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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 124/05
Rechtsgebiete: StGB, StPO, MRVG NW


Vorschriften:

StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63
StGB § 67 d Abs. 2
StGB § 67 e Abs. 1
StGB § 67 e Abs. 2
StPO § 154
StPO § 170 Abs. 2
StPO § 454 Abs. 2
StPO § 454 Abs. 2 S. 2
StPO § 463 Abs. 3 S. 3
StPO § 473 Abs. 1
MRVG NW § 14
Prognosegutachten gemäß §§ 67 d Abs. 2, 67 e Abs. 1, 2 StGB dürfen auch durch Psychologen erstattet werden (zu BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2005 - 2 BvR 983/04 -).

Bei der Prognoseentscheidung gemäß §§ 67 d Abs. 2, 67 e Abs.1, 2 StGB sind ggfls. auch solche Verfahren zu berücksichtigen, die gemäß § 170 Abs. 2 StPO oder § 154 StPO eingestellt worden sind.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

4 Ws 124/05 OLG Hamm 4 Ws 126/05 OLG Hamm

Maßregelvollzugssache

wegen Mordes,

hier: Beschwerde gegen die unterbliebene Beiordnung eines Pflichtverteidigers und sofortige Beschwerde gegen die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Auf die einfache und die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11. Februar 2005 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 28. Januar 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 5. April 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Leygraf, den Richter am Oberlandesgericht Duhme und den Richter am Landgericht Schwadrat

nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde und die sofortige Beschwerde werden auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht Köln hat den Beschwerdeführer am 5. Dezember 1986 wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bei Vorwegvollzug der Jugendstrafe angeordnet.

Nach den Urteilsfeststellungen war schon die Kindheit des Verurteilten sehr schwierig verlaufen. Er war im Kindergarten nicht tragbar, mußte zunächst in einer Sonderschule eingeschult werden, wurde auch dort wieder ausgeschult, besuchte sodann eine Grundschule für Erziehungshilfe, konnte in der dritten Klasse in einer Regelgrundschule aufgenommen werden und kam schließlich im Sommer 1981 wegen seiner schweren Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere verweigerter Mitarbeit in der Schule, zur Heimunterbringung. Auch hier hatte er, wie zuvor auf der Realschule, Schwierigkeiten mit seinen Mitschülern, durch die er sich häufig provoziert und gekränkt fühlte. Das galt insbesondere für einen Mitschüler, der mit ihm in einem Zimmer wohnte und der ihm körperlich weit überlegen war. Am 1. November 1981, im Alter von 15 Jahren 7 Monaten, lockte er diesen Mitschüler unter einem Vorwand aus dem Heim und schlug ihn mit 14 Schlägen eines Hammers, den er wenige Tage zuvor aus dem Werkzeugschrank seines Vaters entwendet hatte, den Schädel ein. Der Mitschüler überlebte diese außergewöhnlich brutale Tat. Aufgrund der schweren Verletzungen verlor er ein Auge, ist seitdem geistig behindert und halbseitig gelähmt. Das Strafverfahren gegen den Verurteilten wurde nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil er mangels Reife für die Tat strafrechtlich nicht verantwortlich erschien (§ 3 JGG).

In der Folgezeit lebte der Verurteilte im Elternhaus und verließ die Hauptschule nach der 10. Klasse ohne Abschluß. Eine Arbeitsstelle fand er nicht. Er verbrachte seine Freizeit u.a. mit dem Besuch von Spielhallen.

Der Unterbringung liegt zugrunde, daß er am 23. Februar 1986 den Geschäftsführer einer Spielhalle mit einer Pistole erschossen hatte. Der Verurteilte war an diesem Tag der letzte Gast dieser Spielhalle gewesen. Als der Geschäftsführer zur Toilette gegangen war, entschloß sich der Verurteilte, die Kasse aufzubrechen, wobei er von dem zurückkommenden Geschäftsführer überrascht wurde. Mit der in seinem Ärmel versteckt gehaltenen Pistole, die er zuvor seinem Onkel bei einem Wohnungseinbruch gestohlen und am Tattag mitgeführt hatte, ging er bis auf eine Entfernung von 2 bis 2,5 m auf das Opfer zu und schoß auf dessen Bauch. Anschließend versetzte er ihm einen an die rechte Schläfe unmittelbar aufgesetzten Schuß in den Kopf. Danach brach er die Kasse und mehrere Automaten auf, entnahm das Geld, ließ die Rolläden herunter, löschte das Licht und verließ die Spielhalle. Der äußerlich völlig ruhig wirkende Verurteilte besuchte sodann eine andere Spielhalle, um das erbeutete Geld in größere Scheine wechseln zu lassen. Auch nach seiner späteren Festnahme wirkte der geständige Verurteilte auf die vernehmenden Beamten in einer Weise gefühlskalt und emotionslos, wie diese es vorher noch nicht erlebt hatten.

