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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: 4 UF 79/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.1.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund (Aktenzeichen 170 F 1730/03) abgeändert.

Das Versäumnisurteil vom 10.9.2003 wird teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des gesetzlichen Vertreters folgende monatliche Unterhaltszahlungen zu leisten:

Juli und August 2003: je 146,00 €

September bis Dezember 2003: je 66,00 €

ab Januar 2004: je 136,00 €

Die bis einschließlich Januar 2005 fällig gewordenen Monatsraten sind jeweils ab dem dem jeweiligen Monatsersten folgenden Werktag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 71 % und die Beklagte 29 % zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden zu 69 % dem Kläger und zu 31 % der Beklagten auferlegt; hiervon ausgenommen sind die Kosten der Säumnis der Beklagten, die die Beklagte allein trägt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Wegen der Frage, ob und in welcher Höhe der Barunterhaltsbedarf der Tochter E der Beklagten bei der Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten zu berücksichtigen ist, wird die Revision zugelassen.

Gründe: I. Der am 26.7.1991 geborene Kläger ist der Sohn der Beklagten. Als Schüler verfügt er über kein eigenes Einkommen. Die Ehe der Kindeseltern wurde durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 3.6.1997 geschieden. Aus dieser Ehe sind insgesamt 5 Kinder hervorgegangen, von denen heute noch zwei minderjährig sind. Während der Kläger bei seinem Vater lebt, wird die am 19.7.1988 geborene Tochter E von der Beklagten versorgt. Der Vater des Klägers bezieht eine Knappschaftsrente sowie eine Betriebsrente der Fa. T. Eine gegen ihn gerichtete Unterhaltsklage seiner Tochter E wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Beklagte hat eine abgeschlossene Ausbildung als Fleischfachverkäuferin. Seit Januar 2003 war sie zunächst arbeitslos und bezog Arbeitslosenhilfe. Seit dem 16.6.2003 ist sie als Verkäuferin für den Rewe-Lebensmittelkonzern tätig. Nachdem sie zunächst versuchsweise vollschichtig gearbeitet hatte, war sie ab September 2003 halbschichtig tätig. Seit dem 1.4.2004 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 28 Stunden. Der Kläger, der noch bis Juni 2003 Leistungen von der Unterhaltsvorschusskasse in Höhe von monatlich 150,00 € bezog, begehrt die Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Regelbedarfs ab März 2003. Die Beklagte hat behauptet, dass ihr eine weitere Ausweitung der Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei. Sie habe am linken Mittelfussknochen und am rechten Arm Trümmerbrüche erlitten. Außerdem befinde sie sich wegen Depressionen in neurologischer Behandlung. Durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts vom 10.9.2003 ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger für den Zeitraum von März bis einschließlich Juni 2003 eine Unterhaltsrente in Höhe von 228,00 € und ab Juli 2003 in Höhe von 269,00 € zu zahlen. Nach fristgerechtem Einspruch des Beklagten hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil teilweise - in Höhe von monatlich 20,00 € ab Juli 2003 - aufrechterhalten und die Klage im übrigen unter Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bis einschließlich Juni 2003 bestehe ein Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit nicht. Ein Verstoß gegen Erwerbsobliegenheiten liege nicht vor. Da die Beklagte eine neue Anstellung gefunden habe, könne von ausreichenden Bemühungen um eine Arbeitsstelle ausgegangen werden. Ab Juli 2003 sei die Beklagte teilweise als leistungsfähig anzusehen. Ihr sei insoweit zumutbar gewesen, eine 