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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 06.06.2005
Aktenzeichen: 4 UF 187/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 242
BGB § 1573 Abs. 2
ZPO § 533
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 28.7.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung des Antragsgegners wird festgestellt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin auch über 1.500,00 € monatlich hinaus ab Rechtskraft der Scheidung keinen Nachscheidungsunterhalt schuldet.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die seit dem 17.12.2004 rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt sowie die Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Die Parteien schlossen am 26.3.1975 - kurz nach der Geburt des am 5.12.1974 geborenen Sohnes O - die Ehe miteinander.

In der Folgezeit trennte sich die Antragstellerin mehrfach vom Antragsgegner, kehrte indessen immer wieder zu ihm zurück. Im Zuge einer solchen Versöhnung schlossen die Parteien am 27.8.1993 einen notariellen Ehevertrag, in dem der gesetzliche Güterstand ausgeschlossen und Gütertrennung vereinbart wurde. Zum Ausgleich des Zugewinns verpflichtete sich der Antragsgegner zur Zahlung eines Betrages von 20.000,00 DM, die in der Folgezeit auch geleistet wurde. Außerdem wurde gegenseitig auf Unterhalt verzichtet. Der Versorgungsgausgleich wurde für den Fall der Scheidung ausgeschlossen.

Seit Januar 2003 lebten die Ehegatten zunächst innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt; im Juli 2003 zog die Antragstellerin aus.

Der am 20.5.1954 geborene Antragsgegner ist Steuerberater und hat ein Büro in D. Er arbeitete zunächst als Angestellter und machte sich 1982 selbständig. Im Jahre 1987 schloss er für sich und die Antragstellerin bei der W Versicherung eine Kapitallebensversicherung ab. Ferner verfügt der Antragsgegner über zwei Risikolebensversicherungen bei der P. Er ist Eigentümer eines im Jahr 1992 erworbenen Einfamilienhauses, in dem die Parteien bis zum Auszug der Antragstellerin lebten. Im Jahre 2000 erwarb der Antragsgegner eine Eigentumswohnung.

Die Antragstellerin, geboren am 26.4.1957, absolvierte von 1982 bis 1985 in dem Unternehmen des Antragsgegners eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin. Nach bestandener Prüfung arbeitete sie im Steuerberatungsbüro des Antragsgegners zunächst gegen geringfügige Bezahlung. Seit Juli 2000 war sie versicherungspflichtig tätig. Eine zwischenzeitlich begonnene Weiterbildung zur Steuerberaterin wurde nach einer Erkrankung abgebrochen.

Die Antragsstellerin ist seit 1987 Eigentümerin einer Eigentumswohnung, in der sich das Steuerberaterbüro des Antragsgegners befindet. Neben der im Jahr 1987 abgeschlossenen Lebensversicherung bei der W Versicherung existiert noch eine für sie abgeschlossene betriebliche Lebensversicherung. Nach der Trennung arbeitete sie zunächst in einer Promotionfirma als Handelsvertreterin. Seit dem 3.2.2005 bezieht die Antragstellerin Arbeitslosengeld.

Im Rahmen des Scheidungsverbundes hat die Antragstellerin die Zahlung nachehelichen Unterhalts und die Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Ehevertrag nichtig sei bzw. der Antragsgegner sich nicht auf den Ausschluss der Scheidungsfolgen berufen könne.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden und die Anträge der Antragstellerin auf Zahlung nachehelichen Unterhalts sowie Durchführung des Versorgungsausgleichs zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Ehevertrag sei wirksam und nicht im Sinne von § 138 BGB sittenwidrig. Eine einseitige Lastenverteilung könne nicht festgestellt werden. Der Vortrag der Antragstellerin zu den Umständen der Vertragsunterzeichnung seien widersprüchlich und nicht glaubhaft. Auch habe keine wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden, da die Antragstellerin über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge. Der Betreuungsunterhalt sei von dem Vertrag nicht betroffen, da der gemeinsame Sohn bereits erwachsen war. Die Lebensplanung der Parteien sei nicht darauf ausgerichtet gewesen, dass sich die Antragstellerin keine eigene Alterssicherung aufbauen könne.

Es sei dem Antragsgegner auch nicht verwehrt, sich auf den Ausschluss der Scheidungsfolgen zu berufen. Die Antragstellerin könne ihren Unterhaltsanspruch allein auf § 1573 Abs. 2 BGB stützen, der am wenigsten dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzurechnen sei. Da sie erwerbstätig sei, könne sie ihren Bedarf selbst decken. Ohnehin könne die Antragstellerin allenfalls eine Umgestaltung der vertraglichen Regelung verlangen.