Nach den in der Hauptverhandlung eingeholten Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Bresser und Schellbach-Matties fehlt dem Verurteilten im emotionalen Bereich in geradezu auffälliger Weise eine gefühlsmäßige Mitschwingungsfähigkeit, seine Persönlichkeitsstruktur, so die Sachverständigen, werde seit seiner frühen Kindheit durch eine extreme Egozentrik verbunden mit einem hohen Geltungsbedürfnis gegenüber seiner Umwelt geprägt. Seine beiden schweren Straftaten habe er ohne jegliche emotionale Resonanz verarbeitet. Aufgrund seiner moralischen Unempfindlichkeit habe ihm die erforderliche Nachdenklichkeit für seine schädigenden Handlungen im Sinne einer "moral insanity"gefehlt. Sein Gefühl für Reue und Schuld sei abgestumpft, seine Hemmschwelle, den Geschäftsführer zu töten, erheblich im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt gewesen. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 StGB sind durch die Sachverständigen bejaht worden, zugleich ist der Vorwegvollzug der Strafe sachverständigenseits befürwortet und durch das Gericht angeordnet worden.

Durch den Jugendrichter des Amtsgerichts Köln ist am 16. Juli 1987 angeordnet worden, daß die Strafe im Erwachsenenvollzug vollstreckt werden solle. Nach längerer Zeit immer wieder erfolgter Überprüfungen, ob der Verurteilte verhaltensbedingt für den Strafvollzug überhaupt tragbar oder in einer Maßregeleinrichtung besser gefördert werden könne, ist schließlich durch Beschluß des Amtsgerichts Rheinbach vom 18. Juli 1991 der Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden. Am 11. Mai 1992 hat der Verurteilte schließlich Aufnahme in der Rheinischen Landesklinik Düren gefunden. Am 17. Dezember 1998 ist er in die Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau und am 11. August 2003 in das Westfälische Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt-Eickelborn verlegt worden. Nunmehr befindet sich der Verurteilte seit dem 7. Januar 2005 in der Westfälischen Maßregelvollzugsklinik Rheine, einer Übergangseinrichtung der Westfälischen Klinik Schloß Haldem.

Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des Westfälischen Zentrums für Forensische Psychiatrie und mündlicher Anhörung des Verurteilten unter Berücksichtigung u.a. des Maßregelvollzugsgutachtens der psychologischen Sachverständigen Kreidt vom 29. Juli 2004 die bedingte Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug abgelehnt.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner fristgerecht eingegangenen sofortigen und einfachen Beschwerde. Mit letzterer rügt er auch, daß ihm kein Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei. Der Senat hat in Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft das Vorbringen des Verurteilten als einfache Beschwerde gegen das Unterbleiben einer Beiordnung eines Pflichtverteidigers ausgelegt, wobei auch berücksichtigt worden ist, daß der Verurteilte in seiner Beschwerdeschrift u.a. beantragt hat, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die 12. große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn anzuweisen, ihm einen Pflichtverteidiger zu bestellen. Das macht deutlich, daß sich der Verurteilte jedenfalls auch gegen das Unterbleiben einer Pflichtverteidigerbeiordnung wenden will. Hinsichtlich der Ablehnung der bedingten Entlassung macht er insbesondere geltend, die angefochtene Entscheidung berücksichtige nicht genügend den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aufgrund der Dauer der Unterbringung komme seinem Grundrecht auf Freiheit eine nunmehr überragende Bedeutung zu. Außerdem rügt er die Grundlagen der getroffenen Entscheidung und die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer zur Gefährlichkeitsprognose als unzureichend. Hierzu vertritt er insbesondere die Ansicht, die Kammer hätte ihre Entscheidung nicht auf das Gutachten einer Psychologin stützen dürfen. Ein solches hätte von einem Facharzt mit psychiatrischer Ausbildung erstattet werden müssen.