2/3-Stelle anzunehmen. Eine Verpflichtung zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit habe nicht bestanden, da sie zum einen ein minderjähriges Kind zu betreuen habe und auch gesundheitliche Umstände entgegen stünden. Ausgehend vom derzeitigen Einkommen könne die Beklagte einschließlich der Sonderzahlungen ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.140,00 € erzielen. Hinzuzurechnen sei das Kindergeld von 154,00 €. In Abzug zu bringen seien Fahrtkosten in Höhe von 50,00 € sowie der Unterhalt für das im Haushalt der Beklagten lebende Kind E in Höhe 384,00 € (135 % des Regelbetrages). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Zahlung von Unterhalt in Höhe des Regelbedarfs. Er vertritt die Auffassung, dass die Beklagte die fehlende Leistungsfähigkeit nicht dargetan habe. Gesundheitliche Hindernisse seien nicht substantiiert vorgetragen worden, so dass die Beklagte vollschichtig arbeiten könne. Für die Betreuung von E dürfe der Tabellenunterhalt nicht vom Einkommen der Beklagten abgezogen werden, wenn gleichzeitig dem Kläger nur 20,00 € zugesprochen würden. Der Kläger beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Versäumnisurteil vom 10. 9. 2003 aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, dass der Beklagte ab März 2003 verurteilt wird, an den Kläger einen monatlichen Unterhalt von 284,00 € zu zahlen, zuzüglich jeweils 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf jeweils 228,00 € monatlich ab dem jeweiligen Monatsersten für März bis Juni 2003 und auf jeweils 284,00 € monatlich ab dem jeweiligen Monatsersten seit Juli 2003. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte meint, dass ihr eine vollschichtige Tätigkeit nicht zugemutet werden könne. Ein entsprechender Versuch Mitte 2003 habe abgebrochen werden müssen. Der Senat hat zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Beklagten Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. I vom 7.10.2004 verwiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen. II. Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Ein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt besteht in dem ausgeurteilten Umfang nach § 1601 BGB. Der minderjährige Kläger ist noch Schüler und außerstande, sich selbst zu unterhalten, 1602 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist jedoch nur teilweise leistungsfähig. Sie kann aus ihrem Einkommen den geltend gemachten Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages nach der Düsseldorfer Tabelle nur teilweise aufbringen. 1. Zeitraum März bis Mai 2003 Ein Unterhaltsanspruch besteht nicht, denn die Beklagte war in diesem Zeitraum nicht leistungsfähig. Sie bezog Arbeitslosenhilfe in Höhe von durchschnittlich 573,30 € im Monat. Mit dem Amtsgericht ist davon auszugehen, dass der Beklagten ein Verstoß gegen ihre Erwerbsobliegenheit nicht vorgeworfen werden kann. Da sie bereits im Juni 2003 wieder eine Anstellung gefunden hat, können entsprechende Bemühungen um einen Arbeitsplatz unterstellt werden. Im übrigen wäre der Kläger auch nicht aktivlegitimiert, weil er noch Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezogen hat (§ 7 Abs. 1 UVG). 2. Juni 2003 Für diesen Zeitraum ergibt sich rechnerisch ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 74,00 €, doch auch insoweit fehlt es aufgrund der oben genannten Erwägung an der Aktivlegitimation des Klägers. Die Beklagte war seit dem 16.6.2003 wieder erwerbstätig. Die zunächst bis zum Monatsende gezahlte Arbeitslosenhilfe muss von der Beklagten, wie im Senatstermin klargestellt worden ist, teilweise zurückgezahlt werden, so dass nur von einem Einkommen von 286,65 € auszugehen ist (573,30 € monatliche Arbeitslosenhilfe : 2). Hinzuzurechnen ist ein Nettoeinkommen für den Rest des Monats von rund 714,00 € (Bruttoeinkommen von 973,00 € abzüglich Steuern, Sozialversicherung und Monatsticket). Unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 840,00 € stehen lediglich 160,65 € (286,65 € + 714,00 € - 840,00 €) für Unterhaltszwecke zur Verfügung, wovon ein Teilbetrag von (rund) 87 € auf den Barunterhaltsbedarf der Tochter E der Beklagten entfällt, so dass für den Unterhalt des Klägers nur noch 74,00 € verfügbar sind. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann bei der Beklagten für die Versorgung des Kindes E kein Abzug in Höhe des Tabellenbetrages vorgenommen werden. Vielmehr ist der den Selbstbehalt übersteigende Betrag unter den beiden minderjährigen Kindern aufzuteilen. Für die (bloße) Betreuung eines Kindes darf zwar grundsätzlich kein Abzug vom Einkommen des Betreuenden vorgenommen werden (vgl. Johannsen/Henrich-Graba, Eherecht, 4. Auflage 2003, § 1603 BGB Rn. 22; BGH FamRZ 1991, 182 ff.), weil hierdurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils nicht beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Fall leistet die Beklagte für E neben der Betreuung jedoch auch vollständig den Barunterhalt, weil der Vater des Klägers nicht leistungsfähig ist. Diese Konstellation ist wie ein Mangelfall zu behandeln, bei dem der zur Verfügung stehende Betrag entsprechend den am Existenzminimum orientierten Einsatzbeträgen aufzuteilen ist (vgl. Erman-Hammermann, BGB, 11. Auflage, § 1603 Rn. 84). Dies erfordert die Gleichrangigkeit der Unterhaltsansprüche der Kinder (§ 1609 BGB) und ihre Gleichwertigkeit im Familienverbund. Die Beklagte muss tatsächlich den materiellen Unterhaltsbedarf der bei ihr lebenden Tochter E decken, weil der Kindesvater mangels Leistungsfähigkeit den Barunterhalt für sie nicht zu leisten vermag. Dieser tatsächlichen Unterhaltsbelastung kann sich die Kindesmutter im Interesse des zwingend von den Kindeseltern zu beachtenden Kindeswohls nicht in zumutbarer Weise entziehen. Die Situation des Klägers ist vergleichbar. Auch hier muss der Kindesvater mangels Leistung von Barunterhalt durch die Beklagte trotz seiner bescheidenen Einkünfte die tatsächliche materielle Versorgung des Klägers übernehmen. Eine Mangelverteilung in dieser Lage führt zu dem angemessenen Ergebnis, dass entsprechend den Verhältnissen in einer intakten Familie die Kindeseltern solidarisch für die gleichmäßige Versorgung ihrer gemeinsamen Kinder zur Sicherung ihrer materiellen Existenzgrundlage aufkommen. Der vom Amtsgericht vorgenommene Abzug des Tabellenbetrags (abzüglich Kindergeld) verstößt gegen den Grundsatz der Gleichrangigkeit der Geschwister, zumal gerade angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beklagten tatsächlich in entsprechendem Umfang reduziert wird. Nach Auffassung des Senates ist es deshalb geboten, die zur Mangelverteilung entwickelten Grundsätze (vgl. Ziffer 23 der Hammer Leitlinien, Stand 1.7.2003) entsprechend anzuwenden. Die der 6. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1. 1. 2002) entnommenen Einsatzbeträge belaufen sich auf 308,00 € für den Kläger und 364,00 € für seine Schwester E. Die Mangelquote beträgt bei einer Leistungsfähigkeit von 160,65 € rund 24 % (160,65 € : 672,00 € Summe der Einsatzbeträge). Damit ergibt sich für den Kläger ein rechnerischer Anspruch in Höhe von rund 74,00 € (24 % des Einsatzbetrages von 308,00 €). Da jedoch der Kläger im Monat Juni 2003 noch Leistungen in Höhe von 150,00 € von der Unterhaltsvorschusskasse erhielt, ist eine Aktivlegitimation nicht gegeben. 