Auch der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sei wirksam. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Ausgleich zu Gunsten der Antragstellerin ausgewirkt hätte. Der Antragsgegner sei lediglich in den ersten drei Jahren rentenversicherungspflichtig tätig gewesen.

Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin Berufung eingelegt. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die notarielle Vereinbarung nichtig sei. Sie habe sich bei der Unterzeichnung des Vertrages in einer Drucksituation befunden. Die Parteien hätten sich kurz vor dem Abschluss des Vertrages getrennt und dann wieder versöhnt. Der gemeinsame Sohn sei schwerst drogensüchtig gewesen, und der Antragsgegner habe gedroht, die Ausbildung auf der Privatschule nicht weiter zu finanzieren. Durch die Unterschrift habe sie eine Eskalation vermeiden wollen. Der Antragsgegner habe ihr erklärt, dass der Vertrag nur nach außen wirke und er für sie sorgen werde.

Jedenfalls sei es dem Antragsgegner verwehrt, sich auf den Vertrag zu berufen. Die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse seien nach dem Vertragsschluss auseinandergedriftet. Während der Antragsgegner bei Vertragabschluss ein Jahreseinkommen von 90.000 - 100.000 DM erzielt habe, habe dies in den Jahren 2000 und 2001 220.000 € bzw. 180.000 € betragen. Ähnliches gelte für die Altersversorgung.

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 28.7.2004 abzuändern und

a) den Antragsgegner zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Scheidung einen Nachscheidungsunterhalt in Höhe eines Teilbetrages von monatlich 1.500,00 €, spätestens zum 3. Werktag eines Monats, zu zahlen,

b) den gesetzlichen Versorgungsausgleich durchzuführen.

Der Antragsgegner beantragt,

a) die Berufung zurückzuweisen, soweit die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt beansprucht;

b) zum Versorgungsausgleich zu entscheiden, was rechtens ist sowie im Wege der Anschlussberufung,

c) festzustellen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin auch über 1.500,00 € monatlich hinaus ab Rechtskraft der Scheidung keinen Nachscheidungsunterhalt schuldet.

Die Antragstellerin beantragt weiter,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, der Ehevertrag sei wirksam. Durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs werde die Antragstellerin schon deshalb nicht benachteiligt, weil er nur geringe Einzahlungen getätigt habe. Bei Abschluss des Vertrages hätten die Parteien über gleich hohe Anwartschaften verfügt. Die gegenwärtigen Anwartschaften der Antragstellerin seien wohl sogar höher.

Auch der Ausschluss des nachehelichen Unterhalts sei nicht sittenwidrig. Der Abschluss des Ehevertrages sei im Jahr 1993 für beide Parteien die Grundlage für die Fortsetzung der Ehe gewesen. Da der Sohn bereits volljährig gewesen sei, sei davon ausgegangen worden, dass dieser sich selbst unterhalten könne. Die Antragstellerin habe einen Entwurf des Ehevertrages von ihrer Anwältin prüfen lassen. Eine Drucksituation habe deshalb nicht bestanden.

Der Antragsgegner behauptet, seine Einkünfte seien in den letzten Jahren zurückgegangen. Im Jahr 2003 habe der Gewinn nur noch 35.000 €, in 2004 nur noch 30.000 € betragen. Die Antragstellerin könne den behaupteten Bedarf von 1.500 € selbst erarbeiten; sie erziele ein Einkommen von 2.100 € brutto.

Schließlich beruft sich der Antragsgegner auf Verwirkung. Die Antragstellerin lebe bereits seit zwei Jahren in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Es sei sogar eine Heirat geplant.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Berichterstattervermerk vom 21.2.2005 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Antragstellerin hat keinen Erfolg, während die Anschlussberufung begründet ist.

1.

Ein Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung von nachehelichem Unterhalts in Höhe von monatlich 1.500,00 € besteht nicht, denn der notarielle Vertrag vom 27.8.1993, mit dem die Antragstellerin auf Nachscheidungsunterhalt verzichtet hat, ist wirksam und hält auch einer Ausübungskontrolle stand.

a)

Ehevertragliche Abreden unterliegen grundsätzlich einer Inhaltskontrolle (BVerfG FamRZ 2001, 343; BVerfG FamRZ 2001, 985). Sie sind zunächst dahingehend zu prüfen, ob sie wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB unwirksam sind. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsabschluss abstellt. Zu würdigen sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, der geplante oder bereits verwirklichte Zuschnitt der Ehe sowie die Auswirkungen auf die Ehegatten und eventuell vorhandene Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit dem Vertrag verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen.