II.

1. Soweit sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde gegen das Unterbleiben der Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das vorliegende Überprüfungsverfahren wendet, ist das Rechtsmittel zulässig, aber nicht begründet.

Insoweit liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Mit Verfügung vom 28. September 2004 hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer Paderborn Termin zur Anhörung auf den 19. November 2004 bestimmt. Die Terminsbenachrichtigungen sind am folgenden Tag versandt worden. Unter dem 4. Oktober 2004 meldete sich Rechtsanwalt Dr. Franz als Verteidiger für den Verurteilten, unter dem 15. Oktober 2004 Rechtsanwalt Schierholz, unter dem 4. November 2004 unter Vorlage einer Strafprozeßvollmacht Rechtsanwältin Knecht. Letztere legte das Mandat nach Akteneinsicht am 8. November 2004 wieder nieder mit der weiteren Mitteilung, daß auch ihr Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidigerin damit nach Rücksprache mit dem Verurteilten erledigt sei. Am Schreiben vom selben Tage beantragte der Verurteilte u.a., ihm Rechtsanwältin Knecht als Pflichtverteidigerin beizuordnen. Unter dem 16. November 2004 meldete sich für den Verurteilten Rechtsanwalt Dr. Heinrich, der auf die Aufhebung des Anhörungstermins am 19. November 2004 antrug. Antragsgemäß wurde der Anhörungstermin auf den 28. Januar 2005 verlegt. Am 17. November 2004 meldeten sich mit Vollmacht für den Verurteilten Rechtsanwälte Wolf, Heinemann und Daniels. Rechtsanwalt Dr. Heinrich legte das Mandat mit Schriftsatz vom 25. November 2004, Rechtsanwältin Knecht legte es mit Schriftsatz vom 19. November 2004 erneut nieder. Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2004 teilten Rechtsanwälte Wolf, Heinemann und Daniels mit, das Mandat werde von ihnen nicht übernommen. Alle Verteidiger waren vom Anhörungstermin informiert.

In der mündlichen Anhörung teilte der Verurteilte mit, er habe zur Zeit keinen Verteidiger. Um die Beiordnung eines Pflichtverteidigers oder Verlegung des Termins bat er nicht.

Ein gerichtliches Versäumnis in dem Sinne, daß ein verteidigungsbereiter Rechtsanwalt nicht vom Anhörungstermin informiert worden wäre, liegt damit nicht vor. Der Senat ist auch nicht der Ansicht, daß der Verurteilte ohne Beiordnung eines Verteidigers nicht in der Lage gewesen ist, seine Rechte anläßlich dieses Überprüfungsverfahrens nicht selbst angemessen wahrnehmen zu können. Das ergibt sich schon eindrucksvoll aus den von beachtlicher juristischer Sachkenntnis getragenen Schriftsätzen, die er einerseits schon in der Vergangenheit zahlreich, aber auch in diesem Verfahrensstand selbst verfaßt hat. Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, von welchen maßgeblichen Aktenteilen der Verurteilte keine Kenntnis gehabt haben könnte, um erst über die Akteneinsicht eines Verteidigers eine sachgerechte Verteidigung vornehmen zu können. Aus seiner 27-seitigen Eingabe vom 8. November 2004 ergibt sich jedenfalls das Gegenteil.

