukommen, was den Verkauf auch über den Zeitpunkt des Sonntages hinaus als ungewöhnlich erscheinen läßt.

Das ist hier zwar noch nicht allein der verheißene Superrabatt. Denn der geht über eine Anlockwirkung nicht hinaus. Der Verkehr erkennt, daß er lediglich einen preisreduzierten Artikel erwerben kann, wobei er noch nicht einmal sicher sein kann, dabei die verheißene Rabatthöhe von 20 % insgesamt ausschöpfen zu können. Denn die Einschränkung "bis zu" ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zu überlesen. Die Anzeige ist so verschachtelt aufgebaut, daß der Leser von vornherein merkt, daß er genau hinauschauen muß, um die beworbenen Verheißungen zutreffend zu erfassen. Dann entdeckt er aber auch das "bis zu" bei der Rabattverheißung.

Der Charakter der Verkaufsveranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs ergibt sich aber hier aus den zusätzlichen Einsparmöglichkeiten mit Hilfe der Gutscheine in Verbindung mit dem verheißenen Superrabatt. Auch wenn 10 % Rabatt noch im Rahmen des üblichen liegen mögen (vgl. OLG Frankfurt NJW 2002, 1506), so sprengt die mit den Gutscheinen verheißene Rabatthöhe doch den Rahmen üblicher Rabattgewährung und macht den beworbenen Sonntagsverkauf zu einer Sonderveranstaltung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG. Denn durch die beworbene zusätzliche Einsparmöglichkeit hat die Antragsgegnerin im Ergebnis eine Preisreduzierung für alle drei beworbenen Produktbereiche herbeigeführt, nämlich für alle Matratzen, Lattenroste und Teppiche. Die Situation stellt sich für den Kunden nicht anders dar, als wenn alle Matratzen, Lattenroste und Teppiche um 20 % bzw. um 35 % reduziert sind. Denn er hat mit Hilfe der Gutscheine die freie Wahl, welche Matratze, welchen Lattenrost oder welchen Teppich er kaufen will. Dem steht nicht entgegen, daß sich der Kunde den Gutschein beschaffen muß. Denn die Zeitungswerbung konnte sich jeder Kunde besorgen. Die Preisreduzierung für drei Produktbereiche insgesamt sprengt aber den üblichen Verkaufsrahmen für einen Sonntagsverkauf. Das gilt umso mehr, als der Superrabatt noch hinzukommt. Eine solche Preisreduzierung bewegt den Kunden, einen zukünftig geplanten Kauf eines Teppiches etwa auf diesen Sonntag vorzuziehen, als einmalige Gelegenheit für eine erhebliche Einkaufsersparnis. Bei den Lattenrosten und Matratzen kommt hinzu, daß mit Hilfe zweier Gutscheine von einem Käuferpaar auch jeweils das gewünschte Produkt zweimal zu dem verbilligten Preis erworben werden konnte.

Darüber hinaus ist die beanstandete Werbung auch unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG wettbewerbswidrig. Zwar muß mit diesem Gesichtspunkt nach Abschaffung des Rabattgesetzes zurückhaltend umgegangen werden, soweit die Anlockwirkung in bloßen Preisnachlässen besteht (OLG Karlsruhe GRUR 2002, 909). Denn es muß dem Mitbewerber freistehen, mit der Günstigkeit seiner Preise zu werben, soweit diese Preisgünstigkeit tatsächlich gegeben ist und vom Kunden auch überprüft werden kann. Treten Umstände hinzu, die die beworbene Preisgünstigkeit für den Kunden unter Umständen wieder entwerten, greift der Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens nach wie vor durch (Köhler/Piper aaO § 1 Rdzif. 277).

Ein solcher Umstand liegt hier zunächst schon in dem gerade zu aleatorischen Reiz der Rabattgewährung "bis zu". Denn die genaue Höhe der Rabattgewährung bleibt damit für den Kunden offen. Er weiß nicht, auf welche Waren der Höchstsatz von 20 % Rabatt gewährt wird. Bezieht sich dieser höchste Rabattsatz nur auf Kleinartikel ist der verheißene Superrabatt für den Kunden relativ uninteressant. Denn er gilt ja nur für einen Artikel, so daß der Kunde den Höchstsatz auch nur einmal ausschöpfen kann.

Bezieht sich der Rabattsatz von 20 % aber auf hochpreisige Teile, etwa eine ganze Kücheneinrichtung, lohnt es sich den beabsichtigten Kauf auf den Sonntag vorzuziehen. Es ist aber mit den guten kaufmännischen Sitten nicht vereinbar, den Kunden dergestalt im Ungewissen zu lassen, was hinter dem versprochenen Superrabatt tatsächlich steckt.

Dieser Verschleierungsgesichtspunkt hat hier wegen der schlechten Vergleichsmöglichkeiten für den Kunden ein besonderes Gewicht. Der Kunde konnte die effektive Günstigkeit nicht überprüfen, weil der Rabatt nur an dem Sonntag galt, als die Verkaufsveranstaltung durchgeführt wurde. Erfahren hat der Kunde von dem Superrabatt aber erst am vorangehenden Samstag. Er hätte sich schon in das Geschäftslokal der Antragsgegnerin begeben müssen, um zu ermitteln, für welche Produkte der volle Nachlaß gewährt wurde und welche Preise für die drei pauschal herabgesetzten Warengruppen galten. Der Kunde hätte dies am Samstag tun müssen, um sich dann bei der Konkurrenz deren Preise anzuschauen, um die effektive Preisgünstigkeit prüfen zu können. Daß das alles an dem Samstag geschehen konnte ist fraglich. Offen ist auch, ob die Antragsgegnerin bereits am Samstag ausgezeichnet hatte, auf welche Waren der Superrabatt jeweils gewährt wurde. Am Sonntag war die Prüfung auch nicht uneingeschränkt möglich, da nicht alle Mitbewerber geöffnet hatten. Der Kunde konnte mithin die Günstigkeit des Einkaufs und die Hoffnung, ein Schnäppchen zu machen, nicht durch einen zumutbaren Preisvergleich verifizieren. Der Einwand der Antragsgegnerin im Senatstermin, daß der Kunde sich zuvor eine Preisliste der Konkurrenz hätte erstellen können, um so die Günstigkeit der Preise der Antragsgegnerin überprüfen zu können, überspannt die Anforderungen an die Mühen, die auch der verständige Verbraucher bei einem Preisvergleich nur anzustellen braucht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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