Falls ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht vorliegt, ist in einem zweiten Schritt im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich auf den Ausschluss einer gesetzlichen Scheidungsfolge beruft (BGH, Urteil vom 11.2.2004, FamRZ 2004, 601; BGH, Beschluss vom 6.10.2004, FamRZ 2005, 26; BGH, Urteil vom 12.1.2005, NJW 2005, 1370). Dadurch wird gewährleistet, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen nicht durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen wird. Dies wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde. Dabei werden die Belastungen des einen Ehegatten um so schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten um so genauer einer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrecht eingreift.

b)

Eine gravierende Störung der Vertragsparität lag entgegen der Auffassung der Antragstellerin bei Abschluss des notariellen Vertrages nicht vor. Für eine Unterlegenheit der Antragstellerin, die der Antragsgegner in zu beanstandender Art und Weise ausgenutzt hat, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Antragstellerin verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung als Steuerfachgehilfin und war in der Lage die rechtlichen Auswirkungen des Vertrages zu erkennen. Ausweislich der notariellen Urkunde ist die Antragstellerin über die Folgen eines Unterhaltsverzichts belehrt worden. Im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Amtsgericht am 28.6.2004 hat sie auch eingeräumt, dass ihr klar gewesen sei, dass sie im Falle der Scheidung keinen Unterhalt bekommen und auf freiwillige Leistungen des Antragsgegners angewiesen sein werde. Darüber hinaus stand es der Antragstellerin frei, zusätzlich anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wie zuvor in der Trennungsphase zum Zwecke der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bereits geschehen. Dass die Antragstellerin etwa infolge Zeitdrucks daran gehindert war, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen, ist nicht dargetan.

Auch die Tatsache, dass der Antragsgegner die Fortsetzung der Ehe von dem Abschluss des Ehevertrages abhängig gemacht hat, begründet keinen Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist die vom Antragsgegner gestellte Forderung nicht zu beanstanden. Sie wurde nicht im Rahmen einer intakten Ehe gestellt, sondern sie war nach einer Trennungsphase die Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Beziehung. Da die Antragsstellerin den Antragsgegner nach ihren eigenen Angaben bis etwa 1992 bereits 10 bis 15 Mal - nach Darstellung des Antragsgegners sogar noch weitaus öfter - verlassen hatte und sich der Antragsgegner wiederholt Unterhaltsforderungen ausgesetzt sah, ist die Forderung nach einer Scheidungsfolgenvereinbarung nicht zu beanstanden, zumal der Ehevertrag nicht nur für den Fall einer Scheidung klare Verhältnisse schaffen sollte, sondern insbesondere auch - wie auch die weitere Entwicklung gezeigt hat - geeignet war, der bis dahin durch eine Vielzahl von Trennungen geprägten Ehe für annähernd 10 Jahre eine gewisse Stabilität zu verschaffen.

Die Antragstellerin hatte im Falle der Ablehnung der Unterzeichnung des Ehevertrages auch keine unzumutbaren Nachteile zu befürchten. Eine soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit lag nicht vor, die Mitarbeit in der Praxis des Antragsgegners reicht dafür nicht aus (vgl. BGH NJW 2005, 1370, 1372). Die Antragstellerin verfügte über eine abgeschlossene Ausbildung, und es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht auch in anderen Kanzleien als Steuerfachgehilfin hätte arbeiten können. Darüber hinaus standen ihr im Falle der Trennung und der Scheidung die gesetzlichen Unterhaltsansprüche zu.