2. Auch die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Die Strafvollstreckungskammer hat nach sorgfältiger Darstellung und Abwägung aller maßgeblichen Umstände, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden kann, die bedingte Entlassung des Verurteilten abgelehnt. Während der Zeit der Strafhaft und der Unterbringung ist der Verurteilte durch externe Gutachter begutachtet worden, nämlich durch Prof. Dr. Bresser (Gutachten zur Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge vom 6. April 1988), die Sachverständigen Leptin und Dr. Beine (ebenfalls zur Frage des Vorwegvollzuges der Maßregel vom 3. September 1988), durch Prof. Dr. de Boor (Maßregelvollzugsgutachten vom 17. März 1995), Prof. Dr. Rode (forensisch-psychologisches Maßregelvollzugsgegengutachten vom 16. Juni 1995), durch Frau Dr. Schumann, die aufgrund der Divergenz der Gutachten von Prof. Dr. de Boor und Prof. Dr. Rode ein Obergutachten vom 26. Juni 1996 erstattet hat, durch Prof. Dr. Crome (Maßregelvollzugsgutachten vom 11. November 1998), Prof. Dr. Leygraf (Maßregelvollzugsgutachten vom 16. Juli 2001 und Frau A. Kreidt (Maßregelvollzugsgutachten vom 29. Juli 2004).

Mit Ausnahme von Prof. Dr. de Boor, der die Ansicht geäußert hat, bei dem Verurteilten habe bei der Tat keine forensisch relevante Erkrankung im Sinne des § 20 StGB vorgelegen, so daß sich die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als Fehleinweisung darstelle, sind alle Sachverständigen in Übereinstimmung mit den beteiligten Maßregelvollzugskliniken in ihren jährlichen Stellungnahmen zu dem Ergebnis gekommen, daß beim Verurteilten eine schwerwiegende und forensisch relevante Persönlichkeitsstörung vorliegt, die - mit nur geringen Nuancen - als schwer gestörte narzißtische Persönlichkeit auf Borderline-Niveau mit dissozialen Persönlichkeitszügen bewertet worden ist. Der Verurteilte ist in den nun fast 13 Jahren seiner Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern - nach der Überzeugung des Senats durchaus zu Recht - im Grunde nicht über die geschlossene Aufnahme- und Krisenstation hinausgekommen. Lockerungen konnten bisher nicht gewährt werden, weil der Verurteilte versucht, die Therapiebedingungen zu diktieren und derartige Gespräche zu dominieren. Dabei benutzt er juristische und psychiatrische Diskussionen und Fabulierungen dazu, Blicke auf sein Inneres zu unterbinden. Der Verurteilte ist nahezu von allen diesen Sachverständigen und den beteiligten Kliniken als in hohem Maße rückfallgefährdet und als für die Allgemeinheit gefährlich angesehen worden. Die bedingte Entlassung ist von keinem dieser Sachverständigen ernsthaft auch nur in Erwägung gezogen worden.

Daß die Fortdauer der Unterbringung nicht unverhältnismäßig ist, versteht sich angesichts der im Einweisungsdelikt zum Ausdruck gekommenden Gefährlichkeit von selbst. Tragfähige Erkenntnisse dahingehend, der Verurteilte sei nunmehr für die Allgemeinheit nicht mehr gefährlich, konnten bisher nicht gewonnen werden.

b) Soweit der Verurteilte rügt, das von Frau Kreidt erstattete Maßregelvollzugsgutachten genüge den an ein solches Gutachten von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen nicht, teilt der Senat diese Ansicht nicht.

Das Gutachten mußte - wie auch andere Gutachtungen zuvor - wegen der Weigerung des Verurteilten, an einer Exploration mitzuwirken, als Aktengutachten erstattet werden. Die Sachverständige hat die Grundlagen ihres Gutachtens sorgfältig und ausführlich dargestellt. Der Senat vermag nicht zu erkennen, daß die Sachverständige von falschen oder unvollständigen Tatsachen ausgegangen wäre. Auch das Ergebnis ihres Gutachtens hat sie sorgsam, nachvollziehbar und überzeugend dargelegt und begründet.

Auch der Umstand, daß es sich bei Frau Kreidt um eine Psychologin und nicht um eine Fachärztin für Psychiatrie handelt, führt nicht zu einem für den Verurteilten günstigeren Ergebnis.

