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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.01.2009
Aktenzeichen: 4 Ws 1/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 b
StGB § 56 c
StGB § 56 f
Unter Weisungen sind nur solche Vorgaben an die Lebensführung zu verstehen, die unter § 56 c StGB fallen.
Beschluss

Strafvollstreckungssache

gegen W. M.,

wegen Diebstahls,

hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 1./8. Dezember 2008 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 27. November 2008 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 8. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird auf Kosten der Staatskasse aufgehoben, die auch die dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat.

Der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht Halle hat den Beschwerdeführer am 18. Juli 2008 wegen Diebstahls unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Herford vom 5. Mai 2008 3 Cs 437/08 44 Js 861/08 StA Bielefeld zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Das Urteil ist seit dem 26. Juli 2008 rechtskräftig. Der Bewährungsbeschluß des Amtsgerichts Halle enthält folgende Bestimmungen:

Die Bewährungszeit beträgt 5 Jahre.

In der Bewährungszeit hat der Verurteilte sich einwandfrei, insbesondere straffrei zu führen und jeden Wohnungswechsel unverzüglich zu den Akten 6 Ds 44 Js 468/08 ä 541/08 des Amtsgerichts Halle/Westfalen anzuzeigen.

Er hat binnen 9 Monaten ab Rechtskraft des Urteils zunächst an Frau An. 250,00 Euro Schadensersatz zu leisten (Ratenzahlung mindestens 125,00 Euro pro Monat); sodann eine Geldbuße von weiteren 750,00 Euro an die Landeskasse NRW, Konto XXXXXXXX, BLZ 440 100 46 (Postbank Dortmund) in monatlichen Raten von mindestens 125,00 Euro zu zahlen. Alternativ kann er auch 100 Stunden gemeinnützig arbeiten, wobei mindestens 12,5 Stunden pro Monat zu erbringen sind. Die Zahlung oder die Ableistung der Arbeitsauflagen ist mindestens vierteljährlich zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. jedes Jahres dem Gericht unaufgefordert nachzuweisen.

Ihm wird Herr Mo. von der Bewährungshilfe Bielefeld beigeordnet. Zu der Bewährungshilfe hat der Verurteilte regelmäßig Kontakt zu halten.

Der Verurteilte hat in der Zeit vom 15. September bis zum 18. Dezember 2008 zwei Ersatzfreiheitsstrafen in den Justizvollzugsanstalten Bielefeld Brackwede II bzw. Büren verbüßt, wobei die Haft unterbrochen war in der Zeit vom 19. Oktober bis zum 4. November 2008, in der der Verurteilte abgängig war.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat unter dem 20. November 2008 wegen gröblichen und beharrlichen Auflagenverstoßes den Widerruf der Bewährung beantragt, dem die Strafvollstreckungskammer nach mündlicher Anhörung des Verurteilten durch den angefochtenen Beschluss entsprochen hat. Gegen diesen, dem Verurteilten am 2. Dezember 2008 zugestellten Beschluss richtet sich seine sofortige Beschwerde vom 1. bzw. 8. Dezember 2008, die jeweils einen Tag später bei dem Landgericht Paderborn eingegangen sind.

II. Auf die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde war der angefochtene Beschluss aufzuheben, weil derzeit noch kein ausreichender Widerrufsgrund gegeben ist.

Nach § 56 f Abs. 1 StGB widerruft das Gericht eine Strafaussetzung, wenn der Verurteilte

1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,

2. gegen Weisungen gröblich und beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird, oder

3. gegen Auflagen gröblich und beharrlich verstößt.

Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls derzeit noch nicht vor.

Dass der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begangen hätte, ist auf der Grundlage des Kenntnisstandes des Senats nicht feststellbar, der Widerruf ist auf eine solche auch nicht gestützt.

