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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: 4 U 60/06
Rechtsgebiete: BGB, UklaG, UWG


Vorschriften:

BGB § 305 Abs. 1
UklaG § 5
UWG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 24. Februar 2006 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Antragsteller ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 21 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland.

Die Antragsgegnerin vertreibt Tele-Kommunikationsgeräte und -zubehör. Sie bietet außerdem Tele-Kommunikationsleistungen an.

Auf Seite 39 ihres Prospektes "01. September bis 30. September 2005" bewarb sie 2 Netzkarten nebst zugehöriger Mobilfunkverträge. In der Schlusszeile der Fußnotenanmerkungen heißt es: "Alle Preise incl. Mehrwertsteuer! Solange der Vorrat reicht! Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich."

Die Verbraucherzentrale C e. V. erfuhr von der Verwendung dieser Klauseln am 06. November 2005 durch eine Beschwerde vom 04. November 2005. Mit Schreiben vom 17. November 2005 mahnte der Antragsteller die Antragsgegnerin wegen der Verwendung dieser Klausel ab, und zwar unter Fristsetzung bis zum 05. Dezember 2005, wobei er für den Fall, dass die Unterwerfungserklärung nicht fristgerecht abgegeben wurde, gerichtliche Schritte ohne erneute Aufforderung androhte.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 05. Januar 2006 ist am 06. Januar 2006 bei Gericht eingegangen.

Der Antragsteller hält die beiden letztgenannten Hinweise für verbraucherschutzwidrig und hat deshalb deren Verbot beantragt.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 24. Februar 2006 das Verfügungsbegehren des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen. Bei den beanstandeten Klauseln handele es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB.

Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein Verbotsbegehren aus erster Instanz weiter verfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages weist der Antragsteller zunächst daraufhin, dass die Antragsgegnerin die Klausel hinsichtlich des Rechtes auf Irrtumsberichtigung im Rechtsverkehr anwende, wie der Fall des Beschwerdeführers gezeigt habe. Auch im übrigen handele es sich nicht um bloße Hinweise auf mögliche fehlerhafte Angaben in dem Prospekt.

Der Antragsteller beantragt,

die Beklagte wird im Wege der Einstweiligen Verfügung unter Änderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 24.2.06 - 8 O 9/06 - verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, im Verkehr mit Verbrauchern (§ 13 BGB) nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen über Telekommunikationsleistungen, wie aus dem in Kopie beigefügten Katalogauszug ersichtlich, zu verwenden und sich bei der Abwicklung derartiger Verträge auf die Bestimmungen zu berufen:

1. Änderungen und Irrtümer vorbehalten

2. Abbildungen ähnlich

Die Antragsgegnerin beantragt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages,

die Berufung des Antragstellers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Antragstellers ist unbegründet. Das Landgericht hat das Verfügungsbegehren des Antragstellers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Denn es fehlt bereits der Verfügungsgrund, so dass es auf die Frage nach dem Vorliegen eines Verfügungsanspruches, auf den das Landgericht entscheidend abgestellt hat, nicht mehr ankommt.

Der Antrag des Antragstellers ist hinreichend bestimmt. Es soll der Antragsgegnerin die Verwendung der beiden Klauseln, wie sie sich aus dem Katalog der Antragsgegnerin ergeben, verboten werden. Das weitere Begehren geht unter dem Gesichtspunkt der Störungsbeseitigung dahin, sich bei der Vertragsabwicklung nicht auf die beanstandeten Klauseln zu berufen, soweit den Verträgen die bisherige Fassung des Kataloges mit den genannten Klauseln zu Grunde liegt.

Für dieses letztere Begehren kann sich der Antragsteller von vornherein nicht auf die Dringlichkeitsvermutung der §§ 5 UklaG, 12 Abs. 2 UWG berufen, weil diese Regelung nur für Unterlassungsansprüche gilt, nicht aber für Störungsbeseitigungsansprüche (Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdnz. 55).