Soweit sich der Verurteilte für seine Rechtsansicht, derartige externe Gutachten müßten stets durch einen Facharzt für Psychiatrie erstattet werden, auf einen Aufsatz von Kröber (NStZ 1999, 593 (594 ff.) und auf Nedopil, Forensische Psychiatrie (2. Auflage, Seite 247) bezieht, ist anzumerken, daß sich die zitierten Textpassagen ebenfalls wörtlich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2005 - 2 BvR 983/04 - (veröffentlicht unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20050114_2bvr98304.html) wiederfinden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in jenem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde eines gemäß § 63 StGB untergebrachten Beschwerdeführers zu entscheiden, gegen den im Jahre 1980 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, wegen eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall und wegen Bedrohung, begangen im Zustand einer akuten Schizophrenie, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden war. In Absatz 14 der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den an eine Prognosegutachten zu stellenden Anforderungen ausgeführt:

" bb) Nach sachverständiger Beratung hat der Richter eine eigenständige Prognoseentscheidung zu treffen, bei der er dem ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen hat (vgl. BVerfGE 58, 208 <223>; 70, 297 <310>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 1991 - 2 BvR 1327/89 -, NJW 1992, S. 2344 <2345>). Diese Kontrolle hat sich nicht nur auf das Prognoseergebnis, sondern auch auf die Qualität der gesamten Prognosestellung zu beziehen. Dabei müssen die Gutachter die für die Begutachtung maßgeblichen Einzelkriterien regelmäßig in einem sorgfältigen Verfahren erheben, das die Auswertung des Aktenmaterials, die eingehende Untersuchung des Probanden und die schriftliche Aufzeichnung des Gesprächsinhalts und des psychischen Befundes umfasst und dessen Ergebnisse von einem Facharzt mit psychiatrischer Ausbildung und Erfahrung gewichtet und in einen Gesamtzusammenhang eingestellt werden."

Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung die Gutachtenerstattung durch einen Facharzt mit psychiatrischer Ausbildung und Erfahrung verlangt hat, beruht dieses nach der Überzeugung des Senats entweder auf den Besonderheiten des durch das Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden Falles - bei dem Untergebrachten lag eine akute Schizophrenie und damit eine Erkrankung vor, die allein in das Fachgebiet der Psychiatrie fällt - oder aber auf einer ungewollten Ungenauigkeit in der Abfassung der Beschlußgründe. Der Senat schließt, wie noch ausgeführt wird, aus, daß das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen wollte, daß Prognosegutachten im Maßregelvollzug in allen Fällen nur von Fachärzten für Psychiatrie, nicht aber von Psychologen erstattet werden dürfen.

Eine solche Ansicht findet keine Grundlage im Gesetz. § 454 Abs. 2 StPO, welcher gemäß § 463 Abs. 3 S. 3 StPO auch in den Fällen des § 67 d Abs. 2 StGB anzuwenden ist, verpflichtet lediglich zur Einholung eines "Sachverständigengutachten". Regelungen über die Ausbildung des Sachverständigen enthält die Norm nicht. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ist diese Norm bislang nahezu übereinstimmend dahin ausgelegt worden, daß nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden ist, welcher Sachverständige am ehesten geeignet ist, die in § 454 Abs. 2 S. 2 StPO gestellte Frage zu beantworten (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2000, 125 f.; KK-Fischer, StPO, 5. Auflage, § 454 Rdnr. 12 e; KMR-Stöckel, StPO, 38. Lief., § 454 Rdnr. 30). Die schematische Hinzuziehung eines Psychiaters wird als verfehlt angesehen (vgl. KK-Fischer, a.a.O.).

Auch der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit der Gutachtenerstattung durch kriminologisch erfahrene Psychologen gesehen (vgl. BT-Drucks. 8/3218 S. 9). Zwar mag oftmals die Einholung eines ärztlichen Gutachtens geboten sein, zwingend erforderlich ist das nicht (Löwe-Rosenberg-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 454 Rdnr. 52).

Für eine Auslegung der Norm in diesem Sinne sprechen auch entscheidend die landesgesetzlichen Regeln zur Ausgestaltung des Maßregelvollzuges. Eine extern durchzuführende Begutachtung ist nach den Maßregelvollzugsgesetzen in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt vorgesehen (in Nordrhein-Westfalen gemäß § 16 Abs. 3 MRVG). Jedenfalls in Nordrhein-Westfalen wird diese, wie der Senat aus zahlreichen Überprüfungsverfahren nach §§ 67 d Abs. 2, 67 e Abs. 2 StGB weiß, in Übereinstimmung mit der landesgesetzlichen Regelung entweder durch Fachärzte der Psychiatrie oder aber durch forensisch erfahrene Psychologen durchgeführt.