Auch die von der Antragstellerin behauptete Drohung des Antragsgegners, den Unterhalt für den gemeinsamen Sohn nicht mehr zahlen zu wollen, kann eine Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht rechtfertigen. O war bei Abschluss des Vertrages bereits volljährig und deshalb grundsätzlich verpflichtet, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Für den Fall einer Ausbildung stand ihm ein Unterhaltsanspruch zu, der ggf. gerichtlich geltend gemacht werden konnte.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Ehevertrag auch Vorteile für die Antragstellerin bot. Der Antragsgegner hatte erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber den Eheleuten L, was durch die vorgelegten Vertragsurkunden belegt wird; nach unwidersprochenem Vortrag des Antragsgegners war deshalb auch die Antragstellerin an einer Gütertrennung interessiert, und mit dem festgelegten und auch gezahlten Zugewinn von 20.000,00 DM konnte sie für den Fall der Scheidung eine geeignete Vorsorge treffen.

c)

Auch der Inhalt des Ehevertrages ist nicht im Sinne von § 138 BGB sittenwidrig.

aa)

Der zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählende Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) ist im vorliegenden Fall nicht betroffen. Der volljährige Sohn bedurfte keiner Betreuung mehr, und weitere Kinder waren offenbar nicht geplant.

bb)

Auch der Verzicht auf Unterhalt wegen Alters oder Krankheit (§§ 1571 f. BGB) führt nicht zu einer Sittenwidrigkeit des Vertrages. Zwar misst das Gesetz diesen Unterhaltsansprüchen als Ausdruck nachehelicher Solidarität eine besondere Bedeutung zu, doch ist auch insoweit eine vertragliche Disposition grundsätzlich möglich. Im vorliegenden Fall liegt ein Verstoß gegen die guten Sitten schon deshalb nicht vor, weil im Zeitpunkt des Vertragesschlusses noch gar nicht absehbar war, ob wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten eine Bedürftigkeit eintreten könnte (vgl. hierzu BGH NJW 2005, 1370, 1372). Da die Antragstellerin bei Vertragsschluss erst 36 Jahre alt war, hatte sie noch ausreichend Gelegenheit, Vorsorge zu treffen. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin bei Vertragsschluss in der Praxis des Antragsgegners nur geringfügig beschäftigt war. Jedenfalls ab Juli 2000 war die Antragstellerin sozialversicherungspflichtig tätig und es wurden Beiträge in den gesetzliche Rentenversicherung abgeführt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin gehindert war, schon vorher eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass zu Gunsten der Antragstellerin zwei Lebensversicherungen abgeschlossen waren und sie außerdem über eine Eigentumswohnung verfügte. Die Eigentumswohnung ist zwar auch heute noch mit rund 50.000,00 € belastet; bei einem von der Antragstellerin behaupteten Wert von 100.000,00 € verbleibt jedoch im Falle eines Verkaufs ein erheblicher Überschuss, mit dem der Unterhalt zumindest vorübergehend gesichert werden kann.

cc)

Auch gegen den Ausschluss des Unterhalts wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Dieser Unterhaltsbestand ist nachrangig, da nach dem Gesetz das Risiko der Erwerbslosigkeit ohnehin auf den Berechtigten verlagert wird, sobald dieser eine nachhaltig gesicherte Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (§ 1573 Abs. 4 BGB, vgl. BGH NJW 2004, 930, 934). Darüber hinaus sind berufliche Nachteile nicht substantiiert dargelegt worden. Da die Antragstellerin über eine (in der Ehe erworbene) Berufsausbildung sowie langjährige Berufserfahrung verfügte, gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht vorlagen und der gemeinsame Sohn bereits erwachsen war, standen einer Erwerbstätigkeit nach einer Scheidung keine Hindernisse entgegen.

dd)

Schließlich führt auch der Verzicht auf Aufstockungs- und Billigkeitsunterhalt (§§ 1573 Abs. 2, 1576 BGB) nicht zu einer Sittenwidrigkeit des notariellen Ehevertrages. Diese Unterhaltspflichten sind vom Gesetz am schwächsten ausgestaltet und können sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vertraglich geregelt werden (BGH NJW 2004, 930, 934; NJW 2005, 1370, 1372).

d)

Der zwischen den Parteien vereinbarte Verzicht hält auch einer Ausübungskontrolle stand, § 242 BGB; der Antragsgegner missbraucht seine ihm eingeräumte Rechtsmacht nicht, wenn er sich auf die vertraglichen Regelungen im Ehevertrag beruft.