Was das Unterlassungsbegehren betrifft, so streitet hier für die Dringlichkeit des Begehrens zwar zunächst die Vermutung der §§ 5 UklaG, 12 Abs. 2 UWG. Diese Vermutung ist hier aber infolge des langen Zuwartens des Antragstellers bei der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes als widerlegt anzusehen.

Dabei geht der Senat nach ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG dann widerlegt ist, wenn zwischen der Kenntnis des Gläubigers von dem Verstoß und dem Eingang des Verfügungsantrages bei Gericht ein Zuwarten von mehr als einem Monat liegt (OLG Hamm, NJWE-WettbR 1996, 164; Ahrens, der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kapitel 45, Rdnz. 41 m. w. N.).

Das ist hier der Fall.

Der Antragsteller hatte spätestens am 17. November 2005 Kenntnis davon, dass die Antragsgegnerin diese Klauseln verwandte, wie sich aus seiner Abmahnung unter dem selbigen Datum ergibt. Diese Abmahnung enthielt eine Fristsetzung zum 05. Dezember 2005. Der Antragsteller reagierte nach Fristablauf nicht, ohne dass ein Grund hierfür ersichtlich ist. Der Umstand, dass die Antwort der Antragsgegnerin vom 05. Dezember 2005 laut Eingangsstempel erst am 15. Dezember 2005 beim Antragsteller einging, ändert daran nichts, zumal auch dann noch hinreichend Zeit bestanden hätte, den Antrag innerhalb eines Monats nach Kenntnis der Klauseln rechtzeitig zu stellen.

Soweit in der Literatur zum AGBG die Auffassung vertreten wird, im Bereich des Tätigwerdens der Verbraucherverbände könne der Gedanke der Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung nicht Platz greifen, weil diese Verbände im öffentlichen Interesse vorgingen und es deshalb ihrem Ermessen überlassen bleiben müsse, ob und wann sie im Eilverfahren oder im Hauptsacheverfahren gegen die Verstöße gegen die Verbraucherschutzvorschriften vorgehen wollten (s. dazu Ulmer AGBG, § 15, Rdnz. 16; Wolff/Lindacher, AGBG, § 13, Rdnz. 125; Münch.Kommentar, AGBG, § 15, Rdnz. 41, vgl. zu dieser Frage im übrigen auch Hermann, Unterlassungsklagegesetz, § 5, Rdnz. 6; Palandt, Unterlassungsklagegesetz, § 5, Rdnz. 10), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Mit der wettbewerbsrechtlichen Literatur (vgl. Ahrens a.a.O., Kapitel 45, Rdnz. 30, 39; Berneke, die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdnz. 80; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 12, Rdnz. 3.17; Henning/Harte, UWG, § 12, Rdnz. 318) ist den Verbänden eine solche Privilegierung im Rahmen der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht zuzubilligen. Denn die schädliche Untätigkeitsfrist von einem Monat wird erst von dem Zeitpunkt an bemessen, in dem der Verband vollständige Kenntnis hat, so dass eventuelle Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung, die bei einem Verband größer sein mögen als bei einem Wettbewerber, dadurch hinreichend berücksichtigt werden. Liegen die erforderlichen Informationen vor, was spätestens zum Zeitpunkt der Abmahnung der Fall sein muss, da sie u. a. auch die ernsthafte Androhung gerichtlichen Vorgehens beinhaltet, besteht keine nachvollziehbare Begründung dafür, dass ein Verband generell von der Problematik der Selbstwiderlegung durch längeres Zuwarten bei der Beantragung gerichtlichen Rechtsschutzes ausgenommen werden müsste oder dass bei der Beantwortung der Frage, wann von einer solchen Selbstwiderlegung auszugehen ist, andere Maßstäbe als bei einem Mitbewerber gelten sollten.

Diese Überlegungen gelten im vorliegenden Fall erst Recht, da es sich um einen denkbar einfachen Sachverhalt gehandelt hat, bei dem auch der Antragsteller keine plausiblen Gründe dafür hat angeben können, weshalb er nicht umgehend nach erfolgloser Abmahnung gerichtlichen Rechtsschutz beantragt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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