Die erste gesetzliche Verankerung zur Beiziehung eines externen Gutachters erfolgte durch § 14 MRVG NW i.d.F. von 1984, die damals noch die Verpflichtung zur Beiziehung eines externen ärztlichen Sachverständigen vorsah. Diese Bestimmung ist 1999 (vgl. NW-Drucks. 12/ 3953 S. 43) dahingehend erweitert worden, daß Untergebrachte auch durch nicht-ärztliche Sachverständige begutachtet werden können und ggfls. erforderliche Zweitgutachten von der jeweils anderen Disziplin zu erstellen sind (vgl. § 16 Abs. 3 S. 2 und 5 MRVG NW; der Entwurf hatte noch die Begutachtung durch einen Arzt oder eine Ärztin vorgesehen, vgl. NW-Drucks. 12/3728 S. 16). Die fachliche Gleichstellung von ärztlichen und nicht-ärztlichen Sachverständigen ist begrüßt worden (Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 2. Auflage 2002, Rdn. F 144), da es nicht einsichtig erschien, die externe Begutachtung auf ärztliche Gutachter zu beschränken. Ziel der Änderung - schon 1991 war die Hinzuziehung eines weiteren nicht-ärztlichen Sachverständigen im Bedarfsfall beschlossen worden (vgl. NW-Drucks. 11/2151 S. 12) - war eine enge Kooperation verschiedener Gutachter, wodurch eine umfassendere Einschätzung ermöglicht werden sollte. Die Sichtweise von ärztlichen oder psychotherapeuthischen Sachverständigen kann nämlich unterschiedlich sein, so daß die Beteiligung beider Fachrichtungen eine Einschätzung unter allen relevanten Aspekten, die sich aus der unterschiedlichen Ausbildung und den verschiedenen Heilansätzen ergeben, besser gewährleistet erschien. Die Qualität der Überprüfungsmaßnahmen wurde somit erhöht (vgl. dazu Prütting, MRVG und PsychKG NW, 2004, B. § 16 MRVG Rdnr. 50). Zugleich wurde mit dieser Öffnung auf nicht-ärztliche Sachverständige die ohnehin sehr begrenzte Zahl der geeigneten, weil forensisch erfahrenen Sachverständigen erhöht. Es wurde erreicht, daß durch vielfältige Blickwinkel auf eine Krankheit Lücken in der Beurteilung vermieden worden sind (Prütting, a.a.O.).

Auch der Blick auf den vorliegend zu beurteilenden Fall zeigt deutlich, daß gegen die Begutachtung des Verurteilten d-urch eine forensisch erfahrene Psychologin wie Frau Kreidt keine Bedenken aufkommen können. Die beim Verurteilten vorliegende schwere Persönlichkeitsstörung gehört zumindest gleichrangig zum klassischen Arbeits- und Therapiebereich der Psychologen. Es wäre nicht nachvollziehbar, warum jedenfalls bei Vorliegen einer solchen Erkrankung ein Prognosegutachten nicht auch durch einen forensisch erfahrenen Psychologen erstattet werden können soll, zumal in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl von Gutachten erfahrener und renommierter Psychiater eingeholt worden sind.

Hätte das Bundesverfassungsgericht entgegen der bisherigen Praxis und gesetzlichen Regelung in Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck bringen wollen, daß Prognosegutachten nur von Fachärzten für Psychiatrie erstattet werden dürfen, wäre zu erwarten gewesen, daß dann eine breite Auseinandersetzung mit dieser Praxis, den Vorgaben des MRVG NW und den durch den Landesgesetzgeber verfolgten Zwecken erfolgt wäre. Mit der Frage, warum Psychologen von der Begutachtung eines gemäß § 63 StGB Untergebrachten ausgeschlossen sein sollen, beschäftigt sich der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts jedoch gerade nicht, so daß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein entsprechender Regelungswille nicht entnommen werden kann.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für beide Beschwerden aus § 473 Abs. 1 StPO.

IV.