3. Juli und August 2003 Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 146,00 €. Die Beklagte hat in diesen Monaten versuchsweise vollschichtig gearbeitet und durchschnittlich 1.170,13 € netto verdient. Werden davon die Kosten für das Monatsticket von 37,50 € in Abzug gebracht, verbleibt ein Betrag von rund 1.132,00 €. Unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 840,00 € stehen 292,00 € für Unterhaltszwecke zur Verfügung. Davon steht dem Kläger nunmehr die Hälfte zu, denn er hat jetzt das 12. Lebensjahr vollendet und ist ebenso wie seine Schwester E der 3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle zuzuordnen. Damit ist der zur Verfügung stehende Unterhaltsbetrag zwischen beiden Geschwistern hälftig zu teilen; der Unterhaltsanspruch des Klägers beträgt 146,00 €. Das Einkommen der Beklagten ist ungeachtet der von ihr geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig in die Abrechnung mit einzubeziehen, denn die Beklagte hat gem. § 1603 Abs. 2 BGB alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt zur Verfügung zu stellen. 4. September bis Dezember 2003: Der Unterhaltsanspruch des Klägers beläuft sich nunmehr auf monatlich 66,00 €. Die Beklagte war in dieser Zeit lediglich halbschichtig tätig. Damit hat sie ihre Erwerbsobliegenheit verletzt. Wie sich aus dem Sachverständigengutachten vom 7.10.2004 ergibt, kann die Beklagte ihre Tätigkeit in der Fleischerei trotz der gesundheitlichen Einschränkungen 30 Stunden in der Woche ausüben. Dafür spricht auch, dass die Beklagte seit April 2004 ausweislich der vorgelegten Verdienstbescheinigungen in der Lage war, die Arbeitszeit auf monatlich 121,33 Stunden bzw. wöchentlich rund 28 Stunden auszudehnen. Die Beklagte ist deshalb so zu stellen, als habe sie bereits ab September 2003 eine wöchentliche Arbeitszeit von 28 Stunden gehabt. Eine weitere Ausdehnung der Arbeitszeit ist dagegen nicht zumutbar. Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist eine Ausdehnung der Arbeitszeit auf über 30 Stunden in der Woche nicht möglich. Die Beklagte leidet insbesondere unter den Folgen einer Mittelfußköpfchenfraktur, die einer rein stehenden Tätigkeit entgegensteht. Die Feststellungen der Gutachterin sind insgesamt überzeugend und werden von den Parteien auch nicht mit Substanz angegriffen. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus den Folgen einer Radiusköpfchen-Trümmerfraktur sowie den Spondylarthrosen der Wirbelsäule. Die Beklagte muss das Tragen von schweren bis mittelschweren Lasten und auch regelmäßige Überkopfarbeiten vermeiden. Rückenbelastende Tätigkeiten, die mit einseitiger Körperhaltung oder häufigen Heben oder Tragen verbunden sind, sind nicht mehr zumutbar. Der Beklagten kann schließlich auch nicht zugemutet werden, ihre Arbeitsstelle in der Fleischerei aufzugeben und eine vollschichtige leichtere Tätigkeit zu suchen. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens kommt eine derartige Tätigkeit zwar in Betracht, sofern nicht eine depressive Erkrankung dem entgegen steht. Dem Senat ist jedoch aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass ein höheres Nettoeinkommen für im Sitzen ausgeübte Tätigkeiten, die dem Ausbildungsstand der Beklagten als Fachverkäuferin entsprechen, praktisch nicht erreichbar ist. Die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, sich auf andere Stellen zu bewerben, in denen lediglich eine leichte Tätigkeit verlangt wird. Zwar könnte die Beklagte nach dem Sachverständigengutachten wöchentlich noch zwei Stunden mehr arbeiten. Dabei wird jedoch noch nicht berücksichtigt, dass sich die Beklagte außerdem in einer neurologischen Behandlung befindet. Nach der Bescheinigung des praktischen Arztes B vom 16.6.2004 finden deshalb weiterhin therapeutische Gespräche statt. Ein Wechsel der Arbeitsstelle mit dem Ziel, die wöchentliche Arbeitszeit