Ebenfalls liegt eine gröblicher und beharrlicher Weisungsverstoß derzeit nicht vor. Unter Weisungen sind nur solche Vorgaben an die Lebensführung zu verstehen, die unter § 56 c StGB fallen. Um eine solche, nach § 56 c StGB erteilte Weisung handelt es sich bei der Verpflichtung des Verurteilten, jeden Wohnsitzwechsel dem Gericht mitzuteilen, aber gerade nicht. Kennzeichen einer Weisung nach § 56 c StGB ist, dass ihre Anordnung Einfluß auf die Lebensführung des Verurteilten nimmt, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten und seine Resozialisierung zu ermöglichen. Eine solche Qualität besitzt die Verpflichtung, Wohnsitzwechsel bei Gericht anzuzeigen, nicht. Diese Verpflichtung dient allein der Erleichterung der behördlichen Bewährungsüberwachung, nimmt aber keinen Einfluß auf die Lebensführung des Verurteilten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 55. Aufl. § 56 c Rdnr. 6; Schönke/Schröder Stree, StGB, 27. Aufl., § 56 c Rdnr. 6). Ein Bewährungswiderruf kann daher auf gegen sie gerichtete Verstöße nicht gestützt werden (OLG Köln NStZ 94, 509 f., SchlH OLG bei Döllel und Dreeßen, Aus der Rechtsprechung der Strafsenate und der Senate für Bußgeldsachen des Schleswig Holsteinischen Oberlandesgerichts im Jahre 2004, SchlHA 2005, 254 (255), Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2003 4 Ws 683 u. 684/03).

Ebenso wenig ist derzeit feststellbar, dass sich der Verurteilte beharrlich der Aufsicht und Leitung seines Bewährungshelfers entzogen hätte. Das setzt ein wiederholtes oder länger andauerndes Verhalten voraus, das dem Bewährungshelfer eine Einflussnahme auf den Verurteilten unmöglich macht. Vorliegend hatte sich der Verurteilte bereits am 22. Juli 2008 und somit vier Tage nach Urteilsverkündigung bei seinem Bewährungshelfer telefonisch gemeldet. Bereits am 25. Juli 2008 kam es zu einem Hausbesuch des Bewährungshelfers. Zum verabredeten folgenden Gesprächstermin ist der Verurteilte zwar nicht erschienen, er meldete sich jedoch am 6. August 2008 im Büro des Bewährungshelfers, nachdem er sich von seiner Freundin getrennt hatte und obdachlos geworden war. Es kam in der Folgezeit offenbar zu weiteren Kontakten mit dem Bewährungshelfer, über Unregelmäßigkeiten bis zum 3. September 2008 ist von diesem jedenfalls nichts berichtet. Am 15. September 2008 meldete sich der Verurteilte bei dem Vertreter seines urlaubsbedingt verhinderten Bewährungshelfers, um mitzuteilen, dass er eine Ladung zum Strafantritt erhalten habe und sich noch am selben Tage in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld Brackwede II stellen wolle. Dieses Vorhaben hat der Verurteilte umgesetzt. Am 18. Oktober 2008 entwich der Verurteilte aus der Strafhaft und stellte sich am 5. November 2008 wieder dem Strafvollzug. Das Strafende zur Verbüßung von zwei Ersatzfreiheitsstrafen war auf den 18. Dezember 2008 notiert. Dieser Ablauf lässt trotz schlechter Erfahrungen mit früheren Bewährungsverläufen jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Feststellung nicht zu, der Verurteilte habe sich beharrlich seinem Bewährungshelfer entzogen.

Soweit der Widerruf auch auf einen gröblichen und beharrlichen Auflagenverstoß gestützt ist, liegt ein Widerrufsgrund ebenfalls nicht vor. Bevor ein solcher in Betracht käme, müßten die gerichtlichen Auflagen Geldzahlung oder soziale Arbeit zunächst durch das die Bewährungsaufsicht führende Gericht ausgewählt und hinsichtlich der Arbeitsauflage konkretisiert werden.

III. Die Kostenentscheidung trägt dem Erfolg des Rechtsmittels Rechnung.

Ende der Entscheidung

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