Abschließend weist der Senat (für die zukünftigen Überprüfungsverfahren) darauf hin, daß kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, daß der Verurteilte einen weiteren (Raub-)Mord am 26. April 1982 an Frau Schubach rechtswidrig begangen hat. Das seinerzeitige Ermittlungsverfahren ist nach Abschluß der Ermittlungen und Anregung eines Haftbefehls durch die Kriminalpolizei am 3. Juni 1986 durch Verfügung des zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft Köln vom 8. Januar 1987 gemäß § 154 StPO eingestellt worden, weil der Verurteilte "wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von 8 Jahren sowie Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - § 63 StGB - verurteilt worden" und es "im Hinblick auf Höhe und Maßregel der vorbezeichneten Verurteilung" "angezeigt" sei, "nach § 154 StPO zu verfahren".

Der Senat hat die entsprechende Ermittlungsakte beigezogen und ausgewertet.

Danach wurde am 26. April 1982 die am 2. März 1914 geborene Inhaberin eines Kurzwarengeschäftes in Köln-Ehrenfeld durch eine Vielzahl von Verletzungshandlungen getötet. Der Tod trat letztlich als Folge des Verblutens ein.

Der Körper des Opfers wies eine Vielzahl von Verletzungen auf, die insgesamt fünf Verletzungsgruppen zugeordnet werden konnten.

Die erste Verletzungsgruppe betraf das linke Auge. Es wurden drei Verletzungen durch ein scharfkantiges Werkzeug, jedoch wohl kein Messer, verursacht.

Die zweite Verletzungsgruppe umfaßt insgesamt 26 voneinander unabhängige Verletzungen im Bereich des Schädeldaches, wobei die Gewalteinwirkung in Form stumpfer Gewalt von vorne, hinten, rechts und links erfolgten, wodurch u.a. auch ein Trümmerbruch des Schädels mit dazu korrespondierenden Verletzungen des Gehirns hervorgerufen wurde. Als Tatwerkzeug kommt ein scharfkantiges, noch als stumpf zu bezeichnendes Instrument in Frage wie etwa eine Flasche oder ein Flaschenboden. Infolge dieser Kopfverletzungen, die dem Opfer im Stehen zugefügt worden sind, ist das Opfer bewußtlos geworden.

Die nächste Verletzungsgruppe findet sich im Bereich des Nackens. Es handelt sich um 13 parallel zueinander stehende Stichverletzungen wahrscheinlich eines einseitig geschliffenen Messers. Drei dieser Stiche endeten an den Knochen der rückwärtigen Partien der Halswirbelsäule im Bereich des ersten und zweiten Halswirbelsäulensegments, wobei davon auszugehen ist, daß hier gezielt versucht wurde, zwischen den Halswirbelkörpern an das Rückenmark zu gelangen und so den Tod herbeizuführen.

Die vierte Verletzungsgruppe befand sich im Lendenwirbelsäulenbereich vorwiegend links und bestand aus acht parallel zueinander stehenden Stichverletzungen aus einem unveränderten Standpunkt des Täters mit identischer Werkzeughaltung.

Letztlich fanden sich zwei Stichverletzungen im Bereich der Rückseite der linken Wade.

Der Täter stahl die Tageseinnahmen aus der Kasse, außerdem wurde der Schlüsselbund des Opfers entwendet.

Die Überzeugung von der Täterschaft des Verurteilten, der zur damaligen Zeit in Köln-Weidenpesch wohnte, gründet sich auf folgender Beweislage:

Ein von mehreren Zeugen beschriebener ca. 14 bis 16 Jahre alter Junge hatte sich am Tattag ab etwa nachmittags im Geschäft der Frau Schubach offenbar ohne Kaufabsicht aufgehalten. Dieser Junge befand sich nach den Ermittlungen auch noch kurz vor Geschäftsschluß im Laden, nachdem der letzte Kunde den Laden verlassen hatte. Aus der Bekleidung des Opfers ist zu schließen, daß es sich auf das Verlassen des Geschäftes vorbereitet hatte. Die Schlösser der Ladentür waren bei von innen steckendem Schlüssel verschlossen. Dies spricht in hohem Maße dafür, daß der noch anwesende Junge die Tat begangen hat.