um zwei Stunden auszudehnen, kann der Beklagten bei Abwägung aller Umstände nicht zugemutet werden. Damit ist die Beklagte so zu behandeln, als habe sie bereits ab September 2003 ihr späteres Gehalt von brutto 1.453,00 € erzielt. Bei dem im Jahr 2003 geltenden Steuersätzen ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von rund 1.009,00 € auszugehen. Wird von diesem Einkommen das Monatsticket mit 37,50 € in Abzug gebracht, bleibt ein bereinigtes Einkommen von 971,50 €. Unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 840,00 € stehen für Unterhaltszwecke 131,50 € zur Verfügung. Dem Kläger steht davon die Hälfte zu, gerundet 66,00 €. 5. Ab Januar 2004: Der Unterhaltsanspruch des Klägers beträgt 136,00 € monatlich. Die Beklagte erzielte im Jahr 2004 ausweislich der Dezemberabrechnung ein zu versteuerndes Jahreseinkommen in Höhe von 17.292,00 €. Da sie in den ersten drei Monaten des Jahres nur halbschichtig gearbeitet hat, obwohl ihr eine höhere Stundenzahl zumutbar war, ist das Jahreseinkommen fiktiv um einen Bruttobetrag von 1.323,00 € (441,00 € x 3 Monate) zu erhöhen. Die monatliche Differenz der in der Dezemberabrechnung für 2004 und dem in der Septemberabrechnung 2003 bescheinigten Bruttoeinkommen beträgt 441,00 € brutto. Ausgehend von einem fiktiven Bruttoeinkommen von 18.615,00 € ergibt sich nach den im Jahr 2004 geltenden Steuersätzen ein Jahresnettoeinkommen von 12.875,21 €. Hinzuzurechnen ist der steuerfrei gewährte Warengutschein über 450,00 € sowie eine fiktive Steuererstattung für das Jahr 2003. Der Senat schätzt den Erstattungsbetrag, der sich unter Berücksichtigung der erheblichen Inanspruchnahme von Lohnersatzleistungen ergibt, auf 460,00 €. Die Beklagte war verpflichtet, mögliche Steuervorteile in Anspruch zu nehmen (vgl. Nr. 1.7 der Hammer Leitlinien, Stand 1.7.2003) und musste deshalb eine Steuererklärung abgeben. Da sie dies unterlassen hat, ist ihr fiktiv eine entsprechende Erstattung zuzurechnen. Damit ergibt sich für das Jahr 2004 ein Einkommen in Höhe von 13.785,21 € (12.875,21 € + 450,00 € Warengutschein + 460,00 € fiktive Steuererstattung) und ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.148,77 €. Wird demgegenüber das Monatsticket mit 37,50 € in Abzug gebracht, ist die Beklagte in Höhe von rund 271,27 € (1.148,77 € - 37,50 € - 840,00 €) leistungsfähig. Der Unterhaltsanspruch des Klägers beträgt gerundet 136,00 €. Für das Jahr 2005 ist das Einkommen der Beklagten aus 2004 fortzuschreiben. Der Darstellung der Beklagten, der Warengutschein sei ein Ausgleich für das in 2003 nicht gezahlte Weihnachtsgeld und falle deshalb in 2005 nicht mehr an, vermag der Senat - zumal auch die Prognose der Beklagten, sie werde in 2004 keine Sonderzahlungen erhalten, widerlegt worden ist - nicht zu folgen, denn hierfür findet sich in der maßgeblichen Verdienstabrechnung keinerlei Anhaltspunkt. Eine möglicherweise geringer ausfallende Steuererstattung wird durch die Steuerreform und eine zu erwartende Lohnerhöhung teilweise kompensiert. Außerdem kann die Beklagte im laufenden Jahr in die günstigere Steuerklasse II wechseln. 6. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte wurde durch das anwaltliche Schreiben vom 24.2.2003 in Verzug gesetzt. 7. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 344 ZPO, während die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 708 Nr. 10, 711 ZPO beruht. 8. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen worden, da die Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen durch Barunterhaltsleistungen für von ihm betreute Kinder beeinträchtigt wird, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden worden.

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