Gegenwärtig kommt nur ein Unterhaltanspruch wegen Erwerbslosigkeit oder Aufstockungsunterhalt in Betracht. Dass die gegenwärtige Situation der Antragstellerin grundlegend von derjenigen abweicht, die die Parteien beim Abschluss des Ehevertrages im Jahr 1993 zugrunde gelegt haben, kann nicht festgestellt werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Behauptung der Antragstellerin, sie könne aufgrund des psychischen Drucks die Arbeit einer Steuerfachgehilfin nicht mehr ausführen, zutrifft. Jedenfalls ist die Antragstellerin weiterhin in der Lage, eine vollschichtige Tätigkeit auszuführen. Dies wird bereits dadurch belegt, dass sie zwischenzeitlich als freie Handelsvertreterin tätig war. Dass sie wegen der behaupteten Erkrankung Gehaltseinbußen hinnehmen muss, ist nicht mit ausreichender Substanz dargetan worden.

Auch eine erhebliche und von den Parteien nicht vorhergesehene Einkommenssteigerung auf Seiten des Antragsgegners mit der Folge, dass der Antragstellerin ein Festhalten an der ehevertraglichen Regelung nicht mehr zumutbar wäre, kann nicht festgestellt werden. Das Einkommen des Antragsgegners zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses betrug nach Angaben der Antragstellerin brutto etwa 90.000,00 bis 100.000,00 DM im Jahr. Dem steht ausweislich der Jahresabschlüsse für die Jahre 2002 bis 2004 ein durchschnittlicher Gewinn von 54.810,00 € gegenüber, von dem die Einkommensteuer sowie die Kosten für die Kranken- und die Lebensversicherung in Abzug zu bringen sind. Eine unverhältnismäßige Einkommenssteigerung kann deshalb keinesfalls festgestellt werden. Das gilt im Übrigen selbst dann, wenn das von der Antragstellerin behauptete Jahreseinkommen von 80.000 € unterstellt wird, denn auch dann läge keine unerwartete Entwicklung vor, die zu einer Anpassung des Ehevertrages führen müsste. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der (unterstellten) Einkommenssteigerung durch die allgemeine Preissteigerung bedingt ist und dass mit einer im Grundsatz positiven Entwicklung der Steuerberaterpraxis des Antragsgegners von vornherein gerechnet werden musste.

Ob die Altersversorgung einen von den Vorstellungen der Parteien abweichenden Verlauf genommen hat, kann hier dahin stehen. Dies wäre nur dann von Bedeutung, wenn die Klägerin Altersvorsorgeunterhalt geltend machen würde, was aber nicht der Fall ist.

2.

Auch der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs ist zurückzuweisen.

Der grundsätzlich (§§ 1408 Abs. 2, 1587 o BGB) einer vertraglichen Disposition zugängliche Versorgungsausgleich gehört ebenso wie der Altersvorsorgeunterhalt zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrecht und unterliegt damit einer Wirksamkeitskontrolle.

Im vorliegenden Fall ist aber bereits eine unangemessene Benachteiligung der Antragstellerin nicht erkennbar. Der Antragsgegner leistete ausweislich des in der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 7.12.2004 dokumentierten Versicherungsverlaufs nur bis zum 30. 6. 1980 Pflichtbeiträge und war bereits bei Abschluss des Ehevertrages selbständig. Deshalb ist davon auszugehen, dass er bis zum Abschluss des Ehevertrages jedenfalls keine wesentlich höheren Rentenanwartschaften als die Antragstellerin erworben hatte, so dass der Ehevertrag insoweit keine Nachteile für die Antragstellerin beinhaltet.

Eine Anpassung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt einer Ausübungskontrolle kommt gleichfalls nicht in Betracht. Bei Abschluss des notariellen Vertrages sind die Parteien davon ausgegangen, dass der Antragsgegner auch in Zukunft nicht abhängig beschäftigt sein werde; diese Erwartung hat sich in der nachfolgenden Ehezeit erfüllt.

3.

Die Widerklage des Antragsgegners hat Erfolg.

Die Widerklage ist zulässig, weil sie sachdienlich ist, § 533 ZPO. Der Streitstoff ist mit demjenigen der Klage identisch, und die Zulassung ist geeignet, einen weiteren Prozess zu verhindern. Ein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin den geltend gemachten Unterhalt in ihrem Antrag ausdrücklich als Teilbetrag bezeichnet hat und deshalb der Antragsgegner ohne die beantragte Feststellung befürchten müsste, erneut auf Nachscheidungsunterhalt in Anspruch genommen zu werden.

Die Widerklage ist auch begründet, denn aufgrund der obigen Darlegungen steht fest, dass der Antragstellerin auch über den mit der Klage geltend gemachten Teilbetrag hinaus kein Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt zusteht.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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