Der Verurteilte war zur Zeit dieser Tat 16 Jahre ein Monat alt und kommt daher als Täter in Frage.

Von mehreren Zeugen wurde beschrieben, der Junge habe eine anorakartige Jacke von dunkler bzw. blauer Farbei getragen. Eine derartige Jacke, nämlich ein dunkelblaues Dufflecoat besaß der Verurteilte zur damaligen Zeit und hat sie nach eigenen Angaben auch am Tattag getragen.

Bei verschiedenen Wahlgegenüberstellungen wurde der Verurteilte von der Zeugin Drummen "unter Vorbehalt" wiedererkannt. Zwei weitere Zeuginnen, Schött und Nikolin, hatten bei einer zeitnahen Wahlgegenüberstellung jedenfalls eine Ähnlichkeit des Verurteilten mit dem Jungen aus dem Laden festgestellt. Die Zeugin Nikolin hat darüber hinaus bei einer späteren Vernehmung angegeben, sie habe vor ihrer Vernehmung und der Wahlgegenüberstellung den Jungen aus dem Geschäft in einem Raum des 1. Kriminalkommissariats - die Ermittlungen dazu haben ergeben, daß es sich dabei um den Verurteilten gehandelt haben muß - gesehen.

Der Junge soll, so die vernommenen Zeugen, akzentfreies Hochdeutsch gesprochen haben, was beim Verurteilten der Fall ist.

Ein deutliches Indiz dafür, daß es der Verurteilte war, der sich am Tattag bis zum Ladenschluß im Geschäft des Opfers aufgehalten hatte, besteht darin, daß sich dieser Junge in ein Gespräch zwischen dem Opfer und der Zeugin Nikolin über einen geplanten Urlaub an der Ostsee eingemischt und gesagt hatte, dann müßte die Zeugin doch auch Knokke kennen. Auf den Hinweis, daß Knokke nicht an der Ost-, sondern an der Nordsee liege, antwortete der Junge, daß er das immer verwechsele. Tatsächlich hat der Verurteilte mit seinem Vater im April 1981 einen Urlaub in Knokke verbracht, konnte bei seiner Vernehmung vom 1. Juni 1983 mehrere Orte in unmittelbarer Nähe von Knokke aufzeichnen, zeigte sich aber sogar noch bei seiner Vernehmung am 6. Mai 1986 unsicher, ob Knokke an der Nord- oder Ostsee liegt.

Letztlich wird der Verurteilte, gegen den schon bei dieser Beweislage ein hoher Tatverdacht besteht, durch die Auswertung von Mikrospuren überführt. Der erst 1986 veranlaßte Abgleich von Mikrofaserspuren, die von der Leiche, von einer Mauer, die sich am angenommenen Fluchtweg befindet, und von der Sitzfläche eines Stuhles vom Tatort genommen worden waren, mit den zeitnah zur Tat gesicherten Folienabklebungen des Dufflecoats des Verurteilten hat in allen Fällen Materialidentität von Fasern dunkelblauer Wolle sehr schlechter Qualität mit einem breiten Farbspektrum und stark gekräuselter, relativ langer dunkelblauer Polyamid-Fasern ergeben. Danach ist davon auszugehen, daß der Dufflecoat des Verurteilten Kontakt zur Leiche, zum Stuhl am Tatort und zur Mauer des einzig möglichen Fluchtweges gehabt haben muß.

Berücksichtigt man weiter, daß diese Tat deutliche Parallelen zu den beiden anderen Gewalthandlungen des Verurteilten aufweisen - zu denken ist vor allem an die mehrmalige brutale Schlageinwirkung auf den Kopf der Frau Schubach wie im Fall des Mitschülers, aber auch der Versuch des gezielten Tötens durch Stiche in den Halswirbelkanal, worin der Senat eine deutliche Ähnlichkeit mit dem aufgesetzten Schuß in den Kopf im Fall Moschos sieht -, kann bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Beweismittel der Verurteilte als Täter auch dieses Tötungsdeliktes festgestellt werden.

Bei dieser Beweislage hält es der Senat für geboten, bei zukünftigen Entscheidungen über die bedingte Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug diese weitere Tat zu berücksichtigen.

Ende der Entscheidung

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